Eine Woche ohne ... Computerspiele:Spiel mit mir!

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Ein paar Tage ohne Daddeln, das kann doch nicht so schwer sein. Kann es doch, wenn die Konsole beleidigt ist und Spiele ein Eigenleben entwickeln.

Rudolf Inderst

Eine Woche ohne Xbox? Auf was habe ich mich da nur eingelassen? Verrat an einer Passion, der ich seit einem Vierteljahrhundert fröne! Freunde und Bekannte schütteln den Kopf. Ihre Blicke sagen mir deutlich, was sie von meinem Feldversuch halten. Klarer Fall von verfrühter Midlifecrisis oder gezielte Lust auf Seelenpein? Ach was! So schwierig kann das wohl nicht sein. Eine Woche, sieben Tage, 168 Stunden.

Der "Master Chief" aus dem Spiel "Halo 2" wird böse, wenn man ihn nicht beachtet. (Foto: Foto: dpa)

Klar ist auch, dass ich mich voll und ganz auf das Experiment einlassen werde. Keine Tricks oder semantische Spielereien! Keine Xbox heißt auch: keine PlayStation, keine Wii, keine Handygames, keine Spiele auf dem PC. Digitale Spiele sehen mich erst nach Ablauf der einen - der schlimmen - Woche wieder.

Montag

Es geht mir gut, mir fehlt nichts! So denke ich und richte mich im Bett auf - und schon fällt mein Blick auf den Spielehaufen, den ich gestern gegen 23:55 Uhr als Symbol mit Wirkmacht gezielt in der Mitte des Raums platzierte. Es geht mir gut. Dank vieler Termine komme ich erst gegen halb elf abends nach Hause und gehe einfach schnell ins Bett. Tag eins ist geschafft.

Dienstag

Ich erwische meine rechte Hand, wie sie beim Verlassen des Hauses den Nintendo DS umklammern möchte. Ich verbiete es ihr nachdrücklich. Das ging noch mal gut. Wenig später lese ich in der Arbeit hämische Mails von Freunden, die sich nach dem Spiele-Patienten erkundigen. Wer solche Freunde hat, denke ich mir, und starre mürrisch an die Zimmerdecke. Eine Einladung zu einem Spieleabend lehne ich am Nachmittag erzürnt ab. Alles halb so schlimm, mir geht es, na ja, es geht schon.

Mittwoch

Der Spielestapel in meiner Wohnung beginnt ein verhöhnendes Eigenleben. Manchmal höre ich ihn leise flüstern: "Spiel mit mir!" Ich beschließe, ihn nicht nur zu ignorieren, sondern durch alternative Mediennutzung (CDs und Fernsehen) zu bestrafen. Meine Freundin sagt, ich mache einen gereizten Eindruck. Seltsam.

Donnerstag

Ich beginne, die Kinder im Kaufhaus an den Spielekonsolen zu beneiden. Dieser fragwürdige Zustand wird nicht besser, als ich die Einladung zu einer Produktpräsentation einer PR-Agentur für Computerspiele ausschlagen muss, nur um dieser verdammten, ich meine, dieser sinnvollen Übung in Disziplin gerecht zu werden. Den Stapel baue ich in der Nacht ab. Er ist mir unheimlich geworden.

Freitag

Ich entwickle eine Persönlichkeitsspaltung. Keine richtige, es ist viel schlimmer. Wie guter Bulle und böser Bulle wollen die beiden in meinem Kopf nämlich dasselbe: Mich verführen! Sie versuchen es mit schmutzigen Tricks. Zum Beispiel meinen sie, es sei in Ordnung, sich im Internet Spielszenen und Trailer neuer Titel anzusehen. Dass das kostenlose Browserspiel nur einen Klick entfernt ist, verschweigen sie jedoch geschickt - da werde ich schon selbst draufkommen, meinen sie. Feiste Bande!

Samstag

Ich bin weich geworden! Aber nicht völlig. Ich habe kein Spiel gespielt! Nur eines gekauft, eigentlich zwei. Und ein drittes. Für einen Freund, ehrlich! Meine Freundin sieht mich vorwurfsvoll an, als ich die Plastikhülle der Spiele gedankenverloren zärtlich minutenlang streichle. Ich empfinde den Staub auf meiner Xbox zu Hause als Demütigung. Das sage ich auch laut. Zum Glück hört es keiner.

Sonntag

Nicht, dass ich die Minuten zählen würde. Das wäre ja eine, wie soll ich sagen, Zwangshandlung. Ich sehe lediglich interessiert den Zeigern der Uhr beim unverschämt langsamen Wandern im Kreis zu. Ich habe die Xbox auch nur deswegen schon angemacht, weil sie Zeit braucht, um warm zu werden. Es ist 9:30 Uhr morgens. Und ich bin verzweifelt. Den Ikea-Katalog kenne ich schon auswendig, und ich überlege, ob ich zur letzten Ablenkung greifen soll, die mir noch bleibt. Das Bad putzen. Nein, so aussichtslos kann die Lage nicht sein. Mit einer Familienpackung Eis und ein paar englischen Spielezeitschriften, die ich für sündhaft teures Geld am Hauptbahnhof erwarb, rette ich mich über den Nachmittag.

Dann ist endlich Mitternacht. Als ich um 0:01 Uhr den Controller der Spielekonsole wieder in die Hand nehmen darf, wundern sich die Nachbarn schließlich über lautes Gebrüll männlicher Freude. Ach, was wissen die schon?

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