Feldversuch (19):Das große Acker-Bankett

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Zum Ende der Ackersaison sollen alle Zweifler ruhig gestellt und alle echten Freunde entschädigt werden. Leider müssen die Gastgeber ihr Pech in Gin ertränken.

Max Scharnigg

Schon länger schleppten wir an einer netten Idee: Zum Ende des Ackerwahnsinns sollte es ein kleines Festbankett geben, für alle Spötter und Zweifler und jene, die eine Entschädigung dafür verdient hatten, dass wir ihnen ständig die Ohren mit Ackergeschichten statt mit Lifestyle-Tratsch auffüllten.

So sieht ein klassischer Eintopf aus. Der Eintopf unseres Autors kommt ohne Kartoffeln aus. Und ohne Karotte. Und sogar ohne Speck. (Foto: Foto: ddp)

Bei diesem Essen sollten nur Naturalien vom Feld verwendet werden, das war der Anspruch. Seit Monaten hatten das liebe Fräulein und ich auf den Einrückfahrten darüber nachgedacht, was für ein Gericht das nun sein konnte. Ein Rohkostbüffet, wie es meine Mutter vorgeschlagen hatte, kam nicht in Frage, obwohl es das Ehrlichste gewesen wäre. Wir wollten aber die Herren und Damen Stadtmenschen von der glamourösen Erotik der Kleinlandwirtschaft überzeugen und keinesfalls Bio-Strickpullover-Vorurteile nähren. Das Problem dabei: Rindercarpaccio und Langusten hatten wir nun mal nicht geerntet, nur Karotten, Sellerie, Kartoffeln, Zwiebeln und Thymian.

Irgendwann im August sagte das liebe Fräulein dann: "Eintopf." Das war nicht übel. Eintopf hat zwar nicht gerade einen divenhaften Leumund, lässt sich aber großartig als Event verkaufen. Sagt mein Eventberater. Ich sah damals schon vor mir, wie sich alle um einen riesigen Kessel scharen und ich in großzügiger Hausherrengeste noch eine zusätzliche Karotte hineinschnipple...

Die Sache mit dem Kartoffel-Trauma

Am vergangenen Sonntag war es soweit. "Erntedank-Eintopfessen" hatte das liebe Fräulein auf die Einladungskarten geschrieben und alle hatten zugesagt, bis auf meinen Freund Julian, der als Kind mal im Kartoffelkeller eingesperrt war und seitdem klaustrophobische Traumata durchlebt, sobald er einer Kartoffel ansichtig wird.

Das Fräulein hatte in einem Kraftakt unsere ganze Wohnung mit Blumen ausgepolstert, so dass später jene, die im allgemeinen Drängen und Schieben zu Boden gingen, weich fielen und nach Dahlie dufteten. Ich stand seit acht Uhr morgens in der Küche und zerstückelte unser Grünzeug, es duftete herrlich nach frischen Schalotten und Sellerie. Fehlte noch die Hauptsache: Die Kartoffeln und Karotten, die wir vor einigen Wochen in unseren Keller eingelagert hatten.

Als ich die Treppe hinunter stieg, war der Herrlichduft der Küche einem schweren Keller-Moder gewichen. Als ich in unseren Kellergang einbog, war der Moder schon eine veritable Fäulnis. Ich stürzte an unser fachmännisch-luftig gebautes Kartoffelregal und sah auf und fasste in: verfaulte Kartoffeln. Es roch unsäglich. Ein Korb war völlig hinüber, der andere zum Glück noch einigermaßen brauchbar.

Die nächste Überraschung wartete am Sandfass, in dem wir unsere Karotten eingelagert hatten, so wie es die Menschen seit Jahrhunderten machten. Das Fass erfreute sich üppiger Vegetation, die Karotten waren nicht untätig gewesen, sondern hatten im Sand gekeimt und wuchsen zügig Richtung Kellerdecke. Das waren Tiefschläge, die dazu führten, dass das Fräulein und ich schon Schnaps tranken, bevor die ersten Gäste eintrafen. Aber ein bisschen Gin schadet keinem Eintopf.

Rühren im Pilsensee

Haben Sie übrigens schon mal für 25 Leute Eintopf gekocht? Es ist als müsste man in seiner Küche den Pilsensee umrühren! Vom Vater des lieben Fräuleins hatten wir einen THW-Topf ausgeliehen, aus dem sonst im Katastrophenfall ganze Landstriche verköstigt werden. Er passte genau auf alle vier Platten unseres Herdes und ich stellte mich zwecks besserer Übersicht zum Kochen auf einen Stuhl.

War das ein Hallo als die Gäste kamen! Und alle hatten Blumen mitgebracht, die das liebe Fräulein mit süßsaurer Miene im Putzschrank verschwinden ließ. Ich verteilte von meinem Kochstuhl aus kleine Kostproben und erzählte Acker-Schwänke wie ein Jahrmarktschreier. Schließlich stellten sich die Gäste, Suppenteller voraus, in eine lange Schlange, deren Ausläufer bis in unsere Badezimmer reichten und ich schwappte den Ackereintopf in die Teller.

Bis auf den Gin waren wirklich nur Ackerprodukte darin. Und was soll ich sagen: die Wände hallten wieder vom Lob und Preis der Gäste. Nur irgendjemand in der zweiten Reihe bemängelte das Fehlen von Speckstreifen. "Hoho" machte ich, "Wir haben halt noch kein Schwein!".

Das war ein Fehler, denn sofort steckte die Clique unserer Eltern die Köpfe zusammen. Aus dem anhebenden Getuschel hörte ich die Worte "Weihnachten", "Ferkel mit Schmuckschleife drumherum" und "perfektes Geschenk" deutlich heraus.

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