An den Grenzen der Kinderbetreuung:Zwischen Meeting und Muttergefühlen

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Frauke Schneider will sich und der Welt beweisen, dass sie Kind und Karriere vereinbaren kann. Sie überschreitet ihre Grenzen und die ihres Kindes. Und glaubt dabei, für alle das Beste zu tun.

Paula Konersmann

Wenn Lea heute am späten Abend von ihrem Vater Bernd aus der Kita abgeholt wird, dann wird Frauke Schneider* schon im Flieger sitzen. Sie war in dieser Woche schon in Wien und München, heute muss sie nach Hannover. Frauke Schneider ist leitende Mitarbeiterin eines Getränkeherstellers. Und sie ist Leas Mutter.

Weil beide Eltern arbeiten, muss die Dreijährige gelegentlich in der Kita übernachten. Ein Luxus, den nur wenige Kitas in Berlin anbieten.

Als Frauke Schneider schwanger wurde, sagte ihr Lebensgefährte sofort, dass er nicht die Hauptverantwortung für das Kind tragen werde.

Die Großeltern leben in Süddeutschland. Sie kommen als Babysitter nicht in Frage. Frauke Schneider stand vor einer Entscheidung, vor der viele Frauen irgendwann stehen: Kind oder Karriere. Sie entschied sich für beides. "Für mich stand fest: Ich gehe meinen Berufsweg weiter", sagt sie.

Die 34-Jährige sitzt am Frühstückstisch. Sie trägt einen Hosenanzug. Ganz in rosa, rosa Samt. Um ihren Hals hat sie ein Tuch in verschiedenen Fliedertönen gebunden, die blonden Haare sind mit kleinen Klammern hochgesteckt. Sie schüttet etwas Biomilch in ihren Kaffee.

Lea kommt dazu. Über ihrem weißen Blüschen trägt sie ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Princess". Mit dem Strohhalm schlürft sie ein Getränk, das wie Apfelsaft aussieht. "Bio-Limonade" erklärt ihre Mutter, "da ist ganz wenig Zucker drin." Frauke Schneider ist kein Öko. Für sie ist Bio eine Frage des Stils.

Dass Tochter und Mutter zusammen am Frühstückstisch sitzen, ist ein seltenes Glück für Lea. Häufig ist die Mutter ohne ihr "Schätzelein" unterwegs. Lea hat ihr einen Talisman gebastelt, der die Mama überall begleitet. "So denke ich immer an sie. Das gibt mir Kraft", sagt sie.

Die Kraft braucht sie. Seit Leas Geburt strengt sie sich im Job noch mehr an als vorher. Anfangs hatte sie den Eindruck, dass ihre Chefs testen wollten, ob sie mit Kind noch genauso viel schafft wie vorher. Sie hat es sich und den anderen bewiesen.

Keine Zeit für Selbstzweifel

Die Familie kommt meist nur ein, zweimal in der Woche zusammen. Vor kurzem waren sie im Zoo. Dort haben sie Knut den Eisbären gesehen, und Lea hat einen Stoffknut bekommen. Der sitzt heute mit am Frühstückstisch. "Ganz weich ist der", sagt Lea und streichelt dem Bären übers Fell. "Ja, ganz weich", murmelt ihre Mutter und reibt sich die Augen.

Im nächsten Augenblick reißt sie sich zusammen. Es ist Zeit aufzubrechen. Die Koffer stehen fertig gepackt im Flur, ihre Schuhe hat Lea schon selbst angezogen. Mit ihrer Lieblingspuppe in der Hand klettert sie in den Kindersitz, und die beiden eilen in die Kita.

Nach dem Abschiedskuss winkt Frauke Schneider ihrer Tochter noch einmal durch die bunt bemalte Fensterscheibe. Dann dreht sie sich um und marschiert zurück zum Auto. "Schlechtes Gewissen? Hab ich nicht. Das wäre auch nicht gut für Lea", sagt sie.

Sie überprüft ihre Frisur im Rückspiegel, nickt zufrieden und startet ihren Wagen. In diesem Moment klingelt ihr Handy. "Ich bin gleich da", verpricht sie. Das nächste Meeting wartet schon.

* sämtliche Namen wurden von der Redaktion geändert

© <a href="http://www.journalisten-akademie.com/projekte/familie/" class="lift" target="_blank" data-pagetype="EXTERNAL" data-id="">Dieser Text ist Teil des Online-Projektes "Ein Leben in Teilzeit" der Journalisten Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung.< </a> - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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