Neudesign von Coca-Cola-Flaschen:Trink mich, hab' Spaß!

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Altes Design langweilig wie Flasche leer - Coca-Colas possierliche Alu-Edition testet neue Formen und Märkte, und schon fragt man sich in den Clubs: "Gibt's die auch für Jungs?"

Oliver Herwig

Das also ist das Kind unserer Zeit. Die Dose ist zur Flasche mutiert, oder sollte man sagen: die Flasche zur Dose? Ein Hybrid ist entstanden, ein matt glänzendes Aluminiumgefäß, das die wohl berühmteste Buddel des 20. Jahrhunderts in die Gegenwart katapultieren soll.

Optimismus pur lautet die Botschaft der runderneuerten Konturflasche mit ihren psychedelischen Kirschblüten, Dahlien und Kalahariblumen. (Foto: Fotos: Coca-Cola-GmbH)

Coca-Cola erfindet sich wieder einmal neu. Nach Diet Coke und Coca-Cola Zero folgt die bislang raffinierteste Form der Diversifizierung. Fünf internationale Designschmieden vollzogen 2005 den Relaunch des neunzig Jahre alten Klassikers: "Caviar" aus Japan, die britische "Designers Republic", "MK12" aus den Vereinigten Staaten, die Südafrikaner von "Rex & Tennant McKay" sowie das brasilianische Team "Lobo" - kurz M5 für "Magnificent Five".

Die Designer konnten sich ordentlich austoben, nur das Logo, die geschwungene Cola-Linie und etwas Platz für Inhaltsstoffe sollten bleiben. Trotz aller lässigen Vorgaben wirken die Entwürfe jedoch geklont, wie Schaumgeburten aus dem Geist selig psychedelischer Zeiten. Da jagen bunte Bilder über die Flaschen, als wäre sie Computerbildschirme, Coke leuchtet mit Bonbonfarben in die Zukunft. Optimismus pur lautet die Botschaft der runderneuerten Konturflasche mit all ihren Kirschblüten, Dahlien und Kalahariblumen. Sie murmeln das alte, süße Versprechen: Trink mich, hab' Spaß!

Unter der feucht-fröhlichen Hülle steckt dann die eigentliche Sensation. Alle Falten der gläsernen Urform sind verschwunden, die Flasche wurde geliftet. "Impact Extruded" heißt das innovative Verfahren, mit dem der Aluminium-Rohling schlagartig in Form gebracht wird. Das CanMaker Magazine verlieh der Flasche aus einem Guss denn auch gleich den "Golden Award" für die beste Aluminiumflasche 2005.

Wie sich die mattglänzend-kühle Edition anfühlt, lässt sich in ausgewählten Clubs testen. Magnificent Five steht vor allem für großartiges Marketing. Events, Blogs und Partys verbreiten die Nachricht von der neuen Cola ebenso kostenlos wie zuverlässig. Gerade tourt Eugenio Mendez, Global Group Brand Manager aus Atlanta, durch Europa und inspiziert, wie die Kollektion ankommt. TV-Werbung war gestern, heute setzt die Firma auf das Internet und ausgewählte Trendsetter der Club-Szene.

Flaue Power

Einige tausend Flaschen wanderten in Berlin, Hamburg, Köln und München schon über den Tresen. Nach Belgien fungiert Deutschland als zweiter Testmarkt, gefolgt von Italien, den Niederlanden, England, Brasilien, Singapur, Brasilien, Frankreich und Ungarn. Ein globaler Feldflaschenversuch also; fällt er positiv aus, geht die Edition in Großserie. Digitaldekor gibt es dann nicht mehr nur in homöopathischen Dosen, sondern für alle.

Wie aber kommen die runderneuerten Konturflaschen beim Verbraucher an? "Chillig", juchzt ein potentieller Partygänger, der andere mault: "Gibt's die auch für Jungs? Die sind viel zu süß." Eine ältere Dame dagegen nimmt die Dinger erst gar nicht in die Hand, meint aber nach kurzem Überlegen: "Da würde ich Blumen reinstellen." Die Cola-Büchsenflasche als Vase schließt den Kreis zu Alexander Samuelsons erstem Entwurf von 1916 mit seinem frechen Hüftschwung, einer Ideallinie, die man selbst noch im Dunkeln erfühlt.

Coca-Cola bedient sich nicht zum ersten Mal der Kunst. Andy Warhol hat uns auf den Gedanken gebracht, sagt Mendez, und muss schmunzeln. Der Manager weiß, welch unschätzbaren Dienst Warhol leistete; indem Andy alltägliche Gebrauchsgegenstände zur Kunst adelte, ersparte er dem Hersteller ganze Werbekampagnen. Wie sagte doch der König der Pop Art: "Du sitzt vor dem Fernseher und siehst Coca-Cola, und du weißt, dass der Präsident Coke trinkt, dass Liz Taylor Coke trinkt, und denkst daran, dass auch du Coke trinken kannst. Eine Coke ist eine Coke, und mit keinem Geld der Welt kannst du dir eine bessere Coke kaufen als die, die der Penner an der Ecke gerade trinkt. Alle Cokes sind gleich und alle Cokes sind gut. Liz Taylor weiß es, der Präsident weiß es, der Penner weiß es und du weißt es."

Nichts trinkt sich so schön wie der nobilitierte Alltag. Eine Rose mag nur eine Rose sein, diese Flasche steht für ein halbes Jahrhundert Popkultur. M5, die bottle formerly known as Coke, umarmt den Zeitgeschmack wie ein Ertrinkender die rettende Planke. Schließlich haben sich Trinkgewohnheiten geändert. Heute muss der Gigant der braunen Brause mit Trenddrinks wie Red Bull und Kombucha konkurrieren und zugleich auf unser gestiegenes Umwelt- und Fitnessbewusstsein reagieren. Vom Nähr- zum Mehrwert ist es dabei nur ein kleiner Schritt, allerdings auch von Flower-Power zu flauer Gestaltung ist der Weg nicht allzu weit.

Was auf den ersten Blick so fröhlich wirkt, hinterlässt einen schalen Nachgeschmack, vergleichbar dem New Beetle und anderen Upgrades. Aber vielleicht sollte man einfach nur abwarten. Womöglich steht die farbensprühende Flasche bald brav auf dem Fensterbrett - als Blumenvase.

© SZ v. 21.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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