Gegen den Schlankheitswahn:Striche in der Landschaft

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Models sind meist zu dünn und trotzdem Schönheitsvorbild für tausende Frauen - auch in Deutschland. Die Bundesregierung will dem Trend entgegenwirken.

Katharina Höller

Nahezu jede Frau in Deutschland kennt das Problem: Nach Weihnachten klemmt die Lieblingsjeans - die Trägerin steht frustriert vor dem Spiegel und wünscht sich im nächsten Moment, Plätzchen, Ente und Stollen einfach wieder von sich zu geben. Eine Extremlösung, von der die meisten zum Glück absehen.

Striche in der Landschaft: die Beine vieler Models - und die Models selbst. (Foto: Foto: AP)

Dennoch kommen immer mehr Frauen mit dem Druck, schlank sein zu müssen, nicht zurecht und rutschen ab in die psychische Krankheit, in die Esstörung. Reaktionen wie die beschriebene werden zum alltäglichen Begleiter, die Ernährung zum Dauerproblem. Etwa 100.000 Menschen sind in Deutschland von Essstörungen betroffen, davon 90 Prozent Frauen, zwischen 15 und 35 Jahre alt. Am weitesten verbreitet sind die Magersucht und die Ess-Brech-Sucht.

Derartige Entwicklungen verlangen nach Schuldigen. Wer ist dünn und trotzdem Vorbild tausender junger Mädchen? Die Frage liegt auf der Hand, und mit ihr scheinbar auch die Antwort: Schuld sind die Models, die seit Twiggy nun wieder aussehen wie Striche in der Landschaft und Dank altbewährter "Kippen, Koks und Cola" -Diät auch weiterhin kein Gramm zunehmen.

So weit die Vorurteile: Mit den daraus resultierenden Problemen setzt sich nun Gesundheitsministerin Ulla Schmidt auseinander. Auf der Modemesse "Igedo Fashion Fair" spricht sie mit Verantwortlichen in der Branche über den Schlankheitswahn. "Viele der Betroffenen eifern Schönheitsidealen nach", sagte die Ministerin. "Erfolg ist immer noch mit Schlankheit verbunden."

Das Schönheitsideal als Mediendiktat

Das Schönheitsideal diktiert aber nicht nur die Modebranche - im Gegenteil: Mit halbnackten, stromlinienförmigen Frauen wird heutzutage auch für Aspirin und Autoreifen geworben. Schöne und vor allem schlanke Frauen sind überall präsent. Outfit und Aussehen weden in allen Berufsfeldern immer wichtiger, selbst Politikerinnen wie Angela Merkel bekommen das zu spüren. Man vergleiche nur Merkel-Fotos von vor zehn Jahren mit aktuellen.

"Darum sind vor allem die Medien in der Verantwortung", meint Torsten Fuhrberg vom Verband lizenzierter Modellagenturen. Der Geschäftsführer der Igedo Company, Frank Hartmann, betont, Essstörungen seien ein "gesamtgesellschaftliches Problem", nicht nur das der Modeindustrie.

Die deutsche Modebranche sucht die Gründe für den Schlankheitswahn ohnehin nur bedingt bei sich. "Bei uns ist 40/42 die bestverkaufte Größe", sagt der Hauptgeschäftsführer des Modeindustrieverbands German Fashion, Thomas Rasch. "Da wäre es ja geradezu dämlich, das Bild eines Magermodels zu transportieren."

Ein Großteil der deutschen Frauen entpricht wohl doch mehr dem Bild des zerknirschten Vollweibs nach der Weihnachtsfresserei. Die Kleidergrößen um die 40 werden auch bei dieser "Igedo Fashion Fair" in Düsseldorf von den deutschen Einzelhändlern am häufigsten eingekauft werden. Der Frust über die Figur ist nicht so groß, wenn Frau sich das bewusst macht.

Der Meinung ist auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. "Wir müssen Kinder und Jugendliche stark machen - so wie sie sind", sagt sie und appelliert an ihre Gesprächspartner aus der Branche. "Essstörungen wie Magersucht und Bulimie sind keine Bagatelle, sondern ein ernstzunehmendes Problem." Deswegen will die Bundesregierung nun mit der deutschen Modebranche zusammenarbeiten, um dem gesundheitsschädlichen Trend entgegenzuwirken.

Die Mode-und Modelverbände sicherten der Politikerin zu, an einem "Kodex gegen den Schlankheitswahn" mitzuarbeiten. Angeblich gäbe es diesen auch schon bisher." Er besagt, dass die Designer schon bei ihren Entwürfen auf dem Papier im Kopf haben, dass sie keine `Striche in der Landschaft´ zeichnen sollen."

Bleibt die Modebranche im Ausland. Die namhaften Designer in Paris und Mailand werden ihre Modelle wohl auch weiterhin an superschlanken Models präsentieren. Und der Einfluss der Mode auf das jeweilige Frauenbild ist kaum zu bestreiten. "Die Mode übt ihren Einfluß nicht bloß auf Hüte und Röcke aus, sondern auch auf das, was darunter ist", sagte der Erzähler Johann Jakob Mohr schon zur Mitte des 19. Jahrhunderts.

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