Ernährungsprobleme:Besser Milch als Soja

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Grummeln im Bauch, Schmerzen, Durchfall oder Übelkeit nach einem Becher Milch: Menschen, die keine Milch vertragen, kennen die Symptome nur zu gut. Doch selbst Kinder mit Laktoseunverträglichkeit sollten nicht völlig auf Joghurt und Käse verzichten.

Felicitas Witte

Grummeln im Bauch, Schmerzen, Blähungen, Durchfall oder Übelkeit nach einem Becher Milch: Menschen, die keine Milch vertragen, kennen die Symptome nur zu gut.

Auf Milchprodukte sollte nicht völlig verzichtet werden. (Foto: Foto: dpa)

Eltern, die bei ihren Kindern eine Milchunverträglichkeit vermuten, greifen häufig zu Ersatzprodukte wie Sojamilch.

Doch Kinderärzte in den USA vom Committee on Nutrition der American Academy of Pediatrics rieten kürzlich, dass Kinder und Jugendliche selbst bei einer nachgewiesenen Milchunverträglichkeit Milchprodukte zu sich nehmen sollten - ansonsten würden die Heranwachsenden nicht ausreichend mit Kalzium versorgt und bekämen später eher Knochenbrüche oder eine Osteoporose ( Pediatrics, Bd. 118, S. 1279, 2006).

Um den Milchzucker (Laktose) in der Milch zu verdauen, braucht der Körper das Enzym Laktase. Es spaltet die Laktose in die beiden Zucker Glukose und Galaktose, die dann über die Darmschleimhaut aufgenommen werden. Fehlt Laktase, kommt es zu den beschriebenen Symptomen.

Laktasemangel meist erworben

Nur sehr wenige Kinder haben von Geburt an keine Laktase: "Etwa eines von 60.000 Neugeborenen hat einen angeborenen Laktasemangel", sagt Klaus-Peter Zimmer, Vorsitzender der Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung. Häufiger sei der Laktasemangel erworben. Hierbei verliert der Körper die Fähigkeit, das Enzym in ausreichender Menge zu bilden.

Der primäre Laktasemangel ist das Ergebnis genetischer Selektion: Bei Europäern, die viele Milchprodukte zu sich nehmen, ist er mit etwa zwei bis fünf Prozent relativ selten, in anderen Gegenden der Erde, wo nur wenig Milchprodukte verzehrt werden, kommt er bei 70 bis 90 Prozent der Menschen vor.

Wie häufig der sekundäre Laktasemangel ist, bei dem etwa Infektionen im Darm die Zellen zerstören, die Laktase bilden, weiß niemand genau. Von diesen Formen der Milchunverträglichkeit muss man die Kuhmilchallergie unterscheiden: Hierbei entwickelt der Körper eine Allergie gegen das Eiweiß in der Milch. Etwa zwei bis fünf Prozent der Neugeborenen haben diese Allergie in den ersten drei Monaten, die Symptome verschwinden aber meist im ersten Lebensjahr.

Kinder mit einem angeborenen Laktasemangel haben schon Beschwerden, sobald sie Muttermilch trinken. Der sekundäre Laktasemangel entwickelt sich später, zusammen mit der zugrunde liegenden Krankheit.

Wie stark die Symptome sind, hängt davon ab, wie viel Milchprodukte in welcher Form man zu sich nimmt, wie viel Laktase der Körper noch bildet - und anscheinend auch vom subjektiven Empfinden des Betroffenen:

In einer verblindeten Studie mit 42 Erwachsenen, die entweder zwei Gläser herkömmliche Milch oder laktosefreie Milch tranken, beschrieben die Studienteilnehmer ähnliche Beschwerden, egal welche Milch sie tranken und egal ob sie nach eigenen Angaben unter einer Milchunverträglichkeit litten oder nicht.

Atemtest empfohlen

Ob jemand wirklich unter einem primären Laktasemangel leidet, lässt sich gut feststellen: Ernährt sich der Betroffene zwei Wochen lang laktosefrei, sollten die Beschwerden verschwinden und wieder auftreten, sobald er wieder Milchprodukte zu sich nimmt. In unklaren Fällen kann ein Atemtest durchgeführt werden.

Dabei nimmt der Patient eine bestimmte Menge Laktose ein. Nach einer Stunde wird in der ausgeatmeten Luft die Menge an Wasserstoff gemessen. Denn wenn das Enzym Laktase fehlt, bauen Darmbakterien den unverdauten Milchzucker ab, wobei Wasserstoff entsteht.

Der Test ist allerdings nicht immer zuverlässig. Zur Diagnose eines sekundären Mangels hingegen ist oft eine Darmspiegelung oder eine andere Untersuchung notwendig, um die Grundkrankheit zu finden.

Doch auch wenn ein Laktasemangel nachgewiesen ist, raten die Experten nun zum Verzehr von Milchprodukten. "Kinder mit primärem Laktasemangel tolerieren häufig kleine Mengen von Milch", so Melvin Heyman vom Committee for Nutrition. Milchprodukte seien wichtig für Kinder - gerade in Wachstumsphasen.

"Wir wissen aus Studien, dass Kinder, die einen Laktasemangel haben und auf Milchprodukte verzichten, weniger Kalzium aufnehmen, als sie für den Knochenaufbau brauchen", sagt Heyman. Man sollte deshalb auf Milch nur verzichten, wenn es wirklich sein muss.

Ein oder zwei Gläser ohne Beschwerden

Viele Kinder können ohne große Beschwerden ein oder zwei Gläser Milch pro Tag trinken. Oder zumindest Lebensmittel essen, in denen Milch enthalten ist: "Manche Menschen vertragen zwar Milch nicht so gut, aber dafür Joghurt, Milchschokolade, Milcheis oder Käse", weiß Heyman.

Die Experten empfehlen, mehrere kleinere Portionen über den Tag zu verteilen. Wichtig sei, sich über den Kalzium- und auch über den Vitamin-D-Gehalt der Nahrungsmittel zu informieren, denn das Vitamin fördert die Aufnahme von Kalzium.

Auch die Menge an Laktose ist in den einzelnen Produkten sehr unterschiedlich. So sind in einer Tasse Milch zwar 0,28 Gramm Kalzium, aber auch 12,8 Gramm Laktose. 30 Gramm Schweizer Käse enthalten dagegen 0,23 Gramm Kalzium, aber nur 0,02 Gramm Laktose.

"Pro Tag sollte man je nach Alter 0,2 bis 1,3 Gramm Kalzium und 200 internationale Einheiten Vitamin D zu sich nehmen", rät Klaus-Peter Zimmer. Die Ernährungsexperten weisen auch auf versteckte Laktosequellen in Brot, Cornflakes, Backmischungen, Margarine, Fertigsaucen, Süßigkeiten oder Chips hin.

Diese müssen Menschen mit einer Unverträglichkeit bei der Berechnung der täglich aufgenommenen Laktose berücksichtigen. Laktosefreie Produkte lehnen die Experten der American Academy of Pediatrics ab. Nur extrem unterernährte Neugeborene könnten von einer laktosefreien Ernährung profitieren.

Mütter sollten auf jeden Fall ihre Kinder stillen. "In den seltenen Fällen, in denen eine milchfreie Ernährung notwendig ist, sollte man Kalzium ersetzen oder Milch unter Zugabe von künstlich hergestellten Laktasepräparaten zu sich nehmen", rät Zimmer.

© SZ vom 20.09.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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