Großbritannien:Schulfach Abspecken

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Die britische Regierung zieht bei Schülern die Fressbremse und gibt ihnen Nachhilfe bei der Nahrungsaufnahme.

Wolfgang Koydl

Wenn die britische Regierung den Nachwuchs des Landes betrachtet, weiß sie nicht, wovor sie mehr erschrecken soll: vor der Anzahl der Messer und Schusswaffen, welche die Jugendlichen in ihren Zimmern ansammeln, oder wegen der Menge an Pfunden, die sie auf ihre Hüften häufen. Ein Spötter fasste es kürzlich mit Galgenhumor zusammen. Ihm seien dicke Teens lieber, meinte er. Vor denen könne man wenigstens davonrennen, wenn sie einen auf der Straße überfielen.

In Großbritannien auf dem Index der Pausenbrotpolizei: der Klassiker Fish'n'Chips. (Foto: Foto: iStockphotos)

Doch Politikern, Ärzten und Erziehern ist alles andere als zum Scherzen zumute. Insgesamt gewogen, haben die Briten die Amerikaner bereits als die übergewichtigste Nation der Erde abgelöst - vor allem dank der Schotten, die mit einigen Extrakilos die nationale Waagschale noch tiefer drückten: Ein Viertel aller erwachsenen Briten zwischen Eastbourne und Edinburgh gilt als klinisch übergewichtig, bei den Kindern ist es jedes fünfte.

Die Pausenbrotpolizei

Vor allem dem schwergewichtigen Nachwuchs gilt die Sorge der Verantwortlichen. Denn wenn hier nicht gegengesteuert wird, droht binnen weniger Jahrzehnte der Kollaps des staatlichen britischen Gesundheitssystems unter der Last dramatisch steigender Erkrankungen, die von Übergewicht ausgelöst werden: Diabetes, Herz- und Kreislaufstörungen, Leber- und Nierenleiden.

Erst Anfang des Jahres hat die Regierung unter Premier Gordon Brown mit dem "Healthy Weight, Healthy Lives"-Report eine neue Gesundheits- und Abspeckfibel vorgestellt, die sich in erster Linie an Schüler richtet. So soll die Zahl der Sportstunden von zwei auf fünf pro Woche erhöht werden. In Pflichtkochkursen werden Jungen und Mädchen nicht mehr lernen, wie man Pasteten und Pommes zubereitet, sondern Salate und Gemüsegerichte. Örtliche Behörden werden darüber hinaus die Vollmacht erhalten, Burgerbuden, Fish'n'Chips-Shops und andere Fast-Food-Quellen in der Nähe von Schulen, Spielplätzen und Parks zu verbieten.

Eine weitere Maßnahme zeigt, dass man offensichtlich aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Nachdem der Celebrity-Koch Jamie Oliver mit Hilfe der Regierung vor zwei Jahren seine Kampagne für gesündere Schulmahlzeiten gestartet hatte, war den Verantwortlichen aufgefallen, dass die Kinder die Teller mit dem gesunden Essen nicht anrührten, sie schienen nicht einmal hungrig zu sein. Des Rätsels Lösung: Eltern hatten ihnen heimlich Schokoriegel und kalte Fleischpasteten zugesteckt. Künftig soll eine Art von Pausenbrotpolizei kontrollieren, ob die Kinder ungesunde Leckereien von zu Hause mitgebracht haben.

© SZ vom 13.2.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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