Klage gegen Gastro-Tester:Ein Haar zu viel in der Suppe

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Seine spitze Feder brachte einem badischen Gastrokritiker eine Klage ein. Hüttenwirte wollten sich ihren Leberkäs nicht madig machen lassen.

Monika Goetsch

Hübsch gelegen ist sie ja, die Todtnauer Hütte, ein Berggasthof mit Pensionsbetrieb, der über allem thront. Nur über Kritik ist man auf der Schwarzwaldhütte nicht wirklich erhaben, im Gegenteil: Die Hüttenwirte haben Klage erstattet gegen Wolfgang Abel, einen Mann mit sehr spitzer Feder.

Louis de Funès alias Restaurantkritiker Charles Duchemin hatte in "Brust oder Keule" nicht nur mit zähem Käse zu kämpfen. (Foto: Foto: defd/Kinoarchiv)

Der südbadische Gastrokritiker hatte in seinem bereits vor drei Jahren erschienenen Buch ,,Südschwarzwald'' ein etwas grimmiges Kapitel über die Hüttenlandschaft am Feldberg geschrieben, die umsatzorientierten Saisonbetriebe dort, um dann auch die Todtnauer Hütte aufs Korn zu nehmen, in der er einen seiner ,,unerfreulichsten Besuche'' erlebte.

Sein Text schmerzte die Todtnauer Hüttenwirte und das nicht nur, weil Abel monierte, dass ihn ,,die Oberflächenbeschaffenheit des gebratenen Fleischkäses'' an eine ,,Raufasertapete'' erinnere. Gegenstand der Klage ist eine andere Passage: ,,,Bitte in Pfeilrichtung anstellen', liest der Gast vor der Theke, hinter der es ostzonal tönt. Erzieherische Hinweise wie im FDJ-Lager auch auf dem Weg zum Abtritt.'' Darüber hinaus ist Abel ein kleiner, ärgerlicher Fehler unterlaufen, der die Kläger empört: Er hat der Hütte einen Ruhetag angedichtet, den sie nicht hat.

Falscher Ruhetag: Da fordert der Anwalt der Kläger, Heinz-Rudolf Hagenacker, einen Widerruf. Ostzonal, FDJ-Lager: Auch das zu schreiben soll Abel in der nächsten Ausgabe seines Reiseführers unterlassen. Darüber hinaus klagt Hagenacker auf Schadensersatz. Die Behauptungen im Text seien geeignet, ,,die Kläger in ihrer Ehre zu verletzen''. Die Bezeichnung ,,tönt es ostzonal'' sei diffamierend. Der Vergleich mit einem FDJ-Lager, ,,mithin einem Propaganda- und Ideologisierungsinstrument eines Unrechtsstaates in keiner Weise hinzunehmen''. Es sei für keinen Wirt akzeptabel, ,,außerhalb eines sachlichen Zusammenhangs in einer Gastronomiekritik aufgrund seiner Herkunft glossiert zu werden.'' Er sehe die ,,Grenze zur Schmähkritik'' überschritten.

Das Schönauer Amtsgericht hat den Fall nun weitergeleitet ans Landgericht. Die Hüttenwirte sind erst einmal in Küche, Gaststube und auf die Freiterrasse zurückgekehrt und wollen sich zu der Sache nicht äußern. Abel widmet sich weiterhin dem, was er ,,Kulturkritik'' nennt: der Bewertung von Gasthäusern, ihrem Service und ihrer Kochkunst, einer vielleicht ein wenig altmodischen, aufklärerischen Kritik der kulinarischen Basisversorgung.

Nicht selten schlagen Wirte vor Gericht zurück

Nicht zum ersten Mal muss sich ein Gastrokritiker vor Gericht verantworten: 1992 hatte ein bayerisches Lokal auf Unterlassung geklagt, weil der Kritiker den dort servierten Cappuccino als ,,Magengeschwürumspüler'' bezeichnete und sich ansonsten der Beschreibung beklemmender Verhältnisse auf der Toilette widmete. Der Klage wurde vom Münchner Oberlandesgericht statt gegeben, der Bericht verlasse ,,den Boden sachlich gerechtfertigter Kritik''. Verlangt werde ,,ein Mindestmaß an Neutralität und Sachkunde sowie ein Bemühen um Objektivität''.

Ebenfalls vor 15 Jahren sorgte ein Verriss im Gault Millau für Schlagzeilen, in dem der Hummer in einem Restaurant in Isernhagen als ,,winzig, hart und geschmacklos'' bezeichnet wurde, der Wein angeblich ,,brühwarm aus dem Keller'' kam und die ,,ur-uralten Garnelen'' dem Kritiker den Aufschrei entlockten: ,,Pfui Deibel!'' Der Restaurantbesitzer, ,,Absteiger des Jahres'' geschmäht, machte Umsatzeinbußen geltend und gewann die Revision vor dem BGH. Begründung: Ein einziger Besuch eines Restaurants schaffe keine zuverlässige Tatsachengrundlage.

Und Anfang der 80er Jahre waren einem Gastrokritiker gleich zwei Wirte auf den Fersen: Der Mann hatte unter anderem kritisiert, auf seinem Teller in einem Weinlokal in Münster liege ein ,,faserig trockener, völlig versalzener, braun oxidierter Lachs''. Die ,,übersalzene Butter'' in einem Restaurant in Lippstadt wiederum hielt der Texter ,,gar für gefährlich: Hypertoniker sollten die Einwegspritze griffbereit haben''. Die Kläger waren erfolglos - zumal sie nicht nachweisen konnten, dass der Kritiker unrecht hatte.

Wie auch immer das Gericht entscheidet: Wolfgang Abel, den zum ersten Mal in seinen zwanzig Jahren als Gastrokritiker eine Klage trifft, ist fest entschlossen, seinen Pfad weiter zu gehen. Zwar hat er sich für den falschen Ruhetag ganz offiziell entschuldigt und den Klägern eröffnet, es tue ihm leid, sie verletzt zu haben. Bei seiner spitzen Feder aber wolle er bleiben, sagt er. Schon deshalb, weil ihm nicht nur der Ton der Hüttenwirte bitter aufstoße, sondern auch die ,,zunehmende Zahnlosigkeit der Gastronomiekritik'', die zum ,,Servicetipp'' verkomme.

Und die Sache mit dem ,,ostzonal''? Regionale Zuordnungen, sagt Abel, seien kein Werturteil. Jeder könne sich seinen Reim drauf machen. ,,Denken Sie nur an Bayerisch, Süditalienisch. Oder an das Thüringer Rostbratwürstchen.''

© SZ vom 20.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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