Resistenz gegen Antibiotika:Wenig hilft viel

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Die Wunderwaffe Antibiotika wird stumpfer: Bakterien zeigen sich zunehmend unbeeindruckt - und tauchen in bayerischen Krankenhäusern und Ställen auf.

Sarina Märschel

Antibiotikaresistente Bakterien leben in Kliniken, im Kuhstall und in der Fleischtheke. Verbrauchern, Patienten und Medizinern haben Angst vor ihnen - harte Fakten über ihre Verbreitung waren bis jetzt jedoch Mangelware.

In Krankenhäusern sind die Resistenzraten höher als bei ambulanten Patienten. (Foto: Foto: dpa)

Ein bundesweit einmaliges Forschunsprojekt soll nun eine breite Datengrundlage bilden. Auf dieser empirischen Grundlage können Gefahren für den Menschen realistisch eingeschätzt und Möglichkeiten zur Vorsorge entwickelt werden.

Die bayernweite Studie unter Federführung der TU München, die auf drei Jahre angelegt ist, trägt Daten über Antibiotika-Resistenzen in Lebensmitteln, Nutztieren und Menschen zusammen. Alle drei Bereiche wurden untersucht, weil eine gegenseitige Einflussnahme häufig diskutiert wird. Erste Ergebnisse wurden am Donnerstag beim interdisziplinären Antibiotika-Symposium in München vorgestellt.

Untersucht wurden Antibiotikaresistenzen bei relevanten Erregern wie zum Beispiel Salmonellen. In Deutschland erkranken jedes Jahr mehr als 50.000 Menschen an Salmonellose. Bei ungefähr 250 von ihnen schlägt eine antibiotische Behandlung nicht mehr an, weil der Erreger resistent ist. Im Extremfall, wenn etwa verschiedene Antibiotika nicht mehr anschlagen, führt das dazu, dass Infektionen nicht mehr therapiebar sind.

"Man muss sich im Klaren sein, dass Antibiotikaresistenzen schon immer vorhanden waren", sagt Johann Bauer vom Lehrstuhl für Tierhygiene der TU München, "aber durch den Einsatz von Antibiotika werden Bakterien resistenter."

Zur Unempfindlichkeit gegenüber Antibiotika kann es auch kommen, wenn genetische Informationen über Gattungsgrenzen hinweg ausgetauscht werden. Resistent werden Bakterien aber vor allem dann, wenn Antibiotika falsch angewendet werden.

Volker Hingst, Präsident des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, mahnt zu einer sorgfältigen Diagnose. Antibiotika sollten bei Mensch und Tier sparsam und gezielt eingesetzt, Antibiotika-Leitlinien in Krankenhäusern genau umgesetzt werden.

In der Praxis, so vermuten die Wissenschaftler, wird eher nach dem Gieskannenprinzip verfahren: "Wenn in einem landwirtschaftlichen Betrieb ein Kalb krank ist, besteht die Gefahr, dass sich alle anderen anstecken. Manche handeln dann nach dem Prinzip 'viel hilft viel', also kriegt der ganze Stall Antibiotika", kritisiert Volker Hingst.

Gegen das Gießkannenprinzip

Bei einigen Gruppen von landwirtschaftlichen Nutztieren gaben die Ergebnisse deshalb auch Anlass zur Sorge: "Bei Tieren sind die Resistenzprobleme vor allem im Bereich Kälber- und Bullenmast groß", erklärt TU-Professor Johann Bauer die Ergebnisse der Studie.

Bei Milchkühen werden Antibiotika dagegen weniger und wohl gezielter eingesetzt. Hier seien den Landwirten enge Grenzen gesteckt: Wird eine Kuh behandelt, darf die Milch für eine bestimmte Zeit nicht verkauft werden - das bedeutet finanzielle Einbußen für den Landwirt. Die Antibiotika-Behandlung bei Milchkühen erfolgt deshalb meist nur, wenn sie unbedingt notwendig ist. Auch bei Geflügel war der Wert der Antibiotika-Resistenzen niedrig.

Keine Hinweise auf eine generelle Verbrauchergefährdung

Bezüglich Wurst und Käse müssen sich die Verbraucher keine großen Gedanken machen: Die Wissenschaftler beurteilen die Resistenzwerte in Nahrungsmitteln als unproblematisch. Auf eine generelle Verbrauchergefährdung gibt es der Studie zufolge keine Hinweise.

Beim Menschen sind die Resistenzraten in Krankenhäusern im Vergleich zu denen bei ambulanten Patienten höher. Dort geschieht die Reistenzentwicklung jedoch nicht nur durch Antibiotika-Kontakt, sondern auch dadurch, dass hier unterschiedlichste Bakterien aufeinander treffen und fleißig ihre Gene austauschen.

Nach Informationen des Bayerischen Gesundheitsministeriums sind ungefähr 70 Prozent der Bakterien, die Infektionen in Krankenhäusern verursachen, gegen mindestens ein Antibiotikum resistent. In Deutschland werden jedes Jahr Tonnen dieser Medikamente in der Tier- und der Humanmedizin verwendet - im Jahr 2005 waren es allein in der Veterinärmedizin 800 Tonnen .

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