Modetrend aus Italien:Tolle Nummer!

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Zwei Gesichter, ein Stil: 6267 ist die lang ersehnte Verjüngungsspritze für die italienische Modeszene. Unter Experten gilt das neue Label als Must-Have.

Kerstin Weng

Dass Prêt-à-porter-Designer ihre Kollektionen in Multibrand-Boutiquen quer über den ganzen Globus verkaufen, ist normal. Dass sie jedoch in einem dieser Luxusshops vorbeikommen und mit den geladenen Gästen ein Pläuschchen halten, eher nicht.

Tommaso Aquilano und Roberto Rimondi, die Gesichter von 6267. (Foto: Foto: getty)

Umso aufgeregter ist daher die Stimmung an diesem Sommerabend im Münchner Modegeschäft Maendler. Die gläserne Eingangstür bewacht ein blonder Gorilla im Anzug mit zu kurzen Hosenbeinen, der Besitzer huscht aufgescheucht durch seinen Laden und ein Fotograf leuchtet für spätere Aufnahmen schon mal passende Ecken aus.

Nur die, deretwegen alle ein wenig am Rad drehen, sitzen vollkommen gelassen zwischen Kleiderständern und Regalen auf einem ausladenden Sofa, als stünde es irgendwo im heimischen Wohnzimmer: Tommaso Aquilano und Roberto Rimondi, die Designer von 6267, dem neuen Überflieger-Label aus Italien.

Trotz Erfolg keine Starallüren

Doch keine Spur von den üblichen Anfangsschwierigkeiten solcher Newcomer. Die können oft vor lauter eilig zugelegter Starallüren entweder schon gar nicht mehr entspannt gucken oder bringen aus Nervosität angesichts all der anwesenden Menschen kein Wort heraus. Zwar sprechen die Herren von 6267 ungefragt tatsächlich wenig, das liegt wohl aber eher an ihrem schlechten Englisch.

Italiener eben. Was man auch ihrer Kleidung ansieht. Der etwas größere des Duos, Roberto Rimondi, trägt blaue Jeans, ein weißes Hemd, an dem zwei Knöpfe mehr als nötig geöffnet sind, darunter eine blank rasierte Brust und schwarze Samtslipper ohne Socken.

Er wirkt zurückhaltend, aber freundlich, und schaut konzentriert auf seine übereinandergeschlagenen Beine. Da die beiden Designer anscheinend Partnerlook mögen, unterscheiden sich ihre Outfits nur durch die Accessoires: Aquilano trägt weiße Turnschuhe und umklammert eine Schachtel Zigaretten und einen schwarzen Portemonnaie. Auf seinem Gesicht liegt ein breites Grinsen. Kein Wunder, schließlich hat die italienische Modewelt lange auf zwei wie sie gewartet.

Italienische Newcomer statt englischer Eleganz

Die meisten Designer, die es in der Vergangenheit zu Bekanntheit brachten, sind Absolventen des renommierten Londoner Central Saint Martins College. Zu ihnen zählen Stella McCartney, Alexander McQueen, John Galliano, und in jüngster Zeit gesellten sich noch der avantgardistische Gareth Pugh und der gefeierte Giles Deacon dazu.

Alles hochbegabte Engländer. Aus dem Süden aber kam schon lange nichts mehr nach. Denkt man an italienische Mode, denkt man an bunt gezickzackte Missoni-Hippie-Strickteile, die hunderttausendste Variation von Armanis Schwarz-Weiß-Look oder auch glänzenden Barbie-Vamp-Roben von Donatella Versace. Jetzt aber könnte 6267 dem Land aus der modischen Misere helfen.

Freilich haben Rimondi und Aquilano einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen jungen Labels. 6267 arbeitet eng mit dem italienischen Produktionshaus Castor zusammen, einem relativ kleinen Unternehmen, das die Newcomer bei der professionellen Herstellung der Kollektionen von Anfang an unterstützte.

So hatten die beiden beste Chancen, als sie 2005 beim Nachwuchswettbewerb Who's on next der italienischen Vogue antraten. Ihr erster Platz war die Eintrittskarte ins große Karrierekarussell. Im selben Jahr noch gründeten sie ihr eigenes Label 6267.

Lesen Sie weiter, wie es für das Erfolgsduo nach dem Talentwettbewerb weiterging...

Eine Kinderferienlager-Nummer wird gefeiertes Modelabel

In der Folgezeit sammelten Rimondi und Aquilano Erfahrungen bei MaxMara und Prada, und übernahmen 2007 zusätzlich die kreative Leitung des damals leicht eingestaubten italienischen Kaschmirlabels Malo. Nun sind sie auf den Chefsessel des verstorbenen Altmeisters Gianfranco Ferré gehoben worden. Aus dem Hause heißt es, den beiden Nachwuchsstars gelinge das Spagat zwischen "cooler Leichtigkeit und zeitgemäßer Weiblichkeit".

Talentwettbewerbe scheinen sich jenseits von Deutschland sucht den Superstar also durchaus zu lohnen. "Ohne Who's on next stünden wir jetzt wohl in einer Küche hinterm Herd", sagt Aquilano, der kleinere von beiden, grinsend, während er mit seinem Portemonnaie spielt. "Oder würden wir jetzt kellnern? Nein. Wir wären Designer. Wir haben damals ja nicht erst angefangen."

Seit 20 Jahren arbeiten die beiden schon zusammen, drei Jahre davon bei 6267. Die Zahl war Rimondis Identifikationsnummer in einem Kinderferienlager. Auch Jahre später trugen sämtliche Handtücher und Wäschestücke noch immer diese Zahl. Das war die Inspiration zu ihrer Marke.

6267 - eine so wenig eingängige Bezeichung ist ungewöhnlich in der eitlen Modebranche, in der der eigene Name gar nicht oft genug promotet werden kann. Rimondi und Aquilano sahen jedoch in einer Nummer den Vorteil, dass es keine Probleme mit der Aussprache gäbe.

Allerdings weiß kaum einer so recht, ob 6267 nun englisch, italienisch oder gar französisch gelesen wird, ob man die Zahl als Ganzes ausspricht oder jede Ziffer für sich. Die Designer selbst sagen seidueseisette, doch sie sind auch nicht böse, wenn man in Deutschland daraus sechstausendzweihundertsiebenundsechzig macht.

"Es geht uns nicht so sehr um die Marke, sondern um das Design", erklärt Rimondi. Und das gefällt der Modeelite, die inzwischen bei den 6267-Schauen in der vordersten Reihe sitzt, gut an.

Beruflich und privat ein Paar

Bei Aquilano und Rimondi kommt man nicht umhin, an Dolce & Gabbana zu denken. Optisch sind sie die blassere, schmächtigere, etwas schüchternere Version des braungebrannten Erfolgsduos. Und wie einst auch Domenico Dolce und Stefano Gabbana sind die 6267-Designer ein Liebespaar.

"Wenn wir alles gemeinsam machen, können wir auch zusammen arbeiten", sagt Aquilano. Ein Umstand, der für die beiden mehr Vorteile als Kompromisse mit sich bringt. "Es ist toll, wenn man verschiedene Stile und Arbeitsweisen kombinieren kann. Der Ideenmix ist uns am wichtigsten. Es ist vielleicht ein wenig old school, zusammenzuarbeiten, aber zu zweit entwickelt sich eine viel größere Kreativität."

Und wenn doch einmal etwas unvereinbar erscheint, macht einfach jeder sein eigenes Ding, zum Beispiel bei den Saumlängen. "Roberto hat dieses Faible für schreckliche Rocklängen", sagt Aquilano augenrollend. "Für ihn muss ein Saum kurz vor dem Knöchel aufhören. Ich mag es ein bisschen kürzer, sexier." Somit ist nun auch geklärt, warum es bei 6267 nie nur eine einzige, durchgängige Rocklänge in den Kollektionen gibt.

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Daran stört sich aber niemand. Im Gegenteil. Unter Modeexperten ist das Label die neue Haben-Müssen-Marke, ein Geheimtipp, der noch nicht abgenutzt ist. Die Mode von 6267 - wie Kurzmäntel mit grafischen Prints und enormen Krägen, Militärjacken und Röhrenhosen - trifft subtil den Nerv der Zeit: Sie zitiert die richtungsweisenden Trends, ohne ihnen hinterherzulaufen, ist feminin, aber nicht aufreizend, alltagstauglich, aber nicht unelegant.

Zur von Josef Hoffmann und der Wiener Werkstätte inspirierten Winterkollektion schrieb Modekritikerin Suzy Menkes in der International Herald Tribune: "Das 6267-Label erfindet zwar kein völlig neues Konzept für die italienische Mode, liefert aber die frische Perspektive einer neuen Generation." Aus ihrer Feder ist das so was wie ein riesengroßes Lob.

Fünfziger-Jahre-Bau statt Edelvilla

Da könnte man als Designer eigentlich eine Runde auf Höhenflug gehen. Doch die beiden Italiener spielen den Hype um sich herunter. "Ruhm? Haben Sie schon mal gesehen, wo ich wohne? In einem Fünfziger-Jahre-Bau. Und das schon seit Ewigkeiten. Bei uns hat sich nicht viel verändert, außer dem Arbeitspensum."

Wer gleich zwei Labels mit genialen Entwürfen versorgen muss, hat eben viel zu tun. Insbesondere dann, wenn eines davon erst wieder belebt werden muss. Die Marke Gianfranco Ferré zehrte in den vergangenen Jahren im Grunde nur noch von ihrem bekannten Namen und dem Erfolg von einst, die Mode selbst aber wurde kaum mehr beachtet - außer von Stammkundinnen, die Ferré seit Jahrzehnten treu sind.

Die Adjektive cool und zeitgemäß treffen also auf Ferré ebenso wenig zu wie luxuriös auf Kik. Und dann sind da noch die Personalsorgen: Zuerst musste Ferrés direkter Nachfolger Lars Nilsson im März nach nur fünf Monaten wieder gehen, woraufhin ein Team aus Designern die mehr schlechte als rechte Winterkollektion präsentierte.

Frischer Wind in der Ferré-Kollektion im Sommer 2009

Das alles sollen jetzt Rimondi und Aquilano wieder richten. Ihre erste mit Spannung erwartete Ferré-Sommer-Kollektion 2009 wird jetzt im September in Mailand präsentiert. Und dann ist da natürlich noch das eigene Label, das die beiden weiterführen wollen.

Wenn doch mal Zeit bleibt, gehen die beiden, ganz bescheiden, gerne ins Kino. "Aber in letzter Zeit sehr selten", sagt Rimondi. Und Aquilano fügt hinzu: "Sogar da arbeiten wir noch weiter und schauen genau, was die Leute tragen."

Ihren Sinn für Humor scheinen sie trotz aller Arbeit noch nicht verloren zu haben. Auf die Frage, was denn ihr Ziel sei, erzählt Rimondi: "Kein großes Boot wie das von Roberto Cavalli, vielleicht eher mit seiner Mannschaft segeln gehen. Ferien sind mein Ziel!" Doch bevor sich Rimondi noch weiter über die Bootscrew von Cavalli auslassen kann, bittet schon jemand von der Münchner Boutique zum Fototermin.

Zum Abschied gibt es den obligatorischen Visitenkartentausch, bei dem Tommaso Aquilano eine Karte mit seiner privaten Handynummer aus dem Geldbeutel zieht. Anscheinend hab die Herren von 6267 wirklich noch nicht mitbekommen, dass sie nun Stars sind. Vielleicht haben sie aber auch einfach nur ein Faible für Nummern.

© SZ vom 30.08.2008/viw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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