Medizinskandal:Die Lobpreisungen des Professor Huber

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In Österreich werben prominente Ärzte für eine Heilmethode gegen Krebs - doch wissenschaftliche Beweise fehlen.

Martin Kotynek

Ein Medizinskandal erschüttert derzeit die Glaubwürdigkeit zweier prominenter Ärzte in Österreich. Unter der Schlagzeile "Neue Waffen gegen den Krebs" waren der Vorsitzende der Bioethikkommission des Bundeskanzleramtes, Johannes Huber, und der Gynäkologe Sepp Leodolter im österreichischen Nachrichtenmagazin News als Entwickler einer neuen Therapie aufgetreten.

Johannes Huber, der Vorsitzende der Bioethikkommission des Bundeskanzleramtes. (Foto: Foto: AP)

Huber, der in zahlreichen Talkshows und in der Populärliteratur für die umstrittene Hormontherapie bei Frauen in den Wechseljahren wirbt und Bücher über Anti-Aging verfasst, spricht in dem Artikel von einem "Quantensprung in der Medizin, durchaus vergleichbar mit der Entwicklung von Antibiotika". Eine Patientin mit einem bösartigen Tumor in der Schulter könne nach der Therapie "als geheilt betrachtet werden", wird Leodolter zitiert.

Doch die Fachwelt meldet massive Zweifel an der Neuheit und Wirksamkeit der Therapie an, für die keine klinischen Studien vorliegen. Wolfgang Schütz, Direktor der Medizinischen Universität Wien, distanzierte sich in einem Patientenbrief von den Aussagen der beiden Mediziner: "Die Therapie (...) ist weder neu noch etabliert. Der Erfolg dieser Therapie ist trotz massiven Einsatzes von Ressourcen an vielen renommierten Zentren (...) bisher eher bescheiden geblieben."

Für Schütz ist es unzulässig, dass die beiden Professoren seiner Universität bei Patienten "völlig falsche Hoffnungen auslösen". In ungewohnter Heftigkeit kündigte die Wiener Ärztekammer an, disziplinarrechtliche Konsequenzen für die prominenten Mediziner zu prüfen.

Auch die österreichische Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky äußerte heftige Kritik an den Ärzten. Sie sei "wirklich sauer". Es sei "eine Gemeinheit, wie hier mit den Hoffnungen und Ängsten der Betroffenen gespielt" werde. Sie wirft den Medizinern "Eitelkeit" vor, mit denen sie Krebskranke verunsicherten. Am Sonntagabend hatte Ulrich Körter, Mitglied der Bioethikkommission, vor laufender Kamera im österreichischen Fernsehen (ORF) Huber als "eine Belastung" für das Gremium bezeichnet.

Huber und Leodolter hatten in dem Artikel eine Form der Therapie mit adulten Stammzellen propagiert, die von dem Kremser Biotech-Unternehmen Cellmed Research erforscht wird, in dessen Beirat beide Ärzte sitzen. Dabei wird Krebskranken Blut abgenommen. Darin enthaltene Zellen des Abwehrsystems werden isoliert, in dendritische Zellen umgewandelt und aktiviert, bevor sie Patienten wieder gespritzt bekommen. Sie sollen dann Tumore erkennen und für Killerzellen leichter auffindbar machen, also das Immunsystem der Patienten stärken.

"Es handelt sich um eine Innovation, eine hochinteressante zukünftige Therapieform", sagt Frauenarzt und Hormonspezialist Huber. Doch Hellmut Samonigg, Krebsforscher an der Medizinischen Universität Graz, widerspricht. "Diese Therapieform wird seit dreißig Jahren diskutiert, seit zehn Jahren laufen weltweit Studien dazu." Allein 2006 seien etwa 1700 Veröffentlichungen zu dendritischen Zellen erschienen - darunter keine von Huber. Von einer Neuheit könne man daher nicht sprechen.

Von Heilerfolg weit entfernt

Auch die Wirksamkeit der Methode ist noch unklar. "Die Datenlage zur Wirksamkeit der Vakzination mit dendritischen Zellen ist umstritten", sagt Kai Fortelka vom Gemeinsamen Bundesausschuss der Krankenkassen in Deutschland.

"Es gibt Hinweise, dass die Therapie das Tumorgeschehen beeinflussen kann, von Heilerfolgen sind wir noch weit entfernt", sagt Samonigg. "Über das experimentelle Stadium ist die Methode noch nicht hinaus." Huber bestreitet, dass sich die Methode in einem experimentellen Stadium befindet: "Tausende Patienten weltweit wurden bereits behandelt." Bisher seien etwa "vier bis fünf" Patienten - darunter auch die im Magazinbericht erwähnten - in Rahmen individueller Heilbehandlungen in Kooperation mit Cellmed Research kostenlos, und weitere 14 Patienten - der Großteil aus Deutschland - zu einem Preis von bis zu 14 000 Euro behandelt worden.

"Es ist nicht in Ordnung, für eine nicht etablierte Therapie Geld zu nehmen", sagt Peter Husslein, Leiter der Wiener Universitätsklinik für Frauenheilkunde. Huber sagt, dass die Therapie zum Selbstkostenpreis angeboten worden wäre.

Tatsächlich ruhen die Aussagen der beiden Ärzte über Heilerfolge auf tönernen Füßen: 23 Krebspatienten hätten an ihrer Studie teilgenommen, die jedoch noch nicht veröffentlicht wurde. Ein Sprecher von Cellmed Research bestätigt, dass die Patienten nach der ersten Impfung im Durchschnitt noch 13 Monate gelebt hätten. Doch eine Kontrollgruppe, die ein Scheinmedikament bekam, gab es nicht.

Da die Teilnehmer zuvor operiert oder chemotherapiert worden waren, können eventuelle Heilerfolge nicht auf die Stammzelltherapie zurückgeführt werden. Erst im Herbst soll das in einer neuen Studie geprüft werden.

Dass die Methode zu diesem Zeitpunkt so massiv beworben wurde, dürfte daher wohl andere Gründe haben, vermutet Samonigg. In einem auf den 12. Juni datierten Brief an Kollegen berichtet Sepp Leodolter über finanzielle Probleme von Cellmed Research: "Aufgrund verschiedener Anlaufschwierigkeiten besteht nun tatsächlich die Gefahr einer Liquidation der Firma", schreibt er und schlägt vor, "durch eine - ich gebe zu sehr ,offensive' - Promotion weitere Investoren an Bord zu holen, um das Überleben unserer gemeinsamen Idee zu ermöglichen."

Doch Leodolter, der gemeinsam mit Huber in das Unternehmen investiert hat, bestreitet einen Zusammenhang mit dem Magazinartikel. Man hätte mit dem Schreiben bloß Investoren für die Einrichtung eines Labors und einer Kühlanlage gewinnen wollen, sagte er in der ORF-Sendung Konkret am Montag. Laut einem Sprecher von Cellmed Research sei das Unternehmen mit 3,9 Millionen Euro "ausfinanziert", es gebe "keinerlei finanzielle Probleme".

Auch der Geschäftsführer des Unternehmens, Wolfgang Huber (nicht verwandt mit Johannes Huber), wies den Vorwurf der Geschäftemacherei zurück. Die Ärzte hätten es "als ihre ethische Pflicht gesehen, die Zelltherapie den Patienten zugänglich zu machen".

"Zu weit vorgewagt"

Ob Profitstreben, Selbstvermarktung oder Fürsorge hinter den Aussagen der prominenten Ärzte stehen - der Magazinbericht wurde viel beachtet. Nachdem er erschienen war, hätten sich tausende Patienten hoffnungsvoll an die Österreichische Krebshilfe gewendet, sagt deren Präsident Paul Sevalda.

Sie wären enttäuscht gewesen, als sie erfuhren, dass es sich nicht um eine Standardtherapie gegen Krebs handeln würde. So bleibt der bittere Nachgeschmack, dass sich Österreichs prominenteste Ärzte zu weit aus dem Fenster gelehnt haben. Inzwischen, zwei Tage nach der ORF-Sendung, gesteht auch Johannes Huber ein: "Im Enthusiasmus haben wir uns wohl etwas zu weit vorgewagt."

© SZ vom 27.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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