Negative Space Art:Kopfkunst

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Nicht immer sind die Dinge so, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Wer bei diesen Bildern ganz genau hinschaut, kann darin mehr als nur ein Motiv entdecken.

Von Georg Cadeggianini

Es ist ein bisschen wie Versteckspielen - bloß mit Stiften und Papier. Einer malt etwas, der andere sucht. Und sieht dann zum Beispiel einen Pinguin und - erst wenn man ganz genau hinschaut - auch den Mann mit der komischen Frisur. "Negative Space Art" heißt diese Kunstrichtung. Das bedeutet so viel wie "Kunst mit dem, was übrig bleibt". Wenn das gelingt, sieht es ganz einfach aus. Man muss im Kopf nur einmal umdenken und schon sieht man das zweite Bild. Aber die Künstler tüfteln oft tagelang daran.

Einer der bekanntesten von diesen Künstlern heißt Noma Bar. Vergangenes Jahr hat er ein ganzes Buch mit Bildern wie dem Pinguin rechts herausgebracht. Schon der Titel ist Programm: Er bringt zwei ganz verschiedene Worte zusammen: "Bittersweet" heißt es, zu Deutsch bittersüß. Ein gutes Versteckspiel-Bild kann fast so etwas wie reden, meint Noma Bar. Es sind Zwibilder: zwei Bilder in einem. "Man sieht als Erstes das eine und entdeckt dann das zweite, dazwischen entsteht eine Minigeschichte." Ideen dazu kommen ihm überall: "Beim Zähneputzen, Schlangestehen oder während ich meine Tochter in die Schule bringe."

Ein anderer Illustrator, der mit solchen Zwibildern arbeitet, kommt aus Malaysia. Tang Yau Hoong (von ihm ist das Eisberg-Bild auf dieser Seite) glaubt, dass Kinder besonders gut darin sind, solche Bilder selbst zu machen. "Es geht darum, gegen den Strom zu denken, gegen die Logik - und Dinge zusammenzubringen, die eigentlich nicht zusammengehören und trotzdem irgendwie passen. So was können Kinder eigentlich besser als Erwachsene."

Und es geht darum, die Perspektive zu wechseln: Ein Kreis zum Beispiel kann Sonne, Rad oder Ball sein - genauso aber auch ein Loch. Eine geschwungene Linie kann ein Gesicht von der Seite sein - oder der linke Teil einer Vase. Bevor Tang Yau Hoong seine Arbeiten fertig macht, zeigt er die Entwürfe oft seinem Neffen. Der geht zwar erst in den Kindergarten. Aber wenn der das zweite Bild nicht entdeckt, weiß der Künstler, dass er es noch mal überarbeiten muss.

© SZ vom 17.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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