Britney Spears:Ikone des Trash

Lesezeit: 3 min

Popsängerin Britney Spears ist komplett abgestürzt - ihrer Karriere kann das nur nützen.

Von Tanja Rest

Man musste ihre Musik nicht mögen, um beeindruckt zu sein. November 2001, Britney Spears stand auf der Bühne des MGM Grand Hotel in Las Vegas und am Gipfelpunkt ihrer Karriere. Sie hatte zwei Grammy-Nominierungen, vier MTV European Awards und einen World Music Award als "Best International Female Artist" in der Tasche.

Britney: mal blond ... (Foto: Foto: Reuters)

Ihre drei Alben waren in den amerikanischen Charts allesamt von null auf eins geschossen, was vor ihr noch kein Interpret geschafft hatte. Sie war die bestverdienende Hupfdohle des Planeten. Sie war 19 Jahre alt.

Dünnes Stimmchen

Britney Spears sang an diesem Abend 14 Lieder in 14 von Mal zu Mal knapper werdenden Outfits; der amerikanische Kabelsender HBO übertrug das Konzert live, das die Los Angeles Times am nächsten Tag ein "erstaunliches Meisterwerk des Cheerleading" nannte. Ein eher dünnes Stimmchen, einfallsloser Dancefloor aus dem Hit-Baukasten - wer hätte das bestritten?

Aber die Cheerleaderin da oben tanzte und räkelte sich und wechselte die Kostüme und stürzte sich am Drahtseil von der Hebebühne und ackerte weiter, als wolle sie das Wort Showbiz neu erfinden. Die meistgespielte Puppe der Welt funktionierte wie ein Schweizer Uhrwerk des Pop.

Fast auf den Tag genau fünf Jahre später war Britney Spears wieder in Las Vegas, und der Ruhm war immer noch mit ihr. Nur war es diesmal eine andere Art von Ruhm.

Sie hatte inzwischen volltrunken einen Jugendfreund geheiratet und die Ehe nach 55 Stunden annullieren lassen. Sie hatte es mit einem abgebrannten Background-Tänzer namens Kevin Federline erneut versucht und wieder kein Glück gehabt - die Scheidung läuft seit drei Wochen. Sie war unangeschnallt am Steuer ihres Wagens erwischt worden, den einjährigen Sohn Preston auf dem Schoß.

Sex-Video?

Sie hatte diverse Pfunde zugelegt - bei stetig abnehmender Rocklänge -, mit einem ominösen Sex-Video Schlagzeilen gemacht, war zur "Am schlechtesten angezogenen Frau des Jahres" gewählt worden, und wenn man den Boulevards glauben wollte, rauchte sie zu viele Zigaretten, trank zu viele Cocktails und gab eindeutig zu viel Geld für den Pizza-Service aus. Das war so ungefähr der Stand, als Britney Spears vergangene Woche in Las Vegas aufschlug.

Ihr letztes Studioalbum "In the Zone" ist mittlerweile drei Jahre alt, genauso alt wie der vielbeachtete Zungenkuss mit Madonna, auf der Bühne der MTV Awards. Am Hollywood Boulevard gehen die "Who the fuck is Britney?"-T-Shirts weg wie nichts.

Aber hey! - am Ende war es immer noch Britney, die in sieben Jahren so viele Platten verkauft hat wie keiner, die am Ende einer mehrtägigen Sauftour kreuz und quer durch Las Vegas aus der Limousine von Paris Hilton stieg und unter einem absurd kurzen Fetzen nichts anhatte. Einen Tag später war es das meistgedruckte Nichts der Welt. Drei Tage später, am 2. Dezember 2006, wurde Britney Spears 25 Jahre alt.

"25 - und schon am Ende", schrieb die Washington Post in ihrem Geburtstags-Abgesang. Man kann es aber auch anders sehen. Drew Barrymore debütierte in "E.T.", als sie sieben war, und nahm mit vierzehn Kokain.

Heroin und Koks

Macaulay Culkin ("Kevin allein zu Haus") kassierte mit 14 die höchste Gage, die jemals für einen Kinderstar gezahlt worden war, und wurde mit 20 wegen Drogenbesitzes verhaftet. River Phoenix drehte mit 16 "Stand by Me" und verreckte sieben Jahre später vollgepumpt mit Heroin und Koks auf dem Pflaster von Los Angeles.

Man kann es auch so sehen: Britney Spears moderierte den "Disney Club", als sie elf Jahre alt war, sie verkaufte mehr als 20 Millionen Platten, als sie 18 war, und danach hat sie ziemlich lang durchgehalten.

An ihrer Musik, ihren Klamotten und dem stets mit Augenaufschlag hingesäuselten Bekenntnis zur Jungfräulichkeit musste jeder halbwegs vernünftige Mensch irre werden. Nicht bestreiten konnte man jedoch, dass Britney Spears ein Showtalent war, durchtrainiert, erfolgshungrig und professionell bis ins Mark.

Sie war die "Pop-Lolita", die zwar niemals die Kritik becircte, dafür aber Abermillionen Teenager, die in die Läden rannten und das Britney-Merchandising-Universum leer kauften. Ihr Privatvermögen wird auf mehr als 100 Millionen Dollar geschätzt.

Man kann das tragisch finden

Das Problem war, dass die Lolita irgendwann beschloss, erwachsen zu werden und wie so viele, die in der irrlichternden Welt des US-Showbiz disziplinierte Kinder gewesen sind, Erwachsenwerden mit Party, Alkohol und zu wenig Textilien verwechselte. Diesen Irrtum lebt sie seither vor Fernsehkameras und den Objektiven der Paparazzi aus - der einzigen Wirklichkeit, die sie kennt.

Man kann das tragisch finden. Aber man darf ruhigen Gewissens annehmen, dass das kleine Mädchen noch nie so viel Spaß hatte wie heute. Das Tremolo vom peinlichen Ende einer Karriere ist ohnehin überflüssig, denn Miss Spears ist so gut im Geschäft wie eh und je - nur dass sie jetzt eben keine Platten, sondern Klatschmagazine und Internet-Anzeigen verkauft. Die Betreiber der Suchmaschine Yahoo haben gerade bekannt gegeben, dass "Britney Spears" der meistgesuchte Begriff des Jahres war.

Die jüngsten Fotos stammen aus Beverly Hills und zeigen die derangierte Britney, diesmal mit Höschen, als besoffene Ikone des Trash. Schlimmer kann ein Star nicht aussehen, der 2007 das erste Album seit vier Jahren auf den Markt bringen will. Nach den Regeln der Unterhaltungsindustrie wird es ein grandioses Comeback.

© SZ vom 7.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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