ExtremLäuferin im Interview:"Um jeden Preis auf den Gipfel"

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Ellen Clemens, Vorjahressiegerin des Zugspitz-Berglaufs, spricht mit sueddeutsche.de über Verantwortung, Trainingsvorbereitung und ihre Erfahrungen beim diesjährigen Berglauf-Drama.

Sarah Ehrmann

Ellen Clemens, 39, galt in diesem Jahr als Favoritin für den Zugspitz-Extremberglauf. Bereits drei Mal hatte die Anästhesistin aus Garmisch-Partenkirchen in den vergangenen Jahren den Berglauf gewonnen, doch in diesem Jahr musste sie - wegen kältebedingter Erschöpfung - am Sonnalpin aufgeben. Ihre Körpertemperatur war auf unter 35 Grad gesunken. Kaum hatte sie sich wieder etwas erholt, half die zierliche Blondine, andere unterkühlte Teilnehmer zu versorgen. Am Montag war sie wieder im Dienst in der Unfallklinik Murnau. sueddeutsche.de sprach mit ihr über das diesjährige Berglauf-Drama, das zwei Menschenleben kostete.

Im vergangenen Jahr hatte Ellen Clemens den Zugspitz-Extremberglauf gewonnen. (Foto: Screenshot: getgoing.de)

sueddeutsche.de: Frau Clemens, Sie trugen ebenso wie viele andere Teilnehmer kurze Hosen und ein Trägertop - wurden Sie von der Kälte überrascht?

Ellen Clemens: Nein, eigentlich nicht. Doch in langen Hosen braucht man erst gar nicht zu starten.

sueddeutsche.de: Woran lag es Ihrer Meinung nach, dass in diesem Jahr viele Teilnehmer vor Erschöpfung aufgeben mussten, sechs auf die Intensivstation kamen - und sogar zwei Läufer starben?

Clemens: Viele Teilnehmer wollen ja um jeden Preis auf den Gipfel kommen. Es war einfach wahnsinniges Pech, dass der Temperaturabfall so schnell ging. Am Start hieß es noch, dass am Gipfel vier Grad seien, doch letztendlich waren es dann minus sechs Grad. Das heißt, es war zehn Grad kälter als angekündigt - und dann auch noch mit Regen, Graupel und Wind. Auch mich traf die Erschöpfung wie ein Schlag von einer Sekunde auf die andere. Ich dachte mir: "Oje, wenn mir das jetzt schon so geht, wie geht es dann erst den anderen, die diese Kälte und einen solchen Wetterumschwung nicht gewohnt sind?"

sueddeutsche.de: Wie hätten die Veranstalter reagieren sollen?

Clemens: Später ist man immer schlauer. Es wäre vielleicht nicht so dramatisch geworden, wenn die Veranstalter den Sonnalpin zum Ziel gemacht hätten, als sie den Wetterumschwung bemerkten. Doch als Veranstalter befindet man sich ja immer im Zwiespalt. Im vergangenen Jahr wurde der Lauf abgebrochen, da sind anschließend alle auf den Veranstalter losgegangen. Ich weiß nicht, ob der Veranstalter diesmal so objektiv gesehen hat, dass die Temperatur so fällt. Als es dann oben so kalt wurde, wurden am Sonnalpin zwar keine Läufer mehr durchgelassen, doch einige waren eben schon dran vorbei.

sueddeutsche.de: Die Wetterberichte hatten vor dem Lauf vor den Wetterbedingungen gewarnt. Warum gingen dennoch 600 Läufer an den Start?

Clemens: Vielleicht haben die Teilnehmer sich einfach auf den Veranstalter verlassen. Viele kamen ja aus dem Flachland, die sind ihre stetigen 18 Grad gewohnt. Ich bin aus Garmisch und daher damit vertraut, dass es an einem Tag 30 Grad und am nächsten nur zehn Grad hat. Doch so etwas wie diesmal habe selbst ich selten erlebt.

sueddeutsche.de: Was ist schiefgelaufen?

Clemens: Man ist dann irgendwie so im Lauffieber drin, und durch den rasanten Temperaturabfall hat es einen auf einem Schlag hingerafft. Ich muss zugeben, dass auch ich das unterschätzt habe. Ich hatte es bis zum Sonnalpin geschafft und bin dann weitergelaufen - das war mein eigener Fehler. Als ich bemerkt habe, dass die Kraft nachlässt, bin ich umgekehrt. Es ist eine Seltenheit, dass man in einem solchen Extremlauf auch noch einen Wetterumsturz erlebt.

sueddeutsche.de: Wie hatten Sie sich auf den Zugspitzlauf vorbereitet?

Clemens: Die Strecke bin ich nicht extra abgelaufen, aber ich hatte den Wetterbericht verfolgt. Inzwischen bin ich hauptsächlich Läuferin, doch bis vor ein paar Jahren habe ich alles gemacht - Wandern, Klettern, Bergläufe. Auch jetzt laufe oder wandere ich noch ab und zu auf unseren Höhenwegen.

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