Pariser Modeschauen:Humpelrock und Schulterpolster

Lesezeit: 2 min

Die Angst geht um: Bei den Pariser Schauen besinnen sich die Designer - gerade in Zeiten der Krise - auf die Essenz ihrer Kunst.

Peter Bäldle

Die Mode reagiert auf die Krise. Schon lange nicht mehr haben die Kollektionen bei den Designerschauen in Paris, es geht um Herbst/Winter 2009/2010, so attraktiv und realistisch zugleich, so kräftig männlich und dennoch feminin ausgesehen. Dabei begleiten Diskussionen um Verkaufschancen und Gerüchte über mögliche Pleiten die Defilees. Selbst Karl Lagerfelds Bemerkung, die Reichen hätten zwar Geld, würden die Krise aber als Vorwand für ihren Geiz benutzen, spendet nur wenig Trost.

Etwas Lippenrot, betonte Schultern und schmale Taillen: Nicht nur Lanvin setzt in Paris auf ruhige Krisenmode in gedämpften Tönen. Dem Publikum gefällt's. (Foto: Foto: AFP)

Die Angst geht um. Trotzdem erinnern die Kreativen bei ihren Präsentationen mit Nachdruck daran, dass Mode das Leben nicht nur schöner, sondern auch optimistischer aussehen lassen kann. Sogar ein Hauch von Make-up, etwas Lippenrot und schön frisierte Haare können Selbstbewusstsein vermitteln.

Dies demonstriert niemand eindringlicher als Alber Elbaz für Lanvin. Der in Marokko geborene Israeli, einst von Yves Saint Laurent persönlich als dessen Nachfolger bestimmt, wählt die schulterbetonte Silhouette der achtziger Jahre als Grundlage für taillierte Schößchenkostüme und Kleider mit Drapé-Effekten. Aber er holt seine Mode aus den Salons heraus und lässt sie in einer Fabrikhalle über nassglänzenden Asphalt durch ein Tor aus dunkelroten Rosen paradieren.

Vergesst doch mal die Krise!

Als sich beim Finale die Rückwand öffnet und den Blick freigibt auf die unendlich erscheinende Tiefe der Halle, als Lanvins fünfzig Mädchen, Schulter an Schulter, aus deren Dunkel herausmarschieren, wirkt dies wie eine Aufforderung, über allem Krisengerede nicht die Mode als Ausdruck von Weiblichkeit und Schönheit zu vergessen. Stürmischer Beifall, Bravorufe und anerkennende Pfiffe quittieren, was zu Saint Laurents Zeiten mit einer "standing ovation" honoriert worden wäre.

Kein Designer scheint in dieser Saison ohne einen Rückgriff auf die achtziger Jahre auszukommen. Vielleicht vermitteln die Schulterbreiten von einst ein Gefühl der Sicherheit? Für nächsten Winter jedenfalls werden sie auf vielfältigste Weise interpretiert. Für Yves Saint Laurent besinnt sich Stefano Pilati auf die androgyne Seite des Hauses und zeigt Männerschultern in schwarzem Leder und nadelgestreiften Anzügen.

Givenchys Riccardo Tisci betont sie mit Federn, Schulterklappen und Toga-Drapierungen, wie sie Krystle Carrington in der Fernsehserie "Denver Clan" trug. Und Olivier Theyskens polstert sie bei Nina Ricci faustdick als Hommage an Claude Montana, Designerikone jener Dekade. "Man ist gut beraten, sich in schwierigen Zeiten auf die DNS des Hauses zu besinnen, für das man arbeitet", mahnt Suzy Menkes, Chefkritikerin des Modezirkus, in der International Herald Tribune.

Rückbesinnung auf die großen Namen

Generell besinnt man sich wieder auf die Ursprünge der großen Namen der Pariser Mode. So gesehen ist es kein Zufall, wenn Nicolas Ghesquière für Balenciaga nicht per Fax, sondern mit handgeschriebenen Einladungen zum Defilee in die aprikosenfarbenen Salons des Hotels Crillon bittet, anstatt wie gewohnt im eher schmucklosen hauseigenen Showroom zu zeigen.

Über Marmortreppen, vorbei an einem Spalier junger Männer in dunklen Anzügen, wird man von steinernen Göttinnen mit Füllhörnern begrüßt, die schon Marcel Proust gekannt haben dürfte. Darauf angesprochen, strahlt Ghesquière: "Ja, es ist alles ruhiger, gedämpfter, die Materialien, die Farben, sogar die Musik." Prompt zeigt der Meister für Science-Fiction-Futurismus schön drapierte Satinkleidchen, deren Rückfront mit dem Faltenwurf der Vorhänge korrespondiert.

Blende am Saum

Auch John Galliano geht für Dior zu den Anfängen der modernen Mode zurück und entdeckt für sich Paul Poiret, den ersten Couturier der Neuzeit. Dessen "Humpelrock" - die Weite wird von einer Blende am Saum zusammengehalten - kombiniert er zu schulterbetonten Schößchenjacken im Stil von Christian Diors "New Look" aus den Vierzigern.

Doch erst für seine Abendmode läuft Galliano zu wahrer Hochform auf, inspiriert von Leon Baksts Kostümentwürfen für die "Ballets Russes", das russische Ballett. Hier schwelgt der exzentrische Meister in der Farbenpracht persischer Miniaturen für exotische Kleider, die Scheherazades Haremsphantasien in nichts nachstehen und wenigstens für eine Nacht jede Krise vergessen lassen.

© SZ vom 12.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: