Männer-Kolumne:Bill

Lesezeit: 2 min

(Foto: N/A)

Unsere Kolumnistin beschäftigt sich in dieser Woche mit dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton, der als Demokrat selbstverständlich ein Fan der "Me Too"-Bewegung ist. Allerdings nicht, wenn seine Ex-Praktikantinnen sagen: "Ich auch."

Von Johanna Adorján

Schon klar, es gibt schlimmere Präsidenten, als Bill Clinton es war, sogar schlimmere amerikanische Präsidenten, besonders amerikanische sogar. Aber.

Im Zuge der PR-Tour für seinen ersten Roman mit dem Titel "The President is missing", den er zusammen mit einem Krimiautor schrieb, gab Bill Clinton Interviews. Bei dieser Gelegenheit wurde er auch nach der "Me Too"-Bewegung gefragt. Er möge sie, meinte er, habe sie für längst überfällig gehalten, auch wenn er nicht mit allem daran einverstanden sei. Dann fragte der Moderator nach Monica Lewinsky. Einfache Frage. Ob er sich je bei ihr entschuldigt habe. Clinton wich einer Antwort aus, indem er unter viel seltsamem Grimassieren auf irgendetwas anderes antwortete und dem Moderator vorwarf, Fakten zu unterschlagen, schlimmer, vermutlich nicht einmal zu kennen, (grins, komisch anstarr, vorbeug, plötzlich ernstguck, wieder zurücklehn, Zähnebleck).

(Kurze Unterbrechung für einen Appell an Zahnärzte: Bitte, Sie müssen damit aufhören, Leuten die Zähne zu stark zu bleachen. Zähne sind niemals richtig weiß. Übernatürlich weiße Zähne sehen nicht gepflegt und schön aus, sie sehen übernatürlich weiß aus und damit vollkommen bescheuert. Der Ausdruck "weiße Zähne" ist genauso irreführend wie, jetzt mal aus Verdauungssicht gesprochen, "leichter Salat". Klar, niemand würde für "gelbe Zähne" massig Geld ausgeben, aber Sie müssen zurückfinden zu mehr Berufsethos, ernsthaft, so geht das nicht.)

Zurück ins Fernsehstudio, in dem Bill Clinton in der Zwischenzeit den Moderator mit ausgestrecktem Zeigefinger zurechtgewiesen und sich für vieles selbst gelobt hat. Irgendwann hat der Moderator kurz Gelegenheit, seine Frage zu wiederholen. Ob Bill Clinton sich bei Monica Lewinsky je entschuldigt habe. Ja, habe er. Habe er? Ja, habe er, er habe sich bei allen Menschen der ganzen Welt entschuldigt. Aber bei ihr? "Ich habe nicht mit ihr gesprochen." Ob er finde, er schulde ihr eine Entschuldigung? "Nein. Ich habe nie mehr mit ihr gesprochen." Dazu ein unerklärlich selbstzufriedenes Lächeln, als sei er auf diese Antwort wahnsinnig stolz.

Zur Erinnerung: Monica Lewinsky war 22 Jahre alt und Praktikantin, als ihr Chef, der mächtigste Mann der Welt, eine Affäre mit ihr hatte. Bis heute kann niemand auf der Welt ihren Namen aussprechen, ohne an eine Zigarre zu denken, jedenfalls niemand, der die späten Neunziger bewusst miterlebt hat. Sie wurde von der Weltpolitik zweifach benutzt, zum Vergnügen und für ein Impeachment, und anschließend als so etwas wie eine "gefallene Frau" zum Comedy-Abschuss freigegeben, bloßgestellt und gedemütigt vor der gesamten zeitungslesenden und fernsehenden Menschheit. Witzfigur Monica Lewinsky.

Und heute erfahren wir, dass der Mann, der dafür aus Gründen, die auf der Hand liegen, die volle Verantwortung trägt, nie wieder ein einziges Wort an sie richtete. Sie ohne Entschuldigung, wenigstens eine Entschuldigung, ihrem Schicksal überließ. Und dass er dieses Verhalten von sich sogar heute, wo man einigermaßen sensibilisiert sein sollte für alles, was mit Machtmissbrauch zu tun hat, zumal in Verbindung mit Sex, irgendwie witzig und okay findet. In aller Öffentlichkeit. Wie unglaublich dreist und dumm.

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: