Modeschöpfer Roberto Cavalli:"Signora, bitte geben Sie mir mein Kleid zurück"

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Der Designer Roberto Cavalli plaudert über Machos, Tigermuster und Frauen, die in seinen Kleider schrecklich vulgär aussehen.

Antje Wewer

Wie es sich für einen Patron gehört, sitzt Roberto Cavalli am Ende eines sehr langen Tisches. Das Silberhaar ist frisch gebürstet, sein Teint leicht gebräunt, er hat einen Kaugummi im Mund. Er trägt Jeans, sein enger Rollkragenpullover spannt etwas am Bauch, und am Revers seines Sakkos funkelt eine Brosche in Form einer Eidechse. Ist sie aus Brillanten? Cavalli lächelt und beantwortet die Frage so: Sie sei ein Geburtstagsgeschenk seiner Frau. Sein Englisch ist von einem starken italienischen Akzent geprägt. Dazu große Gesten - und zum Abschied einen Kuss auf die Wange.

Habe die Ehre: Roberto Cavalli küsst die Hand von Sharon Stone. Die Schauspielerin war Gast bei seiner letzten Schau in Mailand. (Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Cavalli, Sie sehen etwas erschöpft aus, was ist los? Cavalli: Va bene, va bene, ich komme gerade aus Moskau, dort habe ich die Eröffnung meines zweiten Cavalli-Shops gefeiert. Aber: alles kein Problem, ich bin gerne unterwegs.

SZ: Sie sind ein Jetsetter. Cavalli: Vor allem bin ich Modedesigner. Aus diesem Grund fliege ich um den Globus. Es gehört zum Business dazu, sich an den Orten aufzuhalten, an denen deine Kunden, deine Geschäfte, deine Shows sind. In Florenz ist meine Familie, in Mailand bin ich oft geschäftlich, und in New York verbringe ich meine Freizeit.

SZ: Meist tragen Sie dabei eine blau getönte Brille. Ich bin etwas enttäuscht, dass Sie heute eine andere aufhaben. Cavalli: Hätte ich das gewusst! Ich trage sie seit zwei Jahren, immer mal wieder, manchmal aber auch Kontaktlinsen oder wie heute, eine dunkel getönte Brille. Ich mag da Abwechslung. Was den Rest meines Outfits angeht, bin ich konsequenter. Eigentlich trage ich immer schwarz.

SZ: Interessant, wo Sie Ihre Models so gerne in Animal-Prints und in extravaganten Mustern über den Laufsteg schicken. Für Männer bevorzugen Sie also Schwarz? Cavalli: Nein, nur bei mir. Die einfache Erklärung dafür ist, das ich als Teenager ziemlich fett war und schnell gemerkt habe, dass Schwarz optisch streckt. Ansonsten interessiere ich mich nicht besonders dafür, wie ich mich kleide. Eine Designerkrankheit. Achten Sie mal darauf, die wenigsten in meiner Branche sind für einen flamboyanten Kleidungsstil bekannt.

SZ: Sie tragen wenigstens ab und an mal Ihr Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. Wird man dafür nicht irgendwann zu alt? Cavalli: Nein, das ist keine Frage des Alters, sondern eine Frage der Einstellung. Noch dazu ist es sehr italienisch. Bei manchen Männern sieht es albern aus, vor allem dann, wenn sie versuchen, einen auf Macho zu machen und keiner sind.

SZ: Ein Macho ist man im Herzen? Cavalli: Sagen wir besser: ein Macho ist nun mal männlich. Das lässt sich nicht antrainieren. Fast alle Italiener werden damit geboren. Ich meine damit nicht etwa eine konservative Denkweise, die dem Macho nachgesagt wird, sondern seinen lässigen Stil. Sie stellen, genau wie die Frauen, gerne ihre Reize zur Schau. Wer eine ordentliche Brust, am besten noch mit Haar drauf hat, dekoriert sie mit einem Goldkettchen. Das Gleiche machen Frauen doch auch mit einem hübschen Dekolletée. Mein Freund Flavio Briatore ist zum Beispiel jemand, der sich ein aufgeknöpftes Hemd in jedem Alter leisten kann.

SZ: Gibt es einen Trick, wie man es am besten trägt? Cavalli: Schauen Sie Flavio an: Wenn schon aufgeknöpft, dann richtig. Keine halben Sachen. Dazu eine Hose, die lässig sitzt, aber trotzdem Passform hat.

SZ: Nun ja, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten . .. Cavalli: . . . in der Tat. Schauen Sie mich an, ich bin in den Siebzigern hängengeblieben, trage aufgeknöpfte Hemden, Jeans mit kleinem Schlag und flache Stiefeletten. Wahrscheinlich sollte ich mein Hemd zuknöpfen, aber ich fühle mich immer noch verdammt jung.

SZ: Mit 66 Jahren fühlen Sie sich so, als ob Sie Mitte zwanzig sind? Cavalli: Ich würde es nicht an einer Zahl festmachen, aber ich fühle mich sehr jugendlich, wahrscheinlich weil ich mich ständig mit jungen Menschen umgebe. Ich will wie sie leben und wie sie denken. Das ist Teil meines Berufs, die Fashion-Industrie ist ein Flohzirkus. Meine Frau Eva ist zwanzig Jahre jünger als ich, und mit Gleichaltrigen treffe ich mich nur, wenn ich es muss. Sie haben für meinen Geschmack zu oft schon mit dem Leben abgeschlossen.

SZ: Ihre erste Modenschau fand 1970 im Palazzo Pitti in Florenz statt. Cavalli: Damals habe ich einen Container mit gebrauchten Jeans von einem Gefängnis in den USA gekauft. Ich habe ihnen eine neue Waschung verpasst und Wildlederflecken auf den Hintern genäht. Sie sahen lässig aus, eine Hose für glamouröse Cowgirls. Ich hatte keine Ahnung, was ich damit für einen Kult auslösen würde. Mein Gott, wenn ich daran zurückdenke. Wie ängstlich ich damals war, so viel ängstlicher als heute. Dafür verspüre ich jetzt, wo ich ein gemachter Mann bin, viel mehr Druck.

SZ: Erklären Sie das bitte mal? Cavalli: Für mich arbeiten 800 Leute, und ich habe ein Dutzend Projekte. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Verantwortung, die man trägt, auf Kosten der Kreativität geht. Damals ging es darum, einen Haufen sexy Kleider zu entwerfen. Heute ist bei allen großen Designern viel mehr wirtschaftliches Kalkül dabei. Wo lasse ich möglichst günstig produzieren, bekomme aber trotzdem Top-Qualität? Wer wird das Gesicht meiner nächsten Werbekampagne? Welche Stadt braucht noch einen Flagship-Store?

SZ: Gibt es Momente, in denen Sie nostalgisch werden? Cavalli: Vor kurzem war ich in Los Angeles in einem Vintage-Shop. Die wollten für eine Cavalli-Jeans aus den Siebzigern doch tatsächlich 2000 Dollar haben!

SZ: Sagen Sie jetzt nicht, dass Sie die gekauft haben? Cavalli: Doch, ich konnte nicht anders. Das ist natürlich vollkommen verrückt, aber auch ein Reflex, den ich nur damit entschuldigen kann, dass ich dann doch ein alternder Designer bin.

SZ: Wieso das? Cavalli: Ich plane irgendwann mal eine Retrospektive, und dafür brauche ich meine alten Kreationen. Ich habe damals nichts aufgehoben, alles weggegeben.

SZ: Fragen Sie doch mal Brigitte Bardot! Sie hat doch die Jeans berühmt gemacht, als sie damit im Sommer '71 barfuß durch Saint-Tropez spazierte. Hatten Sie ihr die geschickt? Cavalli: Nein, nein. Damals waren wir Designer noch nicht so strategisch. Eines Tages kam eine sehr gut gebaute Blondine in mein Geschäft, das damals nicht "Roberto Cavalli", sondern "Limbo" hieß. Sie trug High Heels und hatte Probleme, auf dem Sand zu laufen, der überall auf dem Boden meiner Boutique lag. Lustig sah das aus. Sie kaufte die Jeans und stöckelte wieder hinaus. Basta.

SZ: Erzählen Sie mehr von Saint-Tropez! Cavalli: So schön wie in den Siebzigern war es nie wieder. In dem besagten Sommer schlief ich in meinem kleinen Motorboot, das direkt an der Promenade lag und habe tagsüber im "Limbo" gearbeitet. Im Kühlschrank lag immer eine Flasche Champagner, und ich hatte viel Besuch. Schließlich war ich ein klassischer italienischer Playboy, trug die Haare lang, das besagte Hemd aufgeknöpft, war abends auf der Piste. Alle trafen sich im "Papagallo". Warst du drin, warst du dabei.

SZ: Sie sind immer noch jeden Sommer dabei, oder? Cavalli: Nun ja, Saint-Tropez hat sich sehr verändert. Damals war alles easy going, die Leute haben das süße Leben genossen - heute inszenieren sie es. Der Spaß bleibt da natürlich manchmal auf der Strecke. Dicke Yacht, viel Champagner, das ist alles schön und gut, aber es gibt inzwischen so viele Regeln, Dresscodes und Empfindlichkeiten.

SZ: Es scheint mir aber, Sie beherrschen die Dresscodes alle ziemlich gut. Auf Ihrer Yacht ist immer Highlife. Cavalli: Weil es von mir erwartet wird. Es ist nur zum Teil mein privater Spaß, ein großer Teil ist auch Inszenierung. Cavalli steht für einen bestimmten Lebensstil.

SZ: Sagen Sie nicht, Sie haben deshalb eine 41 Meter lange Yacht namens "Freedom", die 35 Knoten fährt, außen Hightech ist, innen barock und an die 150 Millionen Euro kostet? Cavalli: Sie ist mein Augapfel, ich habe alles - von den Uniformen der Stewardessen bis zu den Armaturen im Bad - selber entworfen. Natürlich dient sie Repräsentationszwecken. Meine Gäste tauchen auf dem Schiff in die Cavalli-Welt ein. Meine erste Yacht kaufte ich Anfang der 80er, ich bezahlte sie damals nicht auf einen Schlag. Ich stotterte sie nach und nach ab. Sie brauchen es mir nicht zu glauben, aber ich war die meiste Zeit meines Lebens nicht reich. Und ich bin lange nicht so reich, wie die meisten annehmen.

SZ: Jedenfalls haben Sie keine Hemmungen, Ihren Reichtum zu zeigen . . . Cavalli: Was soll daran auch falsch sein? Ich habe hart für meinen Erfolg gearbeitet, meine Familie war sehr arm. Ich zeige der Welt meinen Lifestyle, weil sie ihn sehen will. Der Mensch an sich ist ein Voyeur. Ich bin der Meinung, wenn man eine öffentliche Person ist, muss man die Neugier bedienen. Das alles ist außen, es ist ein Teil von mir, aber es gibt auch eine Roberto-Cavalli-Welt, in die ich keinen lasse.

SZ: Wie sieht diese Welt aus? Cavalli: Ruhig und sehr grün. Die Rede ist von meinem Landhaus, das außerhalb von Florenz liegt. Dorthin ziehe ich mich gerne zurück. Seit mehr als 30 Jahren halte ich mir dort Papageien. Das Schönste an ihnen sind die Farben, und dass sie nur eine einzige Person lieben. Das gefällt mir. Ich liebe Tiere, ich finde sie sehr inspirierend. Die Zebra-, Leoparden- und Krokodilmuster kommen ja nicht von irgendwoher. Und edle Pferde, für die habe ich auch ein Faible, ich hab ein Trabergestüt, auf dem ich Rennpferde züchte.

SZ: Dann besitzen Sie noch Weinberge, Ferraris und Helikopter. Keine Angst vor Neidern? Cavalli: Ich spüre eine Menge Neid, es ist nicht nur das Geld, sondern auch, dass ich es so offensichtlich genieße. Aber ich will mich nicht darüber beklagen, es ist auch eine Art von Kompliment. Viele Menschen haben damit zu kämpfen, die überdurchschnittlich erfolgreich sind. Meinen erwachsenen Kindern sage ich immer: Lavorare, guadagnare, spendere.

SZ: Bitte noch mal auf Deutsch. Cavalli: Arbeiten, Geld verdienen und es wieder ausgeben. Diese drei Sachen gehen Hand in Hand. Mit dem Kleiderentwerfen habe ich nicht angefangen, weil ich reich werden wollte. Sondern weil es mir seit jeher großen Spaß macht.

SZ: Inzwischen ist Cavalli ein weltbekanntes Label. Es gibt eine Kinderlinie, Sonnenbrillen, Uhren, Unterwäsche, Parfüm, Bettwäsche, Schuhe und sogar einen Wodka. Warum hat es den auch noch gebraucht? Cavalli: Das will ich Ihnen sagen! Weil es ein Getränk ist, das junge Menschen lieben. Und das viel in Amerika getrunken wird. Die Flasche ist schlicht, mit einer speziellen Prägung, und natürlich fehlt die italienische Flagge auch nicht. Verkauft wird er in exklusiven Clubs in New York City, Miami und Los Angeles. Und in meinem Café in Mailand.

SZ: Sie halten es da wohl wie Ihr Kollege Giorgio Armani, der hat ja auch ein ganzes Lifestyle-Imperium aufgebaut. Cavalli: Armani ist ein phantastischer Geschäftsmann! Das ist es, was ihn ausmacht. Als junger Designer hat er mal ein Jackett entworfen - und das erfindet er immer wieder und wieder neu. Das nenne ich nicht kreativ. Aber ich sollte dankbar sein, dass es ihn gibt. Ich meine damit die Minimalisten, allen voran die strengen Japaner, ihnen allen habe ich meinen Erfolg zu verdanken.

SZ: Warum? Cavalli: Mitte der Achtziger waren die Leute durstig, sie sehnten sich nach Aufregung, Farben, Glamour. Frauen wollen nicht in einem schlicht geschnittenen Kleid in der Ecke stehen, sie wollen sexy sein, und sie wollen eins ganz besonders: auffallen. Dann kam ich mit Pailletten und den Stretchjeans daher, plötzlich schauten die Männer den Frauen wieder auf den Hintern. Ich schlitze die Kleider auf, ließ die Frauen Rücken zeigen - und ich ließ Luft an ihre Brüste.

SZ: Sie sagen über sich selbst, dass Sie ein Kenner der Frauen sind. Cavalli: Kennen ist untertrieben. Ich verehre sie, ich liebe sie, sie sind zu 90 Prozent mein Geschäft. Für Männer entwerfe ich nicht besonders gern, es liegt mir nicht so. Ich mag es ein bisschen verrückt, damit können Männer nichts anfangen. Die meisten sehen wie Pinguine aus. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, Krawatte.

SZ: Vielleicht liegt das auch daran, dass Sie einer der wenigen heterosexuellen Männer im Modegeschäft und seit 26 Jahren verheiratet sind? Cavalli: Um genau zu sein: seit 28 Jahren. Meine Frau Eva ist Österreicherin und bei "Roberto Cavalli" der Creative Director. Wir lieben uns, wir arbeiten zusammen, wir respektieren uns, aber wir verbringen nicht besonders viel Zeit zusammen. Ich schätze, aus diesem Grund sind wir immer noch ein Paar.

SZ: Verraten Sie uns zum Schluss noch, warum Stars wie Jennifer Lopez, Christina Aguilera oder Victoria Beckham mit Vorliebe gerade Ihre Kleider tragen? Cavalli: Weil sie sich in ihnen sexy fühlen. And sex sells.

SZ: Es gibt aber auch Menschen, die Ihre Kreationen vulgär finden. Cavalli: Ein hässliches Wort! Ich muss allerdings zugeben, dass auch ich ab und zu eine Frau entdecke, die in einem meiner Kleider schrecklich vulgär aussieht. Am liebsten würde ich dann auf sie zugehen und sagen: Signora, bitte geben Sie mir mein Kleid wieder. Ich kaufe es Ihnen für den doppelten Preis ab, jetzt sofort.

SZ: Was machen diese Frauen falsch? Cavalli: Gar nichts, meist liegt es nicht an der Kombination der Accessoires oder am Make-up, sondern einfach an ihrer Ausstrahlung. Ich denke, dafür kann man meinem Kleid nun wirklich nicht die Schuld geben.

Roberto Cavalli, 1940 in Florenz geboren, wollte Architekt werden, studierte an der Akademie der Schönen Künste und wurde dann doch Modedesigner. Sein Großvater ist der Maler Giuseppe Rossi, dessen Bilder in den Uffizien hängen. Anfang der Siebziger präsentierte Cavalli seine erste Kollektion in Florenz. Stars wie Brigitte Bardot und Sophia Loren machten ihn berühmt. In den Achtzigern war es ruhig um ihn, vielen war er zu bunt und extravagant. Anfang der Neunziger feierte er sein Comeback. Cavalli steht für Tiermuster, glamouröse Abendkleider und einen ausschweifenden Lebensstil. Das Cavalli-Imperium führt er zusammen mit seiner Frau Eva Duringer, mit der er drei Kinder hat. Nach dem Koks-Skandal um Kate Moss war Cavalli der Erste, der das Model nach ihrem Entzug für eine Kampagne buchte. Christina Aguilera ist gerade mit seinen Kostümen auf Welttournee. Bei den Mailänder Prêt-à-porter-Schauen (17. bis 25. Februar) zeigte Cavalli seine Herbst- Winter-Kollektion 2007/2008.

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