Sie tragen T-Shirts aus Bio-Baumwolle mit der Aufschrift "Care or die", lesen Bücher mit Titeln wie "Shopping hilft die Welt verbessern" und sind immer über die neuesten Eco-Trends informiert. Als Neo-Ökos verstehen sie sich - die Bio-Fanatiker der zweiten Generation. Jetzt bezeichnet eine Studie die engagierten Weltverbesserer als "unpolitisch", "ich-bezogen" und "konservativ".
"LOHAS - Mythos und Wirklichkeit" ist der Titel der Studie, die das Strategiebüro &EQUITY im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und dem Beratungsunternehmen Stratum durchgeführt hat. Es ist der Versuch, eine Zielgruppe genauer zu definieren, die schon seit rund acht Jahren die Marketing-Abteilungen beschäftigt. Es ist die Suche nach dem Schlüssel zur grünen Seele, hinter der viele Unternehmen einen Dukatenesel vermuten. Rund 12,5 Millionen Menschen in Deutschland zählen laut einer früheren Erhebung bereits zu den potentiellen Anhängern des Lebensstils. 12,5 Millionen potentielle Kunden, die es zu erobern gilt.
Die Studie ist Teil des Projekts "Die Marke Nachhaltigkeit", in dem es langfristig darum gehen soll, Zielgruppen und Märkte für eine effektive Nachhaltigkeitskommunikation zu analysieren. Stratum beschreibt Lohas zusammenfassend als "unauffällig normal und schwer erreichbar für die Protagonisten der Öko-Aufklärung als auch für die Kapitalisierung durch das Lifestyle-Marketing". Die Suche nach Authentizität sei ein wesentlicher Trend in der Einstellung des Konsumenten. Letztendlich müssten Öko-Themen zu Ego-Themen gemacht werden, um diese Zielgruppe zu erreichen.
Wer sind Lohas?
Lohas, das Akronym für "Lifestyle of Health an Sustainability", bedeutet frei übersetzt: "Lebensstil auf der Basis von Gesundheit und Nachhaltigkeit". Der amerikanische Soziologe Paul Ray beschrieb das Phänomen zum ersten Mal im Jahr 2000 in seinem Buch "The Cultural Creatives: How 50 Million are changing the World." Gefördert durch Diskussionen über Klimaschutz, Naturkatastrophen und Genmanipulation, wuchs die anfänglich kleine Gruppe von "Kulturkreativen" zu einer neuen großen Zielgruppe heran.
Eine Zielgruppe, die aktiv in den Markt eingreifen möchte und mit ihrem Konsum eine Verbesserung der Welt für nachfolgende Generationen erreichen will. Der Lohas-Weg soll zu transparenteren Unternehmen führen, die fair und umweltbewusst handeln. Dabei sind sie jedoch weniger politisch-ideologisch als vielmehr sinnlich-ästhetisch orientiert. Es geht nicht um Verzicht, sondern um Genuss mit gutem Gewissen.
Auf der nächsten Seite: Wie man die Gunst der "Neo-Ökos" gewinnt.
Altersmäßig kann man die Lohasianer, so werden sie in der Wissenschaft genannt, in zwei Gruppen unterteilen: Die über 60-Jährigen, mit einer mittleren bis höheren Schulbildung und einer durchschnittlichen Kaufkraft und die jüngeren "Community-Lohas", mit einer höheren Schulbildung und überdurchschnittlichen Kaufkraft. Sie organisieren sich in Internet-Portalen wie Karmakonsum.de und dem dazugehörigen Blogg Konsumguerilla, auf lohas.de oder Utopia.de. Hier führen Konsumenten und Unternehmer einen regen Diskurs.
Nur wer die Ziele der Lohasianer kennt, gewinnt auch ihre Gunst. Doch wehe dem, der hier den unmittelbaren Vergleich zu den birkenstocktragenden Körnerfressern und "Atomkraft. Nein, Danke!"-Gegnern der achtziger Jahre zieht. Obwohl sich die neuen Ökos den "Nachhaltigkeits"-Begriff aus der Forstwirtschaft abgeguckt haben - dort bedeutet er Bäume zu fällen und ebenso viele aufzuforsten, damit das ökologische Gleichgewicht gehalten wird - handelt es sich doch um moderne und weitverbreitete Lebensentwürfe. Der Soziologe Thomas Perry vom Heidelberger Marktforschungsinstitut Sinus Sociovision, beschreibt den Unterschied zu früher so: "Die Lohas haben das Asketische hinter sich gelassen und verknüpfen Nachhaltigkeit mit einem hedonistischen Element."
Heuchlerische Lohas
Der Hedonismus ist es dann auch, worauf sich die &EQUITY-Studie stürzt. "Lohas sind wie Pharisäer und den Pharisäer an sich mag man nicht", sagt Dr. Cordula Krüger, Geschäftsführerin des Büros und Leiterin der Studie. Harte Worte für eine augenscheinlich friedvolle und harmoniebedürftige Bewegung. "Sie bringen keine Opfer", kritisiert sie. Ein bisschen Mülltrennung, ein paar Einkäufe im Bio-Supermarkt - das täten andere schließlich auch.
Der Lohas-Anhänger gebe zwar an, Eier nur von glücklichen Hühnern kaufen zu wollen, nach Möglichkeit mit der Bahn zu fahren und Öko-Strom zu beziehen, doch wie so oft sei der Geist willig und das Fleisch schwach. Der Vorsatz sei zwar löblich, doch es nütze nicht viel, wenn nichts davon umgesetzt werde. "Die Zielgruppe tut nur Sachen, von denen sie als Individuum einen persönlichen Nutzen hat". Bio-Tomaten schmeckten einfach besser als genmanipulierte und Erdgas als Autoantrieb sei wesentlich günstiger als Benzin.
Krüger stützt sich auf die Berichte, Testergebnisse und Erfahrungswerte von rund 250 Probanden. "Das ist nicht repräsentativ, deshalb sehe ich die Studie eher kritisch", sagt Christoph Harrach, Gründer von Karmakonsum.de. Täglich greifen rund 1000 Leute auf seine Seite zu. Nach dem Motto "Do good with your money", berichten Harrach und sein Partner Noel Klein-Reesink über Neuigkeiten in der Öko-Szene. Die T-Shirt-Kampagne "Care or die" des Berliner Labels Ecofashionjunkies findet hier ebenso Platz wie die neuen Solarplatten auf dem Dach der Audienzhalle im Vatikan, die Papst Benedikt XVI. eingeweiht hat.
Auf der nächsten Seite: Warum sich die Lohasianer für "verarschungsresistent" halten.
Unter den Karmakonsum-Lesern löste die Studie heftige Proteste aus. Sie könnten nicht nachvollziehen, warum &EQUITY sie als unpolitisch, ich-bezogen und konservativ darstelle, sagt Christoph Harrach. "Der Lifestyle of Health and Sustainability ist ein ständiger Prozess und kein Status quo." Fast jeder Haushalt habe schließlich schon mal Bio-Produkte gekauft, das alleine mache aber noch keinen nachhaltigen Konsumenten aus.
Einstieg aus egoistischen Motiven
"Der Einstieg ist immer egoistisch motiviert. Entscheidend ist doch, dass ein Anfang gemacht wird!" Sobald man sich aber damit beschäftige, wie die Konsumgüter hergestellt würden, unter welchen Arbeitsbedingungen zum Beispiel Baumwolle geerntet werde und durch welche Hände die Kleidungsstücke gingen, die daraus hergestellt werden, sei der Grundstein für nachhaltigen Konsum gelegt.
Von diesem Moment an habe der Kunde die Möglichkeit, auf den Kauf zu verzichten oder eben nicht. "Öko-Strom-Anbieter melden Kunden-Zuwächse, dabei ist es derselbe Strom, der aus der Steckdose kommt. Wo ist da der hedonistische Ansatz, frage ich mich", entrüstet sich der überzeugte Lohasianer Harrach.
Um die Gemeinde zu erweitern, verantstaltete Christoph Harrach bereits zwei Tagungen seines Internet-Portals. An drei heißen Tagen im Juni kamen 350 Teilnehmer im nichtklimatisierten, ökologischen Zentrum in Frankfurt zusammen, um sich über Umwelt-Innovationen zu informieren. Auf Jagd nach Konsumguerilleros, geht er auch mit dem Karmakonsum-Rap, der Liedzeilen enthält wie: "Wir verlangen heute Transparenz und Offenheit" oder "Wir sind eine neue Weltmacht und wollen einfach wissen, wer mit uns sein Geld macht".
Verarschungsresistente Zielgruppe
Der Vorteil an Online-Publikationen sei, dass man sich unmittelbar über wirtschaftliche Tendenzen austauschen könne, sagt Christoph Harrach. Zumindest dahingehend, dass Vertriebswege und Produktionsabläufe transparenter werden. So könne man Unternehmen boykottieren, die nicht fair handeln und dadurch Druck auf die Wirtschaft ausüben. Solche Informationen verleihen Macht, und allzu gerne klopfen sich die Lohasianer auf die Schultern und beglückwünschen sich zu ihrem Status der "verarschungsresistentesten Zielgruppe".
Für Unternehmensberaterin Dr. Cordula Krüger ist das blanker Hohn. Sie sagt: "Die wollen doch verarscht werden!" Der gesamte Lifestyle sei eine einzige harmoniebedürftige Inszenierung. Die Zielgruppe wolle gar nicht aufgeklärt werden. "Mit einer radikal empfängerorientierten Kommunikation, die sagt: 'Tu was! Mach was!' sind sie glücklich und fühlen sich einbezogen." Das beste Beispiel sei die Krombacher-Werbung zur Rettung des Regenwaldes: Ein Kasten Bier für einen Hektar Regenwald und einen glücklichen Günther Jauch. Tiefenpsychologisch sei das eine wunderbare Kampagne. Der Lohasianer wolle schließlich Gutes tun, wenn man es ihm leichtmacht. "Die Chance als Gutmensch zu agieren, soll ihm wie eine gebratene Taube ins Maul fliegen."