Parfüms:Nimm mich jetzt, auch wenn ich stinke!

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Begrabt mein Herz an der Biegung des Überflusses: Brauchen wir wirklich alles, was neu ist? Die nicht ganz objektive Konsumterror-Kolumne. Heute: Düfte.

Ulrike Bretz

Woran erkennt man, dass ein Badezimmer von einem Mann genutzt wird? Mal abgesehen von der schmierigen Schicht auf den Fliesen und den Bartstoppeln im Waschbecken? An der Farbe der Körperpflege-Phalanx auf dem Regal. Schwarz. Anthrazit. Vielleicht noch Silber.

Schnee, Waschsalon oder Staub statt Veilchen und Moschus: Parfüms, die die Welt nicht braucht. (Foto: Foto: Demeter Fragrance Library; Montage: sueddeutsche.de)

Wie ein Waffenarsenal gegen natürlichen Körpergeruch reihen sich maskuline Deodorants in Handgranatenform an Duschgels in dunkel getönten Flaschen. Die Duftnoten heißen "Active", "Fresh", "Power" - oder einfach nur "Man". Frauen wollen nicht nach Aktivität, Frische, Kraft oder Mann riechen. Auch nicht nach Frau. Sondern nach Dingen. Nach Früchten und Blumen, das finden wir weiblich.

Für Frauen, die nicht nach Floralem, und Männer, die nicht nach wildem Ochsen riechen wollen, bietet die Parfümindustrie neuerdings Alternativen an, die Assoziationen wecken sollen - auf subtilere Art. Sie sollen Parfümierte, die sie riechen, entführen - nicht auf eine langweilige Blumenwiese oder in den gern gewählten "Orient". Sondern an Orte, von denen wir selbst nicht einmal wussten, dass wir dort je hinwollten: In einen Waschsalon, zum Beispiel. Oder in eine Garage.

Die amerikanische Firma Demeter Fragrance Library hat den Duft "Laundromat" ("Waschsalon") entworfen. Das hört sich nach schmutziger Wäsche an, und nach Brackwasser, das aus der Waschmaschine in den Abfluss fließt. Tatsächlich riecht man nicht ganz so schlimm, wenn man sich das Wässerchen aufsprüht. Aber der penetrante, frisch-süßliche Geruch nach überparfümiertem Chemie-Waschmittel ist auch nicht viel besser.

Der Duft nach Staub

Leider schleicht sich gar kein kuschelweiches Gefühl nach porentief sauberer, heiler Welt ein. Auch die Variante "Snow" (Schnee) lässt einen nicht an den warmen Ofen in der Skihütte in den verschneiten Bergen denken. Sie riecht bloß nach Alkohol - ernüchternd. Und was uns der Hersteller suggerieren will, wenn er uns die atem-beraubende Duftnote "Dust" (Staub) andrehen will, wollen wir erst gar nicht wissen. Abgesehen davon, dass Staub nach nichts riecht, außer nach Muff: Soll uns beim Gedanken daran etwa ein Wohlgefühl beschleichen? Die Lust nach schweißtreibender Hausarbeit und den Kampf gegen Wollmäuse und schimmelige Wände? Da halten wir uns doch lieber die Nase zu.

Parfums haben mit Wohlgefühl offenbar nichts mehr zu tun. Finden zumindest die Hersteller, die sich für besonders avantgardistisch halten. Der Gipfel des schlechten Geruchs: Die Synthetic-Reihe von Comme des Garçons. Erhältlich in den Noten "Garage", "Teer", "Kunstleder" und "Sodawasser". Die japanische Mode-Designerin Rei Kawakubo, die die Parfums für ihr Label selbst kreiert hat, will gar nicht, dass man "gut" riecht - und einen anderen Menschen soll man damit auch nicht beeindrucken.

Flakon in Müllbeutel-Optik

Oder hat der Geruch nach Teer je irgendjemanden heiß gemacht? Nein. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die Designer Duftnoten entwerfen, die noch abwegigere Assoziationen in uns wecken sollen. Wie wäre es mit "Schweiß" - dem Geruch nach zweijahre alten Müffel-Turnschuhen? "Highway" - nach dem öffentlichen Urinal an der Autobahnraststätte.

Für lustige Geruchs-Erkennungsspielchen auf Kindergeburtstagen mögen die Parfüms vielleicht taugen. Aber am Körper will man diese Kreationen nicht kleben haben. Wir brauchen kein Parfum, das nach frisch geteertem Gehweg oder nach Benzinlachen in abgaswabernden Tiefgaragen riecht.

Auch nicht, wenn der Flakon, mit der schwarzen Müllbeutel-Optik wunderbar in ein Herren-Badezimmer passen würde. Apropos Müll - wie wäre es, liebe Frau Kawakubo, mal mit einem "Garbage"-Parfum? Das wäre doch auch total Avantgarde. Und wir wüssten sofort, wo der beste Aufbewahrungsort dafür wär: In der Tonne.

Und was denken Sie: Platz an der Tonne oder Platz an der Sonne? Stimmen Sie ab!

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