Gesund schlafen:Die Sucht zum Stöpsel

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Wer sich angewöhnt, mit Ohrstöpseln zu schlafen, kann davon abhängig werden - die Entwöhnung ist langwierig.

Oft beginnt es mit lästigem Schnarchen, dann stört ein Glucksen in der Heizung oder Gepolter der Nachbarn - so mancher findet nur dann zu erholsamem Schlaf, wenn er seine Ohren mit lärmdämmenden Stöpseln verschließt. Doch die angenehme Ruhe, die die Ohrstöpsel erzeugen, kann auf Dauer auch negative Folgen haben: So mancher Benutzer klagt darüber, von den Ohrstöpseln abhängig geworden zu sein und ohne sie nicht mehr schlafen zu können. Schon das kleinste Geräusch reißt einen dann aus dem Schlaf - sofern man es überhaupt noch schafft, ohne die gewohnte Stille einzuschlafen.

Die Stille durch Stöpsel kann gefährlich werden. (Foto: Foto: iStock)

Aber gibt es tatsächlich so etwas wie "Ohrstöpselabhängigkeit"? "Ein solches Phänomen lässt sich tatsächlich beobachten, aber es handelt sich natürlich nicht um eine Sucht wie bei einer körperlichen Abhängigkeit etwa von Alkohol oder Heroin", erklärt Roland Laszig, Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik Freiburg. Vielmehr gehe es um einen Gewöhnungseffekt, ankommende Signale werden dadurch psychisch anders verarbeitet.

Das Phänomen sei allerdings sehr schwierig zu erklären, da es um Sinneseindrücke gehe: "Das macht die Sache so kompliziert, denn es gibt nichts Subjektiveres als Sinneseindrücke."

Laszig verweist zum Vergleich auf Menschen, die unter einem Tinnitus leiden: "Mindestens 90 Prozent der Menschen - wenn nicht sogar alle - haben einen Tinnitus, aber nur bei einem Prozent stellt dieser ein wirklich störendes Phänomen dar." Tinnitus-Patienten sind auf ihr dauerhaftes Ohrfiepen fixiert und schaffen es ohne Training nicht, dieses einfach wegzufiltern wie andere Menschen, die das Geräusch gar nicht wahrnehmen.

Ein vergleichbarer Effekt tritt bei einer Gewöhnung an Ohrstöpsel ein. "Man hat über die Ohrstöpsel eine psychologische Komponente, mit der man sich eine gewisse Ruhe verschafft, und dann schaltet man auch ab", erklärt Laszig. Ohne Ohrstöpsel werde man dann nervös und habe Angst vor eventuell auftretenden Geräuschen, die dann natürlich auch auftreten - "und dann werden Sie wach oder können gar nicht erst einschlafen".

Ohrstöpsel-Benutzer sind oft musikalisch

Die Subjektivität von Sinneseindrücken führt dazu, dass manche sich von Geräuschen belästigt fühlen, die andere gar nicht wahrnehmen. "Menschen, die Ohrstöpsel verwenden, haben oft ein gutes Hörvermögen, in vielen Fällen sind sie auch musikalisch", erklärt der HNO-Arzt. "Das Ohr funktioniert bei ihnen wie bei allen anderen auch, organisch-physiologisch gibt es keinen Unterschied, aber sie haben eine völlig andere Beziehung zu ihrem Gehör und verarbeiten die ankommenden Signale psychisch anders."

Das gleiche schwer zu erklärende Phänomen sei beim absoluten Gehör zu beobachten - der Fähigkeit, die Tonhöhe ohne Vergleichspunkt absolut bestimmen zu können. "Das ist auch nicht antrainiert, sondern angeboren", erklärt Laszig.

Der Gewöhnungseffekt bei Ohrstöpseln lässt sich mit der Entwöhnung vergleichen, die sich bei Schwerhörigen einstellt. "Je länger jemand schwerhörig ist, desto schwieriger ist es, ihn mit Hörgeräten zu versorgen", sagt der HNO-Experte. Da Schwerhörige von bestimmten Geräuschen entwöhnt sind, hören sie mit einem digitalen Hörgerät plötzlich Geräusche, die sie schon vergessen hatten und die nun irritierend und störend wirken. "Je älter man ist, desto schwieriger ist es für das Gehirn, das zu verarbeiten", erklärt Laszig.

Eine ähnliche Entwöhnung läuft bei Ohrstöpselbenutzern ab, die aufgrund der Filterwirkung mehr oder weniger absolute Ruhe gewöhnt sind, so dass sie dann von Geräuschen wach werden, die andere gar nicht bemerken. Eine "Rück-Entwöhnung" ist möglich, auch wenn sie sehr langwierig sein kann. Mit viel Geduld können Ohrstöpsel-"Abhängige" wieder geräuschunempfindlicher werden und lernen, auch ohne das Hilfsmittel wieder ein- und durchzuschlafen.

Das Phänomen zeigt aber auch, dass man sein Gehirn "offensichtlich scharf stellen kann", wie Laszig erklärt: "Wenn man sich konzentriert, dann kann man selektiv hören." Und diese Fähigkeit wird wiederum etwa bei Tinnitus-Behandlungen, bei der Hypnose oder in der Psychotherapie eingesetzt.

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