Kinderwunsch:Jedes siebte Paar ungewollt kinderlos

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Deutschland braucht mehr Kinder, heißt es. Doch Paare, die Nachwuchs wollen, aber für die Forpflanzung Hilfe brauchen, klagen über zu wenig Unterstützung.

Kinderlose werden nach Expertenansicht zu Unrecht oft als Egoisten abgestempelt. Jedes siebte Paar in Deutschland habe Probleme, ein Baby zu zeugen, sagte der Leiter des Kinderwunschzentrums Hannover, Nabil Saymé.

Oftmals könne der Kinderwunsch durch eine künstliche Befruchtung erfüllt werden, jedoch sei die Behandlung seit einer Gesetzesänderung für viele Eheleute unerschwinglich geworden. "Überall heißt es, Deutschland braucht mehr Kinder, doch der Einzelne wird im Stich gelassen", beklagte Saymé.

Die Krankenkassen tragen seit 2004 nur noch die Hälfte der Kosten für drei Behandlungszyklen - das heißt bei jedem Versuch der künstlichen Befruchtung müssen die Patienten zwischen 1500 und 1700 Euro selbst bezahlen.

Darüber hinaus gilt die Kostenübernahme ausschließlich für verheiratete Paare im Alter zwischen 25 und 40 Jahren. "Weil es sich die meisten schlicht nicht leisten können, lassen sich heute bundesweit nur noch halb so viele Paare wie vor fünf Jahren behandeln", berichtete der Mediziner.

Die wachsende Unfruchtbarkeit liegt Saymé zufolge vor allem darin begründet, dass die meisten Paare später als früher versuchen, Nachwuchs zu bekommen. Ohne Zweifel sei es eine große Errungenschaft, dass viele Frauen selbstverständlich erst studierten und arbeiteten, bevor sie an Kinder dächten.

"Allerdings steht diese Lebensplanung der Biologie entgegen. Die Chance, schwanger zu werden, nimmt mit jedem Lebensjahr ab", sagte der Gynäkologe. Auch Infektionserkrankungen, Umweltgifte, Hormone in der Nahrung oder Stress könnten Spermien und Eizellen schädigen.

Nach einer künstlichen Befruchtung werden laut Saymé etwa 30 Prozent der behandelten Frauen schwanger. Viele Patienten kämen aber erst sehr spät in eines der etwa 120 Reproduktionszentren in Deutschland.

"Der Leidensdruck der Betroffenen ist unvorstellbar", weiß Saymé aus seinen Patientengesprächen. Viele Paare verkrafteten nicht einmal mehr Treffen mit Freunden, die Kinder haben.

"Für ungewollt Kinderlose klingt es wie Hohn, wenn ihnen gesagt wird: Seid doch froh, dass ihr den ganzen Stress mit Kindern nicht habt." Die Trauer und das Gefühl, versagt zu haben, führe bei einigen Patienten sogar zu schwerwiegenden Depressionen.

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