Debatte um Magermodels:Es bleibt ein Knochenjob

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Die Zeitschrift Brigitte will Magermodels abschaffen - an den Gesetzen der Branche wird das nichts ändern.

Claudia Fromme und Peter Bäldle

Nicht weniger als eine "Revolution" soll es sein, eine "neue Epoche" sogar. Ein System soll gestürzt werden: das Magermodelsystem. Die Brigitte will also keine Models mehr buchen, Frauen von der Straße sollen von Januar an Mode und Kosmetik im Heft vorführen. Frauen, die "nicht den oft perversen Gesetzen des Modelgeschäfts unterworfen" sind, wie es auf der Brigitte-Homepage heißt, die Persönlichkeit zeigen, nicht Knochen.

Die Initiative sorgt für Rummel, vielleicht auch wieder für mehr Käuferinnen, immerhin sinken die Auflagenzahlen von Frauenzeitschriften neuerdings rapide. "Das muss doch was mit unserem Umgang mit Mode und Beauty zu tun haben", folgert Andreas Lebert, Chefredakteur von Brigitte.

So löblich der Vorstoß, Hungerhaken nicht mehr zu beschäftigen, so skeptisch sieht ihn, naturgemäß, die attackierte Branche. "Jede Frau möchte verführt werden, will Mode ästhetisch präsentiert bekommen. Alltag hat sie schon genug", sagt Louisa von Minckwitz, Inhaberin der Agentur Louisa Models in München und Hamburg.

Dass Brigitte die Offensive durchhalten wird, glaubt sie nicht. "Wo sollen denn die ganzen Normalfrauen herkommen? Von 1000 Mädchen, die sich bei uns vorstellen, sind zehn für den Beruf geeignet." Mindestens 1,76 Meter, 14 bis 18 Jahre alt, feingliedrig - das seien die Vorgaben. Auf eine Kilogrenze will sie sich nicht festlegen. Aber klapperdürr sei in Deutschland nicht gefragt.

Die Vorgaben, sagt Louisa von Minckwitz, machen die Designer mit ihren Musterkollektionen in 36er-Größen. Keines der großen Modehäuser werde von dieser Praxis abrücken. Die Statistik zeige auch, dass ein schlankes Mädchen auf dem Titel die Auflage steigert. " Brigitte-Bookerinnen, das weiß man in Branche, sind immer gerne nach Paris gefahren, um dort nach dünnen Models zu suchen."

Einen Trend wird die Idee der Hamburger wohl nicht auslösen. Der Rundruf bei Vogue, Instyle, Madame und Cosmopolitan ergibt: Nette Idee, aber nicht für uns. Eine Modechefin sagt: "Was glauben Sie, was Anzeigenkunden sagen, wenn ihre Kollektion von Frauen präsentiert werden, die das nicht gelernt haben? Denen geht es nicht um eine bessere Welt, sondern um Umsatz." Seit etwa zehn Jahren würden Designer immer kleinere Kreationen schicken, die kaum ein Model tragen könne. Das gelte vor allem für männliche Designer, etwa Karl Lagerfeld und Giorgio Armani. Ausgerechnet der italienische Designer war es, der seine Zunft unlängst ermahnte: "Wir sollten nicht übertriebene Magerkeit zur Schau stellen."

Charta gegen Untergewicht

Damit wäre man in Paris, der Heimat der Magermodels. Bei den derzeitigen Schauen für Frühjahr/Sommer 2010 ist die Initiative einer deutschen Frauenzeitschrift: kein Thema. Christiane Arp, Chefredakteurin der deutschen Vogue und Dauerkartenbesitzerin für die Front Row, wiegelt ab. "Ich sehe keine Magermodels mehr, das Thema ist durch." Sie schließt aus, sich von Models jedweder Größe zu verabschieden. "Sie verkörpern den Traum, die Illusion - das haben sie gelernt. Eine Frau von der Straße kann das nicht." Annette Weber, Chefredakteurin von Instyle, sagt: "Ohne Models läuft nichts." Und ohne schlanke Models, wenn auch nicht dürre, auch nichts. "Mode sieht an ihnen einfach besser aus."

Was dürr ist, definiert in Paris jeder anders. Daran konnte noch keine Kampagne gegen Magermodels etwas ändern. Das Problem: Es sind Selbstverpflichtungen. In Rom und London wurden für die Fashion Weeks Resolutionen verabschiedet, gehalten hat sich keiner dran. 2008 stellte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt eine "Charta gegen Schlankheitswahn" vor, beeindruckt hat das keinen Designer. Die französische Regierung will verbieten, dass Modelfotos nachträglich ohne Hinweis retouchiert werden dürfen. Verabschiedet ist nichts.

Die Chefin der britischen Vogue, Alexandra Shulman hat sich im Juni in einem Brief an führende Designer beklagt, dass nur Models mit "hervorstehenden Knochen" deren Kreationen tragen könnten. Der Erfolg: gleich null. Allein das Schauwiegen 2006 bei der Pasarela Cibeles in Madrid zeigte Wirkung. Die Modewoche verbannte fast 30 Prozent der Models. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass Hungerhaken um Madrid besser einen Bogen machen. Aber was ist Madrid gegen Paris? Der japanische Designer Issey Miyake sagt: "Nur wer in Paris beklatscht wird, hat Erfolg."

Louisa von Minckwitz, Agenturbesitzerin und Ex-Model, sagt, dass sich die Branche gegenseitig den schwarzen Peter zuschiebe. Dass immer noch magere Models laufen, dafür macht sie die Designer sowie Anna Wintour verantwortlich, die Chefin der US- Vogue, die über Wohl und Wehe der Designer richtet. Die habe size zero erst salonfähig gemacht. Solange sie weiter nach Mode für Magermodels verlange, werde sich in der Branche nichts bewegen. Daran werde auch eine kleine Revolution aus Hamburg nichts ändern.

© SZ vom 07.10.2009/aro - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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