Gesunde Ernährung:Vollkorn statt Fasern

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Bisher galten unverdauliche Fasern als ideale Vorsorge gegen Darmkrebs. Jetzt haben Wissenschaftler herausgefunden: Nicht die Ballaststoffe schützen uns, sondern Mineral- und Pflanzenstoffe - und diese stecken in Vollkorn-Produkten.

Wiebke Rögener

Gesundes Essen ist gut gegen Darmkrebs, das gehört fast schon zum Allgemeinwissen. Aber was genau sollte auf dem Speiseplan stehen, um diesem Tumor vorzubeugen, der in Deutschland mit mehr als 70.000 neuen Fällen jährlich die zweithäufigste Krebserkrankung ist? Darüber streiten Forscher nun seit mehr als drei Jahrzehnten. Ballaststoffe sind beliebt und werbewirksam, seit der britische Tropenmediziner Denis Parsons Burkitt in den sechziger Jahren beobachte: Afrikaner, deren Nahrung viele unverdauliche Fasern enthielt, erkrankten seltener an Darmkrebs als Europäer. Allerdings erreichten sie seltener das Alter jenseits der 65, in dem der Tumor am häufigsten auftritt.

Wer besonders viele Getreideprodukte aus Schrot und Mehl der ganzen Körner verzehrt, verringert sein Darmkrebs-Risiko. (Foto: Foto: dpa)

Genauere Studien kamen seitdem zu widersprüchlichen Ergebnissen: "Aus für Ballaststoffe" hieß es, als eine groß angelegte Studie an Krankenschwestern (Nurses Health Study) keinen Effekt der faserreichen Nahrung fand. "Ballaststoffe tun gut", las man, als eine europäische Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition, Epic) ergab, das viele Ballaststoffe mit weniger Darmkrebserkrankungen einhergehen.

Die neueste Wendung in der Wissenschaft vom Ballast: Nicht Fasern, sondern Vollkornprodukte schützen den Darm. Zu diesem Ergebnis kommen Krebsforscher vom National Cancer Institute in Bethesda, Maryland. Sie hatten 500.000 Männer und Frauen nach ihren Ernährungsgewohnheiten befragt und fünf Jahre lang das Auftreten von Darmtumoren erfasst (American Journal of Clinical Nutrition, Bd. 85, S. 1353, 2007).

Vom positiven Effekt der Faserstoffe bleibt nichts übrig

Zunächst ergab der Vergleich ein geringeres Krebsrisiko bei faserreicher Kost. Doch der Ballast kommt selten solo: Wer viel Rohkost, Hülsenfrüchte oder Müsli isst, nimmt damit auch andere Stoffe auf, die vor Krebs schützen könnten, wie etwa Folsäure. Nachdem die Forscher diese Faktoren herausgerechnet hatten, blieb vom Effekt der Faserstoffe nichts übrig. Dagegen blieben Vollkornprodukte auch nach solchen Abzügen im Plus: Die Gruppe, die am meisten Getreideprodukte aus Schrot und Mehl der ganzen Körner verzehrte, hatte ein um 20 Prozent vermindertes Darmkrebsrisiko gegenüber denen, die Vollkornprodukte verschmähten. Vermutlich schützen also nicht die Fasern, sondern andere Bestandteile des Korns vor Krebs, etwa Mineralstoffe oder östrogenähnliche Pflanzenstoffe (Phytoöstrogene).

Die Unterscheidung zwischen Vollkornprodukten und Ballaststoffen findet Jakob Linseisen vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg jedoch nicht so bedeutsam. "In Europa sind Getreideprodukte ohnehin die wichtigste Quelle für Ballaststoffe. Ob es nun die Fasern im Vollkorn sind, die vor Darmkrebs schützen, oder andere, mit ihnen verbundene Substanzen wie Phytoöstrogene, ist nicht das Wichtigste", sagt Linseisen, Leiter der Epic-Studie in Heidelberg. "Für den Verbraucher kommt es darauf an, zu wissen, was er essen sollte, und nicht darauf, welche Substanz wirksam ist. Und der schützende Effekt von Vollkornprodukten wird in dieser neuen Studie sehr gut nachgewiesen."

Auch wenn weiterhin unklar bleibt, wie die gesunde Kost den Darm schützt, dass sie es tut, bestätigt eine weitere Studie (JAMA, Bd. 298, S. 754, 2007). Ein Forscherteam um Jeffrey Meyerhardt vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston verfolgte das Schicksal von mehr als tausend Darmkrebspatienten, deren Tumor entfernt worden war. Auch diese Patienten wurden nach ihrer Ernährung befragt. Unterschieden wurde zwischen einer typisch westlichen Ernährungsweise mit viel rotem Fleisch, Fett, Weißmehlprodukten und Süßspeisen einerseits und einer Kost, bei der häufiger Fisch, Geflügel, Obst und Gemüse auf den Tisch kamen. Die Auswertung nach durchschnittlich fünf Jahren ergab: Wo Fleisch und Fritten dominierten, stieg das Risiko für einen Rückfall bis um das Dreifache.

© SZ vom 16.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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