Mohammed al-Fayed:Als Gentleman ausgeschlossen

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Er ist reich, berühmt und voller Wut auf das Establishment - aber vor allem will er beweisen, dass sein Sohn Dodi und Prinzessin Di ermordet wurden.

Wolfgang Koydl

Das Ding heißt Ego-Wand und hat Einzug in britische Chefetagen gehalten. Meist ist es die Wand hinter dem Schreibtisch, an die der Inhaber des Büros Urkunden, Auszeichnungen und Medaillen hängt, garniert um Fotos, die ihn in Begleitung wichtiger Persönlichkeiten zeigen. Die Ego-Wand ist das zeitgemäße Gegenstück zu den Skalps am Gürtel des Sioux-Häuptlings oder den Rossschweifen am Banner eines Paschas.

Zu Mohammed al-Fayed soll Lady Di gesagt haben: "Wenn mir etwas zustößt, deute mit dem Finger auf Philip." (Foto: Foto: AP)

Mohammed al-Fayed zieht Feinden das Fell nur im übertragenen Sinn über die Ohren, und Pascha ist er nur im opulenten Lebensstil. Doch durchschreitet man die gesicherte Stahltür zu seiner Büroflucht im fünften Stock des Londoner Edelkaufhauses Harrods, wird schnell klar, dass eine einzige Wand allein für das Ego des Warenhausmoguls nicht reicht. Wo man hinblickt, künden Urkunden von den Taten des Ägypters, von überall her grinst er im Kreis Reicher, Schöner, Mächtiger herab. Bescheidenheit war nie Mohammed al-Fayeds Stärke. Deshalb hat er auch ein lebensgroßes Wachsabbild seiner selbst in der Herrenabteilung aufstellen und die Sphinx-Köpfe entlang der alt-ägyptisch gestalteten Rolltreppe mit seinem Antlitz versehen lassen.

Das Chefbüro bleibt dem Besucher verschlossen, man kann nur spekulieren, ob dort noch das Bild hängt, auf dem Fayed neben Königin Elisabeth steht. Verständlich wäre es ja, hätte er es "auf den Müll geworfen", wie er es nach eigenen Worten mit den königlichen Wappen tat, die dokumentierten, dass die Königin, ihr Gemahl und ihr Sohn bei Harrods einst einkaufen ließen. Denn Fayed ist, vorsichtig formuliert, nicht gut zu sprechen auf die Windsors, seit sein Sohn Dodi vor zehn Jahren mit Prinzessin Diana in einem schweren Mercedes in der Pariser Pont-d'Alma-Unterführung ums Leben kam.

In dieser schwarzen Stunde vollzog sich eine Wandlung in Mohammed al-Fayed, doch wozu er mutierte, hängt letztlich vom Betrachter ab: Für die einen ist er ein Held geworden, der für die Wahrheit kämpft, für andere ein Phantast, für Dritte eine tragische Figur. Und für viele hat er sich nur zum Gespött gemacht. Denn allen Belegen zum Trotz hat Fayed die Unfallthese nie akzeptiert; für ihn war es ein kaltblütiger, vorsätzlicher Mord an dem jungen Paar, das - so sagt er - heiraten wollte. Angestiftet habe das Verbrechen Prinz Philip, der Gatte der Königin, der keine Muslime in der Familie wollte. Ungestraft zeiht Fayed ihn "Mörder", "Hundesohn", "Rassisten und Nazi", einen "Hitler, der dieses Land hinter den Kulissen beherrscht".

"Falscher Pharao"

Zehn Jahre sind seit jener tragischen Sommernacht vergangen, unzählige Zeugen wurden verhört, Spuren verfolgt, Berichte erstellt. Doch dass die Akte Di noch nicht geschlossen wurde, liegt an Fayed und seiner Kampagne: "Es ist nicht leicht, mit dem Wissen zu leben, dass dein eigenes Kind von Monstern abgeschlachtet wurde, die sich die britische königliche Familie nennen", sagt er melodramatisch in Fernsehshows überall auf der Welt. Eines Tages werde mit Allahs Hilfe die Wahrheit ans Licht kommen.

Dem Harrods-Chef kommen Unregelmäßigkeiten in der Causa Di und Dodi zunutze. Für sich genommen mögen sie belanglos sein; doch in der Summe häufen sie Material an, aus dem sich Verschwörungstheorien spinnen lassen. Warum etwa versicherte Scotland Yards Ex-Chef Lord Stevens den Eltern von Henri Paul, dass ihr Sohn - der den Unglückswagen steuerte - nicht betrunken gewesen sei? Warum behauptete er in dem von ihm erstellten und vier Wochen später veröffentlichten Untersuchungsbericht das Gegenteil? Was ist von der Aussage des früheren britischen Geheimagenten Richard Tomlinson zu halten? Ehe er mundtot gemacht wurde, gab er zu Protokoll, er habe im Dienst mit eigenen Augen Pläne für ein Attentat auf den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic gesehen, die dem Pariser Unfall genau geglichen hätten.

Andere Gerüchte ranken sich um einen Brief und um eine Tonbandaufzeichnung, in denen Diana angeblich festhielt, dass sie um ihr Leben fürchtete. War es Ernst oder ein Scherz, als sie sagte: "Ich habe viele Hobbys, und eines davon ist, am Leben zu bleiben." Oder stimmt, was Fayed beteuert: "Diana hat mir gesagt: Wenn mir etwas zustößt, deute mit dem Finger auf Philip." Dumm nur, dass es für dieses Gespräch keine Zeugen gibt.

Tatsache ist, dass es bis heute in Großbritannien keine gerichtliche Untersuchung des Unfalls gab, wie sie britisches Recht für jeden unnatürlichen Todesfall vorschreibt. Nur Fayeds Beharrlichkeit oder Starrsinn ist es zu verdanken, dass Lordrichter Scott Baker Anfang September die Anhörungen eröffnen wird. Fayed setzte zudem durch, dass die Geschworenen, die den Fall beurteilen, nicht Höflinge sind, sondern normale Bürger.

"Wäre es nach dem Establishment gegangen, wäre die Sache an einem Tag durchgezogen worden", meint Michael Cole, seit Jahren Sprecher und getreuer Adlatus des Millionärs. Was er zu erwähnen vergisst: Mit immer neuen Klagen vor französischen Gerichten hat Fayed selbst den Inquest verzögert. Denn britische Gerichte wollten zunächst einen endgültigen Bericht aus Paris abwarten, um doppelte Arbeit zu vermeiden.

Cole, der einst für die BBC über die Monarchie berichtete, ist Fayed seit 20 Jahren loyal ergeben. Das erklärt, weshalb er ungern präzise Informationen über seinen Chef preisgibt. Denn Fayed hat - seit er vor beinahe 50 Jahren in England auftauchte - Angaben zu seiner Person und zu der seiner Brüder Ali und Salah gezielt vernebelt. Das Satiremagazin Private Eye verpasste ihm schon früh den Spitznamen "Phoney Pharao" - falscher Pharao.

Sein Geburtsdatum - 1929? 1933? - ist so umstritten wie sein Recht, den Artikel "a" vor den Nachnamen zu setzen. Verbürgt ist der Geburtsort Alexandria sowie die Tatsache, dass sein Vater Arabischlehrer war. Diese bescheidene Herkunft indes ließ sich nicht mit der später fabrizierten Legende vom wohlhabenden Fayed-Clan vereinbaren, der im 19. Jahrhundert mit Baumwolle und Schiffen zu Wohlstand gelangt sei. Die derzeit verbindliche Variante formuliert Cole flüssig, aber wenig glaubwürdig so: "Mohammeds Großvater war Geschäftsmann, aber er wollte, dass sein Sohn eine intellektuelle Tätigkeit ausübt. Deshalb wurde Mohammeds Vater Lehrer."

Witze über den Wüstensohn

Die Wirklichkeit sah anders aus: Fayed senior unterrichtete an einer Grundschule in einem Kleineleute-Viertel, der kleine Mohammed schlug sich als Straßenhändler und Nähmaschinenvertreter durch. Das große Los zog er, als er 1952 einen jungen Saudi namens Adnan Kashoggi kennenlernte, der später mit Waffengeschäften Milliarden verdiente. Kashoggi verschaffte dem Ägypter den ersten Job, führte ihn in die mysteriöse Welt nahöstlicher Kommissionsgeschäfte ein und brachte ihn mit seiner Schwester Samira zusammen, die Fayed heiratete. Der kurzen Ehe entsprang ein Sohn - Emad, der sein Leben lang den Kindernamen Dodi trug.

Fayed hatte Talent als Makler, und er kannte keine Skrupel. Er dealte mit Jean Claude "Papa Doc" Duvalier, dem Despoten von Haiti, und er erschmeichelte sich das Vertrauen des Scheichs von Dubai. Unbestritten ist, dass er am Aufstieg des verschlafenen Piratennestes am Persischen Golf zur glitzernden Metropole mitwirkte. Als nicht minder wichtig entpuppte sich eine Beratertätigkeit für den schwerreichen Sultan von Brunei.

Fayed verdiente gut, und mit dem Geld konnte er sich leisten, wovon er als Junge im britisch verwalteten Ägypten geträumt hatte. Endlich waren sie in Griffweite, die Attribute des englischen Gentleman: der Rolls Royce in der Garage, im Schrank Anzüge aus der Saville Row, die Stadtwohnung in Mayfair, das Landhaus in Surrey, das Schloss in Schottland und - für einen Hypochonder nicht unwichtig - die Ärzte in der Harley Street. Das teure Spielzeug sollte ihm die Anerkennung verschaffen, nach der er sich verzehrte.

Das Establishment tat ihm den Gefallen nicht. Das lag zum einen daran, dass er für sie immer Mittelsmann war, ein Mister Five, Six, Seven oder Ten Percent, notwendig fürs Geschäft, aber ungeliebt von Käufer wie Verkäufer. Und da waren Fayeds Abstammung und seine ruppigen Umgangsformen, die er mit Geld nicht aus der Welt schaffen konnte. So flunkerte er sich die edle Familie zusammen, und seine Gossensprache, die Hafennutten wie Fischweiber erröten ließe, camouflierte er, indem er den tölpelhaften Clown gab: etwas seltsam, aber ganz nett.

Allein, die Taktik ging nicht auf. Die Businessmen der City, die Gentlemen aus Eton, Oxford oder Sandhurst, die Lords und Ladys und gar die Royals schnitten ihn weiter. Abhilfe sollte Harrods schaffen, wo all diese Herrschaften einkauften. Wenn ihm der Laden gehörte, kalkulierte Fayed, würde er zur feinen Gesellschaft gehören. Was er nicht verstand: Keiner lädt den Kaufmann an der Ecke zum Dinner ein, auch wenn sein Laden weltberühmt ist. Doch Fayed blieb überzeugt, er müsse nur britische Institutionen kaufen, um zum Briten zu werden. So hatte er den noblen Hemdenschneider Turnbull&Asser erworben, später kamen der Traditions-Fußballclub Fulham FC und das moribunde Witzemagazin Punch hinzu.

Der Harrods-Kauf geriet zu einem der längsten und bösartigsten Übernahmekämpfe der britischen Firmengeschichte. Erst nach Jahren setzte sich Fayed gegen den als skrupellos berüchtigten Tycoon Tony Rowland durch, der die Kaufhaus-Kette House of Fraser, zu der Harrods gehörte, ebenfalls kaufen wollte. Rowlands erwies sich als schlechter Verlierer. Er entfachte über die ihm gehörende Sonntagszeitung Observer eine Schmähkampagne gegen den Rivalen. Die üble Nachrede fiel auf fruchtbaren Boden. Nicht nur das Establishment fühlte sich bei dem Gedanken unwohl, dass das Kaufhaus der Königin von einem Ägypter übernommen werden sollte. "Haben Sie schon gehört, bei Harrods gibt's günstig Kamelhaarmäntel", witzelte man in Anspielung auf den mutmaßlichen Wüstensohn Fayed.

Schlimmer als alle Vorurteile erwies sich, dass der neue Harrods-Eigner es mit der Wahrheit nicht so genau genommen hatte. Das Handelsministeriums ermittelte, dass die Fayed-Brüder nicht nur ihren familiären Hintergrund erlogen hatten, sondern auch falsche Angaben über die Herkunft der 600 Millionen Pfund gemacht hatten, mit denen sie House of Fraser kauften. Mohammed al-Fayed aber sah nur seine "Ehre, Würde und Integrität" in den Schmutz gezogen, und als Jahre später sein Antrag auf britische Staatsbürgerschaft abgelehnt wurde, erklärte der Beleidigte dem Land den Krieg.

Er bestach Journalisten mit Fresskörben und Bargeld, warb ranghohe Beamte von Scotland Yard ab, die helfen sollten, kompromittierendes Material über Gegner zu finden. Und er bezahlte konservative Abgeordnete mit Cash und Luxus-Weekends in seinem Pariser Ritz-Hotel. Dafür sollten die ehrenwerten Gentlemen für ihn im Unterhaus Fragen an die Regierung stellen. Diese Praxis war, wie sich erwies, durchaus gängig, aber der Öffentlichkeit verborgen, bis Fayed sie ans Licht zerrte. Die Folge: Über diese Praxis stürzte 1997 die konservative Regierung von Premier John Major.

Wenn Fayed erwartet hatte, dass ihm Labour unter dem neuen Premier Tony Blair gewogener sein würde, sah er sich getäuscht: Auch sie gaben ihm keinen Pass. Grollend tauchte der Harrods-Herrscher ins Untergeschoss der sprachlichen Gosse ab: Blair und seine Minister galten ihm fürderhin als "Schwanzlecker", Parlamentarier als "Bakterien". Dass Fayed das Establishment verachtet, lässt sich wohl auch darauf zurückführen, dass er dessen Mitglieder als habgierig, korrupt und käuflich kennengelernt hat.

Die Sympathien der Windsors hatte er sich da längst verscherzt. Einst konnte er sich als Sponsor der Windsor Horse Show einmal im Jahr in der Gegenwart der Königin sonnen, und Prinz Philip kam schon mal zum Lunch zu Harrods. Doch bei diesen Begegnungen mit den Royals benahm Fayed sich nicht immer, wie dies unter gesitteten Menschen üblich ist, von den Regeln der Hof-Etikette zu schweigen.

Elisabeth war nicht amüsiert, als sie vernahm, dass zu den Lieblingsthemen des Entrepreneurs detaillierte Betrachtungen seines Geschlechtsorgans zählten. Und als er ihr, wie Michael Cole erzählt, demonstrierte, dass nicht Knöpfe seine grell gemusterten Hemden zusammenhalten, sondern Klettband, gebot sie ihm entsetzt Einhalt - nicht auszudenken, wie weit der alternde Chippendale gegangen wäre. Auf genauso wenig Verständnis stieß sein Versuch, Prinz Philip von den Vorzügen der von Fayed ausschließlich getragenen Ansteck-Schlipse zu überzeugen. Abgesehen von der modischen Zumutung: Der Herzog hat in jene Familie eingeheiratet, die den Windsor-Knoten erfand.

Der Kuppler und die Königin

Umso aufdringlicher, ja schamloser umwarb er Prinzessin Diana, vor allem nach ihrer Scheidung von Charles. Die Bekanntschaft mit ihren Eltern, den Spencers, schaffte ihm sein Entrée. Als sie im Juli 1997 endlich seinem Drängen nachgab und mit ihren Söhnen Urlaub auf seiner Yacht im Mittelmeer machte, sah Fayed seine Chance. Hektisch zitierte er Dodi herbei. Eigentlich sollte der alternde Playboy und ewige Tunichtgut wenige Wochen später in Los Angeles seine Verlobte Kelly Fisher heiraten; doch der Papa hatte andere Pläne. Dodi war nie im Leben einer geregelten Beschäftigung nachgegangen, sein Talent waren sein unwiderstehlicher Charme und seine Anziehungskraft auf Frauen. Mohammed al-Fayed wusste das - und nun setzte er alles daran, seinen Sohn und die Mutter des künftigen Königs von England zu verkuppeln.

Doch der Traum, die Fayeds mit den Windsors zu verschwägern, zerschellte am 13. Pfeiler des Alma-Tunnels. Viele geben Fayed eine Mitschuld am Tod von Di und Dodi: "Diana verließ Fayeds Ritz-Hotel in Richtung einer Fayed-Wohnung in einem Fayed-Auto, das von einem Fayed-Fahrer chauffiert wurde", stellte der Diana-Biograph Martyn Gregory fest. "Sie saß neben Fayeds Sohn und hinter einem Fayed-Leibwächter." Vielleicht plagt Fayed ja wirklich das schlechte Gewissen über eine persönliche Verstrickung, und vielleicht sucht er diese Pein mit der Kampagne gegen das Königshaus zu betäuben. Oder treibt ihn der Schmerz über den Tod des Sohnes? Wie viel wird gespeist vom Hass auf die britische Oberklasse?

Was immer der Grund sein mag, über eines darf sich diese Klasse keine Illusionen machen: Fayed wird nicht aufgeben, egal was die gerichtliche Untersuchung zutage fördert. Und er wird das Land, dem er in tiefer Hassliebe verbunden ist, nie verlassen, auch nicht nach dem Tod. Fayed hat verfügt, dass er in einer Glaspyramide auf dem Dach von Harrods beigesetzt wird. "Und jedes Jahr an seinem Geburtstag", zitiert Cole den letzten Willen seines Arbeitgebers, "wird das Personal den Sarkophag feierlich durchs ganze Haus tragen, damit ja niemand diesen verrückten Kerl vergisst."

© SZ vom 28.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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