Die Daunenjacke:Halb Bett, halb Panzer

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Das massive Auftreten der Daunenjacke in verschiedenen aktuellen Kollektionen passt exakt zu dieser ungewohnt frostigen Stimmung in Deutschland.

Alexander Runte

Unter allen Jahreszeiten ist der Winter ästhetisch betrachtet womöglich die schwierigste Saison. Es gibt ganz klare äußerliche Zwänge - Daisy vor der Haustür, zugefrorene Gehsteige und Schneeverwehungen auf dem Weg zur Arbeit -, die unmissverständlich die Form der Funktion unterordnen. Saukalt ist es also, und man will ja nicht erfrieren.

Einst fühlte man sich in einer Daunenjacke wie ein Michelinmännchen. In diesem Modell fühlt sich der Träger wie in St. Moritz. (Foto: Foto: Moncler)

Da Pelz aus unterschiedlichen Gründen ausscheidet, und auch die gute alte Übergangsjacke den Gang unter Nullgraden nicht mehr mitmacht, muss etwas anderes her: die Daunenjacke, deren massives Auftauchen diesen Winter in verschiedenen Kollektionen gerade recht zu dieser ungewohnt frostigen Stimmung in Deutschland passt. Ist die Daunenjacke doch halb Bett, halb Panzer.

Natürlich gibt es vermutlich Überraschenderes als Daunenjacken im Winter. Und es soll auch vereinzelt Fälle geben, in denen eine Daunenjacke nicht mehr als eine Daunenjacke ist, etwa am Schnee schippenden Hausmeister.

Diesen Funktionsdaunenträger dürfte es wenig interessieren, wenn sich die Daunen wie Ringel um seinen Körper legen, sodass sich wirklich jeder phänotypisch dem in diesem Zusammenhang berüchtigten Michelinmännchen annähert. Doch der aktuelle Daunenhype verdankt sich vor allem der Tatsache, dass Daunenjacken jetzt eben nicht mehr wie Daunenjacken aussehen.

Schuld daran sind die Italiener, die Cortina d'Ampezzo und St. Moritz in die Innenstädte holen. Vorreiter Moncler schneidert die farbenfrohen und bis zu 1000 Euro teuren Parkas schmal und tailliert auf die Hüfte, als seien es Lederjacken.

Peuterey fügt etwa Gürtel hinzu, während Woolrich - in Zeiten der Globalisierung ebenfalls eine italienische Firma - Schneeparkas entwirft, die mit Hilfe des Pelzkragens an der Kapuze jedem klarmachen dürften, dass es sich hier um Jacken handelt, die auch noch in Arktis und Antarktis warmhalten. So sehen S-Bahnen und Fußgängerzonen aus, als ob eine Polarforscher-Expedition auf einen fröhlich-bunten Schmuckdesignerinnenkongress aus Kitzbühel treffen würde.

Die Frage ist nur: warum? Hier kommt das Achtziger-Jahre-Revival ins Spiel, bei dem wir mittlerweile in der Subszene der Paninari angekommen sind, einem Mikrokader der Popperbewegung, Sektion Mailand, die in der ersten Hälfte der 1980er vom permanenten Abhängen vor dem Sandwichladen "Il Panino" ihren Namen erhielten. Als ordentliche Preppies trugen sie Moncler-Daunenjacken zu hochgekrempelten Jeans und Wayfarer-Sonnenbrillen, was sie so gut machten, dass die Pet Shop Boys ihnen 1986 den Song "Paninaro" widmeten. Sie waren die Ersten, die die Daunenjacke in der Stadt trugen, als Zeichen dafür, dass Arbeit am Ende auch nur die Zeit zwischen zwei Skiausflügen ist.

© SZ vom 16.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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