Alltäglicher Beauty-Wahnsinn:Schmalz auf unserer Haut

Lesezeit: 4 min

Die Beauty-Neuheiten werden immer spezieller, bizarrer, ekliger. Und wir? Kaufen alles.

Karoline Ebermann

Sie weiß nicht warum, aber sie kann Dir nicht widerstehen" und "Extra Anziehung! Frauenmagnet!" steht auf der schwarzen Tube. Auf dem Preisschild: 6,49 Euro. Ganz schön viel Geld für ein bisschen Haargel.

Neue Glückerlebnisse müssen her: Das macht uns anfällig für die Versprechen der Beauty-Industrie. (Foto: Foto: iStockphotos)

Aber das muss man mal in Relation sehen: Für nur knapp 7 Euro zum Frauenmagnet werden! Ein Schnäppchen! Kein aufwändiges Fitnesstraining, keine teure Schönheitsoperation, kein mühsamer Benimmkurs. Nein, einfach nur die Haare mit der Zauberpaste "Magnetik" betünchen - und schon wird man laut Produktbeschreibung zum "Alphatier". Das Wort passt eigentlich ganz gut, denn das Zeug stinkt wie ein Pumakäfig.

Nun fragt man sich, wie sich ein Haargel erlauben kann, derart zu müffeln, so teuer zu sein und mit so einer absurd klingenden Wirkung zu prahlen? Die Antwort: Pheromone.

"Magnetik" enthält laut Herstellerfirma Schwarzkopf das so genannte Androstadienon, das zu den wichtigsten Sexuallockstoffen beim Menschen zählt. Schwarzkopf verweist auf eine Universitäts-Studie mit durchschnittlich gut aussehenden Männern, die von Frauen bewertet wurden - Überraschung: unter Pheromoneinfluss besser als ohne. Doch durchschnittlich gut aussehende Männer haben so ein Zeug doch eigentlich gar nicht nötig. Die subtile Botschaft "Damit musst Du gelen, um zu daten" wird vermutlich eher von unterdurchschnittlich attraktiven Männer aufgenommen.

Warum dieser Selbstbetrug?

Dass Männer sich sowas in die Haare schmieren, darf man ihnen eigentlich nicht übel nehmen. Schon gar nicht als Frau. Wir sind ja Meister der Naivität und darin, sich durch blumige Versprechen etwas andrehen zu lassen, um angeblich besser auszusehen.

Warum wir das machen, wissen wir selber nicht genau. Vielmehr wissen wir aus Erfahrung, dass das in der Werbung angepriesene Grapefruit-Cellulite-Gel Orangenhaut nicht verschwinden lässt. Wir wissen auch, dass wir mit keiner Mascara der Welt jemals XXXL-Wimpern haben werden wie das Model von der Werbung. Warum also dieser Selbstbetrug?

"Menschen sind permanent auf der Suche nach dem großen Glück. Sie glauben fest daran, dass sie in Zukunft glücklicher sein werden. Um sich und andere davon zu überzeugen, dass sie bei dieser Suche quasi 'on track' sind, müssen Glücksbeweise her", lautet die Antwort von Marketingexpertin Dorothee Rein von der Hamburger Werbeagentur Springer&Jacoby. Eine Erhöhung der Attraktivität sei die ideale Projektionsfläche.

Will heißen: Der Konsument bildet sich ein, wenn er erst mal keine Pickel mehr hätte, aber das neue Haargel, dann würde sich der oder die Angebetete sicher verlieben. Leider folge, so Dorothee Rein, die Einsicht schnell: "Wir müssen erkennen, dass die extralangen Wimpern doch nicht für nachhaltige Zufriedenheit sorgen. Neue Glückserlebnisse müssen her. Man wird anfällig für neue Versprechen."

Und die werden in der Beautybranche immer reißerischer. Kein Wunder, schließlich kommen jedes Jahr mehrere hundert Produktneuheiten aus dem Kosmetikbereich auf den Markt. Um aus dieser Menge herauszustechen, reicht ein simples "noch schöner" nicht. Die Ansprüche des Konsumenten werden nämlich immer größer, seine Wünsche immer ausgefallener.

Schöner mit Angusrind-Sperma

So bekommt das schön-schöner-am-schönsten-Spielchen langsam immer perversere Ausmaße. Mehr Glanz und Fülle für's Haar? Sperma vom Angusrind soll da prima helfen. Kein Scherz, sondern in London bei einem Friseur zu haben. Ausstrahlung und Frische fürs Gesicht?

Einfach eine Maske aus echter menschlicher Plazenta auflegen. In Amerika fast so gängig wie eine French Manicure. Zarte Haut? Ab nach Maui, dort gibt es ein Spa, das Gesichtsbehandlungen mit Nachtigallkot anbietet. Und hierzulande gibt es seit neuestem einen Duft, der eine Geruchsnote enthält, die an einen frisch ausgepackten Apple-Laptop erinnern soll.

Auf der nächsten Seite: Warum die Beauty-Industrie ein Placebo-Marketing betreibt

Eine Glaubensfrage

"Der Beautymarkt leidet an einer Innovationsschwäche, es gibt nichts wirklich Neues. Wenn das der Fall ist, wird die Werbung gar nicht mehr bewusst wahrgenommen", sagt Professor Markus Voeth vom Lehrstuhl für Marketing der Universität Hohenheim.

"Um aus dem Informationsnebel hervorzutreten, muss ein Produkt unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das klappt mit übertriebenen Versprechen." Damit diese Versprechen trotzdem glaubhaft erscheinen, müssen sie entsprechend vermittelt werden. Früher waren es bekannte Personen, die Stein und Bein schworen, dass Creme XY hilft.

Heute setzt die Werbung auf Mehrwerte, die wenigstens auf den ersten Blick neu erscheinen. So gibt es seit kurzem Wimperntuschen mit vibrierender Bürste. Ein klitzekleiner Motor soll für den perfekten Auftrag sorgen. Tatsächlich macht das Bürstchen beim Benutzen ein Geräusch wie eine elektrische Zahnbürste, eine Bewegung sieht man nicht, und wenn man den Finger dranhält, fühlt es sich durch die minimale Vibration eher an, als wäre gerade ein Insekt auf der Haut gelandet.

Aber der Glaube wirkt, in der Beauty ist das nicht anders als in der Medizin. Die Begrifflichkeiten sind daher oft ähnlich, nicht nur was die Inhaltsstoffe angeht: "Wenn die Wirkung eines Produkts nur im Kopf des Kunden besteht, nennt man das Placebo-Marketing", sagt Voeth.

Dürfen Kunden durch illustre Werbeversprechen an der Nase herumgeführt werden? "Selbstverständlich darf nur mit nachweisbaren Wirkungen geworben werden; da ist der Gesetzgeber sehr eindeutig in seinem Regelwerk", erklärt der Geschäftführer des Kosmetikverbands VKE, Martin Ruppmann.

Cremes mit Mindestausstattung

"Der Hersteller ist verpflichtet, den Nachweis über die Wirkung des Produktes, sofern in der Werbung darauf hingewiesen wird, zu erbringen. Eine Aussage wie ,Fältchen werden nachweisbar reduziert' ist leicht über die Bestimmung der Faltentiefe möglich; 'die Faltentiefe wird um x Prozent reduziert' ist dagegen schon etwas schwieriger nachzuweisen, aber auch möglich."

Keine Frage, Produktversprechen plustern sich seit Jahren immer mehr auf. Gesichtscrèmes zum Beispiel: Sollten sie früher einfach nur pflegen, gehören heute weniger Falten, mehr Ausstrahlung, kleinere Poren und ein ebenmäßiger Teint zur Mindestausstattung. Eine simple Creme, die auch gar nicht mehr sein will als das, gibt es eigentlich gar nicht mehr - außer der guten alten Nivea- oder Penaten-Creme.

Wenn es um die Schönheit geht, darf es heute nicht abgedreht genug sein. Es könnte ja doch etwas nützen. Experten vermuten, dass sich der Trend zum - nennen wir es "Speziellen" - fortsetzt. "Da der Hauptmarkt deutliche Stagnationstendenzen aufweist, während die Randbereiche wie Öko-Kosmetik weiter wachsen, ist es verständlich, dass sich nun auch Mainstream-Produkte zunehmend extremer positionieren", sagt Springer&Jacoby-Mitarbeiterin Dorothee Rein.

Dann haben wir also vielleicht bald Zahnbürsten, die bei Karies per Funk unseren Zahnarzt informieren, und für Frauen hoffentlich einen Lippenstift, der schleimig wird, wenn sich ein Mann mit Pheromonen-Haarmatte zu penetrant aufführt. Eine Erleichterung - aber nur in diesem einen ganz speziellen Fall.

© SZ vom 17.01.2009/mmk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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