Haus- und Hoftiere:Yuiipp yuiipp!*

Lesezeit: 3 min

*Das ist Hundisch und heißt "Schneller!" Funktioniert prächtig. Die Frage ist aber, warum der Weihnachtsmann eigentlich immer nur Rentiere hat. Antwort: Weil Schlittenhunde halt nicht fliegen können. Oder doch? Zu Besuch im schwedischen Baskarp

Text und Fotos: Hannah Weber

(Foto: Hannah Weber)

Es ist, als ob man in diesen verschneiten Wiesen Südschwedens plötzlich eine unsichtbare Grenze übertreten würde. Eingetaucht in Stille, nur die Schuhe knirschen im Schnee, Zweige und Büsche biegen sich unter seiner Last und immer noch mehr dicke Flocken segeln vom Himmel. Gerade wenn man nah genug an das gelbe Holzhaus herangekommen ist, um etwas durch die Fenster zu erspähen, beginnt plötzlich ein Hundechor zu heulen und zu bellen. Grenze übertreten.

Vor dem großen Hundezwinger hinter dem Haus stehen Matti, 9, und Nore, 13. Sie leben hier mit ihren Eltern und den neun Alaska Husky Mischlingen in Baskarp, einem kleinen Dorf im Süden Schwedens. Viele Menschen leben hier nicht. Eher Rehe und Elche. Der Wald beginnt direkt hinterm Haus. Matti und Nore ziehen den Hunden das Geschirr an, manchmal verheddert sich eine Pfote. Man braucht Geduld.

Die Jungs wissen natürlich längst, dass Besuch auf dem Weg ist. Das Jaulen hat es ihnen verraten. "Die sind aufgeregt, die wollen jetzt schnell los", sagt Matti. Die stärksten Hunde kommen ganz nach hinten, direkt vor den Schlitten. Die, die am besten hören, kommen nach ganz vorn. Das sind die Leithunde. Sie geben Weg und Tempo vor. Na ja, so richtig stimmt das nicht. Eigentlich entscheidet Ellen, die Mama von Matti und Nore, wo es langgeht. "Wichtig ist, dass man laut und deutlich spricht, und dass man dominant und etwas streng ist, damit die Hunde auch wirklich hören." Ellen kann gut Hundisch. Auf sie hören sie: Rechts etwa heißt "Hööööger", stop "Stååååå" und - ganz wichtig: "Yuiipp yuiipp". Das heißt schneller.

Bis die Hunde richtig angeschirrt sind, verheddern sich schon mal ein paar Pfoten. Matti, 9, hat genug Geduld. Die Hunde auch. (Foto: Hannah Weber)

So ein Schlitten mit neun Hunden kann auch mal 40 km/h schnell werden. So viel schafft man mit dem Fahrrad oft nicht mal bergab. Steuern dürfen das Matti und Nore noch nicht. Dafür müssen sie noch älter werden, die Hunde besser unter Kontrolle haben. Kleine Schlitten mit zwei Hunden dürfen die Geschwister aber auch schon ganz allein fahren. Mit drei Jahren standen sie das erste Mal auf den Kufen, gemeinsam mit ihren Eltern. Damals hat Ellen noch Schlittenfahrten für Reisende angeboten, heute ist es eher ein Familienhobby.

Obwohl jetzt eigentlich alles bereit ist, die Hunde im Geschirr und vor den Schlitten gespannt sind, sehen sie noch alles andere als startklar aus. Die Huskys springen durch den Schnee, fetzen sich und bellen wild durcheinander. Aber als Ellen "AHA" befiehlt, herrscht augenblicklich Stille, und die Hunde fangen an zu laufen. 36 Beine rudern durch die Luft, die Pfoten bohren sich in den Schnee und der Schlitten saust zischend durch den Wald. Das ruckelt und schlingert ganz schön. Kaum vorzustellen, dass Matti manchmal im Schlitten einschläft. "Ist so schön gemütlich", sagt er, eingepackt in warmem Schaffell. Damit die Hunde auch aus der Ferne gehört werden, tragen sie kleine Glöckchen am Halsband. Bimmelnd stieben sie durch den Schnee. Mit geschlossenen Augen fühlt sich das an, als säße man im Schlitten des Weihnachtsmannes. Gar nicht so eine doofe Idee, findet Nore. Die Hunde sind schneller und stärker als Rentiere und auf Befehle hören ist für sie kein Problem. "Nur das mit dem Fliegen", sagt Matti, "das haben wir bisher noch nicht hinbekommen."

Mit geschlossenen Augen fühlt es sich an, als säße man im Schlitten des Weihnachtsmannes. Nore, 13, wartet aufs Lossausen. (Foto: Hannah Weber)

Nach ein paar Kilometern ist es Zeit für eine Pause. Ellen wischt den Schnee von einer Holzbank, legt ein großes Schaffell aus. Dann zieht sie eine Blechdose mit Keksen und Zimtschnecken und eine Thermosflasche aus ihrem Rucksack. Während Nore und Matti eng beieinandersitzen und sich mit dem Punsch aufwärmen, springen die Hunde wild durch den Schnee. Hunde können nicht schwitzen. Deshalb sind Abkühlpausen im Schnee wichtig.

Die meisten Hunde müssen in der Hütte schlafen. Im Haus dürfen nur zwei übernachten. Außer sie sind alt - oder kuschelig. (Foto: Hannah Weber)

Wieder zu Hause angekommen, ist es schon dunkel geworden. Weil das Haus der Familie nicht sehr groß ist, sind eigentlich nur zwei Hunde im Haus erlaubt. Allerhöchstens. Gerade dürfen aber fünf drinnen schlafen: alte Hunde, verletzte Hunde - und die besonders kuscheligen. Kuscheln mit geschlossenen Augen kann sich nämlich wie Fliegen anfühlen. Müsste man mal dem Weihnachtsmann sagen ...

© SZ vom 24.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: