Männermode in Mailand:Der rosarote Mann

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Das starke Geschlecht ist in der Krise: Zarte Buben flanieren über die Mailänder Laufstege und zeigen dem Rest der Welt, dass sie für Kleidchen und Rosa Geld ausgeben sollen.

Katharina Höller

Eins gleich vorne weg: Die Folgen der Emanzipation werden auch bei der Männermode sichtbar. Wenn Yves Saint Laurent in den siebziger Jahren noch Furore machte, indem er Frauen endlich in Hosenanzüge steckte, dann tut dies nun Miuccia Prada, indem sie ihren Männern Polokleidchen anzieht! Doch auch Roberto Cavalli ist um eine gehörige Prise Weiblichkeit nicht verlegen. Ob ein Accessoire wie der Taillengürtel oder wilde Blumendrucke auf schmalen Stoffhosen - der Florentiner Meister zeigt sich von seiner femininen Seite.

Die Mailänder Modewoche beantwortet aber auch die kniffelige Frage: Wieder rein in die Röhrenjeans oder raus? Dank Christopher Bailey von Burberry Prorsum und Tomas Maier von Bottega Veneta existieren von nun an weite Cargo- und Bundfaltenhosen neben schmalen Anzughosen friedlich nebeneinander. Aber auch die Röhre darf's weiterhin sein. Laut Roberto Cavalli sollte sie jedoch mit wilden, farbigen Mustern aufgemotzt werden.

Jil Sander

Die Kollektion von Raf Simons für Jil Sander war eine der mit Spannung erwarteten - und wurde dem berühmt-berüchtigten Purismus der Marke mehr als gerecht. Simons zeigte schmale, knöchellange Anzughosen zu kurzärmeligen Sakkos, die jeweils aus zwei bis drei verschiedenen einfarbigen Stoffen zusammengesetzt waren. Sie erinnerten ein bisschen an ein historisches Gewand mit dem Namen "Mi-Parti", welches heute noch ab und zu im Karneval als Narrenkostüm auftaucht.

Doch nicht nur das: Durch ungewöhnliche Details wie kurze Ärmel und den Reißverschluss am Sakko ist garantiertes Auffallen im Preis inbegriffen.

Missoni

Wer diesen Sommer schon vorausschauend dachte und sich ordentlich knappe Bügelfalten-Shorts zugelegt hat, lag damit goldrichtig. Glaubt man dem Mailänder Fachpersonal, werden diese nämlich auch 2009 modisch gesehen ihren großen Auftritt haben.

Angela Missoni kombiniert sie mit den für das italienische Label so typischen regenbogenfarbenen Zickzack-Mustern auf Hemden und Pullovern. Mit genau diesem Strickdesign wurde das Traditionshaus aus Mailand in den sechziger Jahren berühmt. Wurzeln, die sich inzwischen bewährt haben - nicht ohne Grund besinnt die Kreativchefin des Familienunternehmens sich in ihrer Sommerkollektion darauf.

Burberry Prorsum

Christopher Bailey, seit 2001 Chefdesigner bei Burberry Prorsum zeigt mit seiner Frühjahr/Sommer-Kollektion 2009 einmal mehr, dass Laufstegmode sehr wohl tragbar sein kann. Er steckte seine Models in Cardigans (gerne auch mal zwei übereinander), in schmale, gerade Stoffhosen, in Longpullis und Blazer mit Überlänge. Seine Langarmshirts und Pullover haben tiefe Rundhals- oder V-Ausschnitte und seine Hemden schmale Krägen.

Dank Bailey wird auch der Schal für den Mann in naher Zukunft nicht mehr als "pseudo-hippes" Künstler-Accessoire verschrien sein, sondern sich endlich durchsetzen! Inspiration findet der britische Designer diesmal bei seinem verstorbenen Landsmann, dem Filmregisseur und Künstler Derek Jarman, der bis zu seinem Tod zurückgezogen in einem kleinen Fischerhaus an der Küste Großbritanniens lebte.

Die Melancholie und Tristesse dieser Gegend spiegelt sich in der Farbgebung der Prorsum-Kollektion wieder. Selbst kräftige Töne wie Gelb und Grün wirken erdig und traurig - so als hätte Bailey seine gesamte Kollektion mit einem Sepia-Effekt überzogen. Die Materialien sind leicht zerknittert und erscheinen somit alt und getragen, was die gewünschte Patina erzeugen soll: "Crumpled Classics" sagt der Meister selbst dazu.

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Donatella Versace

Roberto Cavalli schnürt die Taille des Mannes feminin zusammen. (Foto: Foto: AP)

Die Zeiten, in denen Donatella Versace vorwiegend wegen ihres ausschweifenden Privatlebens von sich reden machte, sind eindeutig vorbei. Schon ihre letzte Damenkollektion wurde hochgelobt und enthielt die Entdeckung des Jahres - den Berliner Künstler Tim Roeloff, der Kollagen entwarf, die auf Versaces Kleider gedruckt wurden. Nun schickt sie sich an, mit frischer Männermode die "New Rave"-Welle des vergangenen Jahres auf das nächste Level zu hieven.

Die Schwester des verstorbenen Gianni Versace entließ ihre Models in hellen, safarifarbenen Anzügen auf den Laufsteg, die durch wenige Kniffe aufgepeppt wurden: metallische Materialien, Hemden in sanften Bonbonfarben, bunte Sonnenbrillen und der Schal als unerlässliches Accessoire. Ohne aufdringlich zu sein, erinnert dieser Look an die farbenfrohe Techno-Mode der neunziger Jahre. Im Hintergrund liefen beschwingte Klänge von The Ting Tings, die in England bereits als "New Blondie" gefeiert werden.

Dolce & Gabbana

Zeit, ins Bett zu gehen war es für die Gäste der Show von Dolce & Gabbana eigentlich nicht. Trotzdem wurden sie vermutlich die Erinnerungen an Pyjama-Partys in ihrer Jugend nicht ganz los: Die beiden Italiener präsentierten nämlich Anzugmodelle aus Stoffen, die wir normalerweise aus dem Bereich der Nachtwäsche kennen. Also hellblaugestreifter Satin und wilde nachtblaue Muster, die aus einer gewissen Entfernung ebenfalls zu Streifen verschwimmen. Doch das war nur das Material!

Die Schnitte fielen dafür äußerst präzise und elegant aus und werden dafür sorgen, dass in feinen Kreisen der etwas aus der Mode gekommene Zweireiher sein Revival erleben wird.

Ein bisschen Angst, mit der Schlafanzug-Nummer potentielle Kunden zu vergraulen, schien Stefano Gabbana dennoch zu haben: Schon vor der Show erwähnte er zu men.style.com, dass Mann die Looks im Verkauf auch aus weniger gewagtem Zwirn erwerben könnte.

Prada

Miuccia Prada wirft von Saison zu Saison alles über Bord, was ihr ein halbes Jahr zuvor scheinbar noch als Prinzip galt. Doch nur so bleibt sie auf der Höhe der Zeit: Ihr Design ist eine stete Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Themen. Diesmal geriet der moderne Mann ins Visier der Italienerin - und mit ihm seine Art uns Weise, mit der Emanzipation der Frauen umzugehen. Frau Pradas Schlüsse aus dieser Beobachtung sind zunächst nicht gerade schmeichelhaft: Sie sieht den Mann taumeln zwischen seiner eigenen Stärke und Zerbrechlichkeit. Diese darf er zwar zulassen, sie zu handhaben fällt ihm jedoch immer noch schwer. Visualisiert wird diese Krise der Männlichkeit durch typisch weibliche Attribute an der Kleidung.

Dort wo die Welt normalerweise starke, breite Schultern erwartet, hielten dünne Stoffträger die leichten Mäntel und Jacken der Männer fest, damit diese nicht zu Boden fielen. Fast wie die Träger eines Bikinis wirkten diese. Damit nicht genug, waren Pradas Poloshirts modisch gesehen immer noch ein klassisches Refugium der Männlichkeit - plötzlich knielang und somit zu Kleidchen gewandelt. Aus anderen Oberteilen waren die Models herausgewachsen: kurze Jackenärmel über zu lange Hemdsärmel oder zu knapp der Stoff rund um den Bauchnabel.

Roberto Cavalli

Auch Roberto Cavalli witterte den Östrogen-Trend. Er gürtete seine Männer um die Taille, ganz so wie das die Saisons zuvor bei den Damen der Fall war. Dabei legte er das Accessoire aus Leder ganz einfach über verschiedene Jacken.

Mit Leder hat der gebürtige Florentiner schon 1970 zu Beginn seiner Karriere gearbeitet und gelangte so schnell zu Ruhm. Für das kommende Frühjahr färbt er das Material ein - und das ist wörtlich zu nehmen: Orangefarbene Lederjacken werden zu buntbedruckten Shirts getragen und orange Lederhosen zu roten Trenchcoats. Derartige Farbkombinationen brauchen den Mut und das Selbstbewusstsein eines Südländers!

Alexander McQueen

Alexander McQueen wurde wegen seiner Verdienste um die Mode von Königin Elisabeth II. schon als "Commander of the British Empire" ausgezeichnet - und das obwohl er ursprünglich als provokanter "bad boy" der Branche verschrien war. Die Kollektion, die ihm zum internationalen Durchbruch verhalf, entstand 1996 und hieß "Highland Rape".

Models in zerrissenen, blutverschmierten Kleidern wankten über den Laufsteg, um die "politische Vergewaltigung" der Schotten durch die Engländer zu versinnbildlichen. Inzwischen hat der 39-Jährige als Chefdesigner für Givenchy und Dior gearbeitet, sein eigenes Label aufgebaut und ist etwas ruhiger geworden. Ein bisschen provozieren tut er allerdings immer noch gerne - auch in der Sommerkollektion für 2009: Die Herren tragen symmetrisch gemusterte Oberteile, die an Fetisch-Kleidung erinnern, wobei der Hosenbund wie zuletzt bei den Damen bis zur Taille nach oben rutscht.

Den wirklich modebewussten Herren wird im kommenden Frühjahr also eine gehörige Portion Mut abverlangt. Doch fürs Erste könnte ein beherzter Schritt zum Schrank der Frau oder Freundin auf modische Experimente einstimmen: Wie wär's zum Beispiel mit einem bunten Schal als Accessoire, oder mit einem Gürtel, der ausnahmsweise Mal nicht braun oder schwarz ist? Dazu darf jetzt auch die bequeme, weite Hose anstelle der Röhrenjeans wieder hervorgekramt werden.

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