Aktuell :Spiderwoman

Das, was der Richterin Brenda Hale da über die Schulter zu krabbeln scheint, ist in Wahrheit eine Brosche. (Foto: AFP)

Elf Richter und eine Spinne haben entschieden: Die vom britischen Premierminister Boris Johnson angeordnete Zwangspause des Parlaments verstößt gegen das Gesetz. Moment, welche Spinne?

Von Nina Himmer

Zwei Frösche, einen Käfer, einen Fuchs, einen Tausendfüßler, eine Libelle, einen Schmetterling und einen Lebkuchenmann - Brenda Hale, Präsidentin des Obersten Gerichtshofs von Großbritannien, hat viele auffällige Broschen in ihrer Schmuckschatulle. Doch als sie am Dienstag in London das Urteil zur Zwangspause des britischen Parlaments verkündete, prangte ausgerechnet eine große silberne Spinne auf ihrer rechten Schulter. Weltweit wird die Richterin dafür gefeiert, denn viele sehen in der Wahl ihres Schmuckstücks eine tiefere Botschaft: Endlich hat sich Boris Johnson im Netz der Demokratie verfangen. Tatsächlich ist das Urteil eine schwere Niederlage für den umstrittenen Premierminister. Er hatte das Parlament vor etwas mehr als zwei Wochen vorzeitig in eine verlängerte Pause geschickt - obwohl der Austritt aus der Europäischen Union kurz bevorsteht und es eine Menge zu besprechen gäbe. Nur einen Tag nach dem Urteil kam das Parlament wieder zusammen - und stritt heftiger als je zuvor. Auch weil sich Boris Johnson gänzlich unbeeindruckt vom Urteil der Richter zeigte. Rücktrittsforderungen lehnte er ab und auch von Reue keine Spur. Stattdessen beharrt Johnson auf seinem Brexit-Kurs und beschimpfte seine Gegner im Unterhaus. Offenbar haben ihn weder die Spinne noch das Urteil beeindruckt. Vielleicht muss die Richterin härtere Geschütze auffahren: ein schnappendes Krokodil vielleicht? Einen fauchenden Tiger? Schade, dass die EU kein Wappentier hat.

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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