Brief an sich selbst:Bisschen Mist bauen - voll okay

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Lehrer duzen, besser in Mathe aufpassen, zur eigenen Meinung stehen: Clara, 18, und Paul, 16, schreiben einen Brief an sich selbst. Was würden sie ihrem zehnjährigen Ich aus heutiger Sicht raten?

Von Alexa Hennig von Lange

Hallo du!

Du bist gerade aufs Gymnasium gekommen, du gehörst jetzt zu den Großen (das denkst du zumindest). Du glaubst, dass jetzt das Leben ernster wird - neue Schule, viel Verantwortung. Du musst lernen und du musst ein gutes Abitur machen. Doch niemand sagt dir, wie viel Zeit du hast. Du bist noch ein Kind, und die Noten, die du jetzt bekommst, sind für deine Zukunft unwichtig. Du musst dir keinen Stress machen. Das habe ich leider erst jetzt verstanden. Außerdem habe ich gelernt, dass Groß sein und Verantwortung zu tragen gar nicht so cool ist, wie es immer erschien. Erwachsen sein zu müssen, macht keinen Spaß, es macht fast Angst. Du wünscht dir immer, älter zu sein, so wie die Großen. Beneidenswert belesen, verantwortungsbewusst und reif. Hätte ich damals gewusst, dass dem gar nicht so ist, hätte ich mir nie gewünscht, schnell erwachsen zu werden. Ich fühle mich heute fast unwissender als mit zehn, weil mir seitdem bewusst geworden ist, wie viel ich nicht weiß und wie viel ich nicht kann. Damals lag mir noch die Welt zu Füßen. Heute wünsche ich mir, ich hätte mich damals mehr getraut. Getraut, meine Meinung zu sagen, auch wenn sie anderen widerspricht. Getraut, ich selbst zu sein, auch wenn mich dann vielleicht nicht jeder mögen wird, und vor allem getraut, meine eigene Stimme zu erheben und mich für mich und meine Überzeugungen einzusetzen. Diesen Mut konnte ich mir erst über Jahre erarbeiten und ich finde es rückblickend sehr schade, dass ich in vielen Situationen nicht zu mir selbst stand. Trau dich also, bleib du selbst und stehe immer dazu! Du hast wirklich alle Zeit der Welt.

Liebe Grüße, Clara

Lieber Paul,

gerade bist du vermutlich mit deinem besten Freund unterwegs. Longboard fahren oder Basketball spielen. Wenn du so alt bist wie ich jetzt, wirst du dir wünschen, dass du besser im Matheunterricht aufgepasst hättest. Ansonsten gibt es nicht so richtig etwas, was du jetzt besser machen kannst. Du wirst lernen, dass es wichtig ist, Freunde zu haben, die dich so mögen, wie du bist. Wenn sie es nicht tun, sind sie nicht die richtigen. Gerade versuchst du noch, dich den anderen anzupassen, sodass du ihnen gefällst. Das musst du nicht. Das ist doch anstrengend, immer den Interessen der anderen zu folgen. Ich mache das jetzt zwar manchmal immer noch, bleibe aber viel mehr ich selbst. Das merke ich daran, dass ich genau das mache, was ich am liebsten machen würde, und nicht das, was die anderen gut fänden. Mit elf Jahren wirst du die beste Zeit deines Lebens haben. Keine Ahnung, warum. Aber da wird es am schönsten sein. Du wirst tolle Freunde haben, fröhlich sein, eigentlich immer gut gelaunt. Du wirst coole Sachen erleben. Was man eben so macht mit elf Jahren. Bisschen Mist bauen. Gehört dazu. Wird lustig. Aus heutiger Sicht würde ich alles genauso machen, wie du es machst. Der Ärger, den du noch mit deinen Lehrern haben wirst, ist in Ordnung. Weißt du noch, als du deine Lehrerin geduzt hast? Hat sich doch auch wieder beruhigt. Wenn du nichts ausprobierst, lernst du auch nichts. Mach weiter so!

Dein Paul

© SZ vom 06.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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