Alkohol und Tabak zählen zu den Top-Ten der gefährlichsten Drogen. Sie sind für die Gesundheit der Konsumenten und für die Gesellschaft gefährlicher als die verbotenen Stoffe Cannabis, LSD und Ecstasy, berichtet der Pharmakologe David Nutt von der Universität von Bristol im Fachjournal Lancet (Bd.369, S.1047, 2007).
Das Ranking wird angeführt von Heroin, gefolgt von Kokain, Schlafmitteln der Barbiturat-Klasse und nicht für therapeuthische Zwecke eingesetztem Methadon. Alkohol folgt vor allem wegen der körperlichen Langzeitschäden auf Platz Fünf, Nikotin auf Platz Neun.
40 britische Psychiater, Epidemologen, Chemiker und Forensiker beurteilten neun verschiedene Gefahren des Missbrauchs von legalen und illegalen Drogen. Zu den Kriterien gehörten körperliche Schäden, wie etwa der plötzliche Tod durch Atemdepression bei Heroinmissbrauch, die Stärke des Abhängigkeitspotentials, Folgen für das soziale Umfeld, sowie öffentliche Gesundheitskosten.
Aus den Punktewerten der Spezialisten erstellte Nutt eine Rangliste, die sich stark von behördlichen Klassifikationen unterscheidet: "Dass der Konsum von Alkohol und Nikotin legalisiert ist, erscheint aus wissenschaftlicher Sicht vollkommen beliebig", kritisiert Nutt: "Das derzeitige System ist durch und durch krank."
Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums und der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen bestätigen die Gefährlichkeit der legalen Stoffe mit Suchtpotential, die allerdings auch von viel mehr Menschen konsumiert werden als sogenannte harte Drogen: Alkoholmissbrauch fordert in Deutschland 42.000 Tote pro Jahr, an den Folgen des Rauchens sterben sogar 110.000 Personen jährlich.
Dem stehen 1326 Menschen gegenüber, die im vergangenen Jahr am Konsum illegaler Drogen starben. "Die Gefahren des Konsums von Alkohol und Nikotin werden völlig unterschätzt", sagt Andreas Heinz, Direktor der Klinik für Psychiatrie der Berliner Charité: "Betrachtet man allein medizinische Kriterien, müsste Nikotin auf Platz Eins und Alkohol auf Platz Zwei der Liste stehen."
Angesichts dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse regt Nutt eine Diskussion der behördlichen Bestimmungen an: "Sie sollten in Zukunft auf sachlichen Beurteilungen und nicht auf Vorurteilen und Annahmen basieren." Nutt glaubt, dass ein Klassifikationssystem, bei dem Experten die Gefahren einschätzen, transparenter und geeigneter sei.
Das Bundesgesundheitsministerium nimmt die neue Studie ernst und will sie nun auf ihre wissenschaftliche Stichhaltigkeit prüfen. Sollte man sich daraufhin dazu entscheiden, einzelne Suchtmittel in ihrer Gefährlichkeit umstufen wollen, müsste dies jedoch auf internationaler Ebene geschehen, heißt es aus dem Ministerium. Gelegenheit dazu bietet sich erst wieder im nächsten Jahr, wenn der Suchtstoff-Kontrollrat der UNO tagt.
Inzwischen fordern Ärzte, den Zugang zur Behandlung von Abhängigkeit von legalen Drogen zu verbessern: "Es ist nicht gerechtfertigt, dass die Krankenkassen die Behandlungskosten von Nikotin-Abhängigen nicht tragen", so Heinz, "Das hat mit medizinischen Erkenntnissen nichts zu tun."