Mein erstes Mal: Wakeboarden:Beach Boy am Baggersee

Lesezeit: 4 min

Boarder sind cool, das ist ein Gesetz, das auch für Wakeboarder gilt. Manchmal so cool, dass sie sogar um Eisberge herumsurfen.

Christian Penning

Wie viel Zeit verbrachte die Menschheit schon, davon zu träumen, übers Wasser gehen zu können. Was für eine Verschwendung! Es gibt eine viel grandiosere Art, sich auf dem Wasser zu bewegen. Nämlich einfach zu gleiten, ganz schwerelos. Als würde man mit dem Snowboard einen Tiefschneehang hinabschweben.

So kann Wakeboarden auch aussehen. Wenn man es kann. (Foto: Foto: Bill Doster/RedBull)

Beim in die Kurve legen beschleunigt das Brett unter den Füßen, die Gischt spritzt, immer schneller ... baahhm! - Sternchen tanzen vor den Augen, ein Stich im Kreuz. Die Lungen japsen nach Luft. Soweit die Kurzdiagnose nach dem Aufprall auf die verblüffend harte Wasseroberfläche. Der Mensch scheint weder dafür geschaffen, übers Wasser zu gehen, noch darauf zu gleiten.

Prustend sucht man also das Brett, das irgendwo 20 Meter weiter hinten verlorenging, als es einen gewaltsam aus den Fußschlaufen schlug. So fühlt sich also Wakeboarden an ... Ist das die Faszination dieser jungen Sportart? Endlich zu wissen, wie man sich als Crash-Test-Dummy vorkommt? Strömen deshalb jeden Sommer mehr Menschen nicht einfach nur zum Baden an die Baggerseen?

Lizenz zum Waken

Würde der Thriller "Lizenz zum Töten" heute neu gedreht, James Bond würde sicher nicht auf Wasserskiern das Böse jagen. Er würde es auf einem Wakeboard tun. Wasserskifahren als sommerliche Freizeitbeschäftigung ist ungefähr genauso in die Jahre gekommen wie Helmut Kohls Urlaubsdomizil am Wolfgangsee.

Die gestählten, braungebrannten Jungs, die einst in den Gewässern vor der Strandpromenade kreuzten und auf zwei Brettern um Bikinischönheiten balzten, sind mittlerweile in Ehren ergraut wie Timothy Dalton.

Die harten Beach Boys

Wer sich heute an der Leine übers Wasser ziehen lässt und Eindruck schinden will, stellt sich besser auf ein Wakeboard. Die Szene ist jung und cool. Auch hier am Wakeboard- und Wasserskilift Blaichach bei Immenstadt im Allgäu. Gut, der Sandstrand fehlt, und auch die Sonne versteckt sich gerade wieder mal hinter grauen Wolkenbergen. Trotzdem ist jeder auf der Anlage ein Beach Boy. Nur aus den Boxen an der Verleihstation klingt kein weichgespültes "Surfin' USA".

Der Sound ist härter, aggressiver, urbaner - genau wie die Tricks der Cracks, die wie wild über die Wellen, Rails und Schanzen auf dem Wasser rotieren. Skater-Style eben.

Also nichts wie ran an die Bikini-Bar. Hier gibt's nicht nur Latte und bunte Longdrinks. Einsteiger ohne eigenes Equipment können hier die komplette Ausrüstung leihen. "Neopren?" fragt die Frau hinterm Tresen. "Habe ich selbst mit", gebe ich mich als alter Windsurfer zu erkennen. "Dort drüben sind Helme und Schwimmwesten", zeigt sie auf einen Ständer an der Holzwand der Allgäuer Strandhütte. "Wirklich?" frage ich ein bisschen irritiert und denke dabei nicht im entferntesten an die Möglichkeit von Sternchen-Stürzen. Die Dame vom Verleih nickt dezent - als wollte sie sagen: "Vertrau mir, ich weiß, wieso!"

ABC an der Ampel

Beim Warten an der Ampel, die den Start signalisieren soll, sind die Knie dann doch etwas weich. Wie ein ABC-Schütze auf seinem ersten Schulweg fühlt man sich hier. Der Typ vor mir, ebenfalls ein Novize, hat keine zwei Meter geschafft. Nein, das sah nicht wie Wakeboarden aus, eher wie missglücktes Turmspringen.

Der Liftboy scheint zu wissen, wen er vor sich hat. "Anfänger?" fragt er. "Also: Arme stark, Beine leicht anwinkeln, Board im 45-Grad-Winkel ..." Und da hakt die Leine auch schon ein. Eine Sekunde noch. Es spritzt, ein kurzer Wackler, aber da ist es, das Gleiten ... jipiieeeh!

Die nächste Lektion. Eine Kurve - oder wie der Boarder zu sagen pflegt - ein Turn: Ich kannte das Board, übersehe eine Welle, und schwapp, liege ich im Teich. Es bleibt nichts, als ans Ufer zu paddeln und triefend und fröstelnd zurückzutrotten.

Als aus der Not ein Sport wurde

Da hatte es Jimmy Redmon vermutlich besser, als er den Sport erfand. Denn er fing nicht im kühlen Bayern an, sondern im sonnenverwöhnten Florida. Entstanden ist das Wakeboarden Anfang der neunziger Jahre als Mischung aus Wasserski und Wellenreiten.

Wenn Surfer vergebens auf Wellen warteten und Langeweile aufkam, ließen sie sich auf ihren Boards von einem Motorboot ziehen. 1990 gründete Redmon die World Wake Association (WWA) in Winter Park, Florida. Kurze Zeit später gab es erste Wettkampfserien, inzwischen werden sogar Weltmeisterschaften ausgetragen.

Bis dahin muss ich noch etwas üben. Also, neuer Start, neues Glück, ... wieder zwanzig Meter, ... neuer Sturz. So geht es noch ein paar Mal. Doch beim vierten Versuch gleite ich bis ans gegenüberliegende Ufer. Wunderbar! Jetzt die langgezogene Linkskurve. An der Boje soll ich sie beginnen. Was meinte der Liftboy noch mal? Innen oder außen vorbei? Ich kann mich nicht entscheiden, schieße direkt auf den roten Ballon zu, ramme ihn, gleichzeitig zieht die Leine scharf nach links ... Ist heute nicht sowieso Freitag, Badetag?

Nicht aufgeben! Plötzlich habe ich den Bogen raus. Ich schaffe eine komplette Runde, noch eine, noch eine. Am Ende steht mein Tagesrekord bei fünf Runden am Stück. Mehr geben die Arme nicht mehr her.

Das böse Erwachen

"Pass auf, du wirst hinterher jeden einzelnen Muskel spüren", hatte mich meine Begleiterin gewarnt. Außer einem leichten Ziehen in der Schulterregion merke ich beim Bier an der Strandbar aber nichts. Noch nicht. Deshalb schlage ich im Rausch des Gleitens, der immer noch anhält, vor: "Lass uns morgen wiederkommen, dann versuche ich die ersten Sprünge."

Als ich am nächsten Tag erwache, komme ich kaum aus dem Bett hoch, von Sprungversuchen ganz zu schweigen. Ein fieser Ganzkörpermuskelkater lässt mich meine ambitionierten Vorsätze erst mal verschieben. Trotzdem stehen die Chancen gut, dass der Lift am Baggersee bald einen Stammgast mehr hat. Denn Surfen ist einfach cool - auch wenn's nur an der Leine ist.

Informationen: Wer Lust bekommen hat, selbst mal aufs Wakeboard zu steigen, kann das in Deutschland an rund 40 Seen mit Seilbahn-Anlagen tun - oder in einem von etwa 50 Bootclubs, die auch Wasserskifahren anbieten. Für Einsteiger empfiehlt sich auf jeden Fall ein Kurs. Weitere Informationen: Deutscher Wasserski- und Wakeboard Verband, Gründgenstraße 18, 22309 Hamburg, Telefon: 040 / 63 99 87 32, www.wasserski-wakeboard.de

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