Brennende Botanikfrage:Mein Freund, der Buchsbaum

Bereits bei Immanuel Kant erzeugte er Brechreiz. Dabei standen zu seiner Zeit die schlimmsten Auswüchse des beschnittenen Türstehers noch bevor. Ein Essai aus dem SZ-Magazin

Tilman Spengler

Schon Immanuel Kant tat sich nicht leicht mit ihm. Als der Philosoph bei einem Spaziergang im Königsberger "Dänhoff'schen Garten" bemerkte, wie zwei Gärtner einen Buchsbaum mit groben Scheren "in die Form eines Wichtels" zu bringen versuchten, notierte Kant, die rohe Szene habe "seine Bauchmuskeln zu einer antiperistaltischen (Brechreiz erzeugenden) Bewegung der Eingeweide gereizt". Dem Schicksal des Buchsbaums galt fortan seine unruhige Sorge.

Der Spross aus der Familie Buxaceae drückt sich gern vor Haustüren herum. Warum bloß? (Foto: Foto: André Mühling)

Sein Diener Lampe soll einmal angewiesen worden sein, ein beschnittenes Gewächs im Garten des Schlosses mit einem grauen Tuch zu bedecken, bis die Natur wieder zu einem "gütigen Ausgleich" gefunden hätte. Ob das Erfolg hatte, darf in Zweifel gezogen werden, schließlich fehlen bei keiner Beschreibung der Pflanze die bitteren Worte "schneidefreudig, doch schwachwüchsig".

Einschlägige Bücher nennen das südliche und westliche Europa als seine Hei-mat, doch man trifft ihn auch in Nordafrika, im Orient und etwas geduckt am Schwarzen Meer. Die Pflanzenfamilie der Buxazeen, die Buxaceae, schreibt das Botanikbuch, ist "von unsicherer systematischer Stellung". Das hätte Immanuel Kant vermutlich nur klammheimlich gefallen.

Einer verlässlichen Theorie zufolge leitet sich die Herkunft des Wortes "Ausbüchsen" indirekt von der weltweiten Bewegung der Buchsbäume ab. Oder von der Verhinderung dieser Bewegung. Hier müssen jetzt einschlägige Begriffe wie etwa "Einfriedung", "Wallhecken" und "Kübelpflanze" zur Sprache kommen. "Der Buchsbaum eignet sich hervorragend zur Einfriedung", verbreitet das für mich zuständige Gartencenter, welches auch den Typus des "Pflanzenpartners" im Katalog führt.

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