Kunstwerke:Glimm Bimm!

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Im Digital Art Museum in Tokio, der Hauptstadt von Japan, ist erlaubt, was in anderen Museen für mächtig Ärger sorgt: anfassen, austoben, mitmachen. Macht das Spaß?

Von Nina Himmer

Egal wie hübsch da Vincis Mona Lisa von der Wand lächelt, Van Goghs Sonnenblumen um die Wette leuchten oder Dalís Uhren wie Butter in der Sonne zerfließen - irgendwann wird es selbst in den tollsten Kunstmuseen der Welt ein bisschen langweilig. Die Gemälde hängen still an der Wand, die Besucher stehen genauso still davor und alles, was Spaß macht, ist verboten: rennen, laut sein, anfassen, fotografieren, spielen, toben, lachen.

In einem Museum in Japans Hauptstadt Tokio ist das anders. Dort werden die Kunstwerke nicht aufgehängt, sondern angeknipst. 520 Computer und 470 Projektoren zeichnen dann Muster und Figuren aus Licht an die Wände, Decken und Böden der Ausstellungsräume. Da gibt es zum Beispiel den "Blumenwald", in dem jeder Winkel mit Blüten ausgeleuchtet ist. Berührt man sie mit den Fingern, fliegen ihre Blätter in alle Richtungen davon. Oder das "Schwebende Nest" - ein durch den Raum gespanntes Netz, auf dem man wie schwerelos liegen und in eine Art digitalen Sternenhimmel schauen kann.

Unter dem Wasserfall: Obwohl alle Kunstwerke technische Illusionen sind, stammen die Ideen dafür aus der Natur. (Foto: teamLab)

Hinter dem Museum steht eine Gruppe von Künstlern und Computerexperten, die sich Borderless nennt. Das ist englisch und bedeutet "grenzenlos". Und genau darum geht es: Grenzen sollen verschwinden, vor allem zwischen Mensch und Kunst. Deshalb kann man mit den meisten Kunstwerken etwas machen. Zum Beispiel, indem man sie antippt und dadurch verändert, so wie bei den Blütenblättern. Oder, indem man die Lichtfarben über eine App steuert - so wie in der "Kristall-Welt", in der Tausende LED-Leuchten von der Decke baumeln. Im "Lampenwald" kommt es einem vor, als hätte man plötzlich Zauberkräfte: Das Licht folgt einem, ist abgestimmt auf jede Bewegung. Wendet man den Blick, gehen wieder andere Lampen an, als ob man sie mit den Augen anknipsen könnte.

Im „Lampenwald“ berechnet ein Computerprogramm die Position der Besucher und stimmt die Lichter darauf ab. (Foto: teamLab)

Manche Menschen finden, das alles sei mehr Vergnügungspark als Museum. Die Besucherinnen und Besucher aber lieben es. Schon im ersten Jahr kamen mehr als drei Millionen, darunter viele Kinder. Für sie gibt es einen extra gestalteten Bereich im zweiten Stock. Wer dort ein Tier auf Papier malt, kann wenig später zusehen, wie es als Projektion über die Wand flimmert. Wer auf dem Trampolin hüpft, löst einen Sternenschauer aus. Und wer die Rutsche hinabsaust, hinterlässt eine Spur aus bunten Lichtstreifen. Außerdem kann man versuchen, die Tiere an den Wänden und auf dem Boden mit den Händen oder Füßen zu fangen - dann zerspringen sie, und die Projektion erlischt.

Es kostet Überwindung, sich auf das wacklige Netz zu wagen. Trotzdem bilden sich vor „Floating Net“ oft lange Besucherschlangen. (Foto: teamLab)

Jeder wird so zu einem Teil der Kunst. Alles ist in Bewegung, verändert sich ständig. Manche sind überzeugt, dass so die Museen der Zukunft aussehen werden. Wenn unser Leben immer digitaler wird, warum nicht auch die Kunst? Vielleicht wird es dann einen Algorithmus geben, der Mona Lisa ein Augenzwinkern ins Gesicht malt und die berühmten Sonnenblumen im Wind wehen lässt.

© SZ vom 05.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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