Opernball in Wien:Teri, Dita und der Mörtel

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Auf dem Wiener Opernball drehte sich mal wieder alles im Kreis - schön im Dreivierteltakt. Nur Richard Lugners Stargast war der Trubel zu viel. Dita von Teese sperrte sich irgendwann in der Toilette ein.

Katharina Höller

Das Kaffeehaus, die Sachertorte und der Opernball - drei Dinge, die zu Wien gehören wie die Kühe zum Metzger. Gestern Abend war es wieder soweit, eine dieser österreichischen Eigentümlichkeiten zu zelebrieren: den Opernball.

Opernstar beim Opernball: Anna Netrebko (Foto: Foto: dpa)

Der letzte Donnerstag im Fasching, die Weiberfastnacht, ist alljährlich der Tag, an dem sich die regionale und internationale Prominenz zu diesem Zweck ein Stelldichein gibt in der Wiener Staatsoper. Ob reich, ob schön, ob wichtig oder einfach nur anwesend - hier trifft die Elite aus Politik, Wirtschaft und auch Kultur zusammen und mischt sich gekonnt mit einer Prise Stars und Sternchen. Schnell gerät so der Anlass des Festes - nämlich die Debütantinnen - aus dem Blickfeld in den Hintergrund.

Dafür gibt es andere zentrale Fragen, die geklärt werden wollen: Von boulevardeskem Interesse ist natürlich, wer zum Hollywood-Glamour der Veranstaltung beiträgt. Das waren gestern eindeutig Dita von Teese und Teri Hatcher. Die "Tänzerin im Champagnerglas" war groß angekündigt und dann tatsächlich zu Gast beim berühmt-berüchtigten Bauunternehmer Richard Lugner.

Brav ließ sie sich im nostalgischen Ambiente der Staatsoper ablichten, aber irgendwann wurde es der Burlesque-Tänzerin dann zu viel. Auf der Flucht vor dem Trubel um ihre Person sperrte sie sich in der Toilette ein. Die Schauspielerin Teri Hatcher hingegen galt als der Überraschungsgast des Abends - und hielt sich angenehm dezent im Hintergrund.

Fehlen dürfen zum Operball außerdem nicht die Opernstars, allen voran Anna Netrebko und José Carreras, der den Ball - italienische Liedchen trällernd - eröffnen durfte. Kollegin Netrebko war "ganz entzückt, den Meister endlich live zu erleben". Doch lange Statements ließ sie sich nicht entlocken, die Diva wollte schnell auf die Tanzfläche.

Der "Ball" war am gestrigen Abend in doppeltem Sinne Programm: Der eigentliche Wortsinn erklärt sich aus dem lateinischen "ballare", was übersetzt schlicht "tanzen" bedeutet. Vergessen wird dabei häufig, dass Tanzen auch nur Sport ist. Ein Sport jedoch, für den man einen Ball braucht. Genauso wie für den Fußball - eine Gemeinsamkeit, die erst auf den zweiten Blick auffällt. So hätte auch niemand gedacht, dass einmal ein profaner Kunstrasen auf dem Parkett der Staatsoper ausgerollt werden würde. Doch im Jahr der Europameisterschaft ist alles möglich. Und selbst schuld wären die Österreicher, wenn sie ihr größtes PR-Event nicht nutzen würden, um die EM zu bewerben.

Ein Fußballballett wurde aufgeführt, eigens einstudiert vom Ballett der Staatsoper, und als Abschlussgag durften die österreichischen Kicker Andi Herzog und Herbert Prohaska den verletzten Spieler vom Feld tragen. Interessante Idee, möchte der geneigte Zuschauer meinen. Doch lässt sich das testosterongetränkte Chaos eines Bolzplatzes tatsächlich darstellen von drahtigen Jünglingen, die normalerweise Strumpfhosen tragen und sich ausschließlich synchron bewegen?

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Ein Walzer auf die Kultur

Schauspielerin Teri Hatcher war der Überraschungsgast des Abends (Foto: Foto: dpa)

Franz "Ich bin ja schon fast Österreicher" Beckenbauer fand's natürlich toll und sehr mutig. Schließlich trägt so ein Ballett dazu bei, den Fußball noch mehr vom "Proletensport" zu entfernen. Ob der Fußball allerdings den kulturellen Charakter der Veranstaltung gut widerspiegelt? Schließlich diskutiert die Wiener Gesellschaft schon lange, ob der Opernball ein Kultur- und Künstlerball ist, oder schon längst verkommen zum Meeting der Bussi-Bussi-Gesellschaft.

Gastgeber und Operndirektor Ioan Holender sieht den Boulevard gar nicht gerne: "Wenn es nicht jedem Baumeister gefällt, ist das ein Zeichen dafür, dass der Ball eine Sache mit Niveau ist." Der Seitenhieb auf Unternehmer und Immobilien-Tycoon Richard "Mörtel" Lugner liegt auf der Hand. Dem hingegen gefällt es immer wieder gut beim Ball. So gut, dass die Medien jedes Jahr neugierig fragen: Wen bringt er denn diesmal mit?

Seit 1992 lädt Lugner gönnerhaft Weltstars wie Sophia Loren, Pamela Anderson oder - eben gestern - Dita von Teese in seine Loge ein. Heiß diskutiert am gestrigen Abend wurde folglich die Berufsbezeichnung der schönen Schwarzhaarigen. Ist sie nun Ausdruckstänzerin? Und wie spricht man ihren Namen aus, "von Ties" oder "von Teese"? Geklärt ist nun wenigstens, dass sie schon am Anfang ihrer Karriere 17.000 € pro Stripminute kassierte. Gut, dass sie sich gestern nicht auszog.

Im Gegenteil, sie war sogar zauberhaft angezogen. In einem hellgrauen schulterfreien Kleid mit Fransen, die ein bisschen wie die Schuppen einer Forelle anmuteten. Wer den edlen Stoff entwarf, blieb leider unbekannt. Dafür gab die Dame zu Protokoll, dass der Opernball "so glamurös" wäre und zudem "besser als die Oscarverleihung". Ob derart überschwengliche Statements den Mörtel zusätzlich Zement kosten?

Opernsängerin Anna Netrebko erschien in eine schwarze Escada-Robe gehüllt, und Teri Hatcher trug ein bronzefarbenes Kleid mit freien Schultern. Die verzweifelte Hausfrau strahlte in jede Kamera, dass sie "so etwas Zauberhaftes noch nie zuvor erlebt habe". "Very special!" Der Kaiser Franz Beckenbauer brachte in wenigen Worten den Stil der Herren auf den Punkt: "Ein Frack ist ein Frack, und das ist jedes Jahr das Gleiche!" So viel zu den zentralen Oberflächlichkeiten, den "Gwandteln", wie der Österreicher zu sagen pflegt.

Erwähnenswerte Neuerungen rund um den Ball gab es auch. Desirée Treichl-Stürgkh, erstmals Organisatorin der Feierlichkeiten, will den Opernball "ins 21. Jahrhundert überführen". Sie hat sich einiges überlegt und kurzerhand ein rotes "Entree" vor der Oper aufgebaut. Der Architekt - Herr Manzenberger - verbrauchte 600 m² roten Samt, um sein Werk standesgemäß zu verkleiden. Nun behoben ist ein für allemal "das Gewurschtel auf der Stiege, welches dem Anlass bisher nicht Rechnung trug".

Die volle Unterstützung ihrer Arbeit durch den Operndirektor ist der Organisatorin sicher: "Frau Treichl weiß besser, was den Leuten gefällt, mir gefällt ja eh fast nichts", sagt Ioan Holender und lässt den Dingen ihren Lauf. Seine besondere Rolle - im vergangenen Jahr fuhr Holender als Kutscher mit einem Fiaker ein - viel dieses Jahr leider aus. Dafür sprang der Fußball ein, der wohl auch in Zukunft bei öffentlichen Veranstaltungen in Österreich und der Schweiz eine tragende Rolle spielen wird. Schließlich richtet man nicht jedes Jahr eine Europameisterschaft aus. Da kann man das "Kulturereignis Opernball" ruhig mal als Werbeveranstaltung für den Sport missbrauchen.

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