Christa Wolf war Kassandra, sie war "IM Margarete", sie war die Rednerin des 04. November 1989, sie war die Autorin, die laut einem Verleger-Bonmot "keine Distanz zu ihren Figuren" fand. Sie war Sozialistin, Mitglied der SED und Ausgestoßene, Unterzeichnerin und Redakteurin des in der DDR meistunterzeichneten Aufrufs "Für unser Land" des Jahres 1989. Christa Wolf war eine Schriftstellerin der Tugend und des Gewissens. Eine, die aneckte. Manchmal. Und manchmal, weil sie es wollte.
Christa Wolf (1929 - 2011).
(Foto: dpa)Christa Wolf wurde am 18. März 1929 in Landsberg an der Warthe (heute: Gorzow Wielkopolski in Polen) geboren. Ihre Eltern betrieben ein Lebensmittelgeschäft. 1945 musste die Familie vor der anrückenden Roten Armee nach Westen fliehen. Sie kam ins mecklenburgische Gammelin. Früh, 1949, im Jahr ihres Abiturs, wurde Wolf Mitglied der SED, da sie die Ideale der neuen DDR und ihrer Einheits-Partei überzeugten.
Sie studierte Germanistik in Jena und Leipzig. Nach einer Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Schriftstellerverband, als Cheflektorin des Verlags "Neues Leben" in Berlin und als Redakteurin der Zeitschrift "neue deutsche literatur", ließ sie sich 1962 als freiberufliche Schriftstellerin in Kleinmachnow bei Berlin nieder.
Ihre ersten Bücher waren getragen von großer Euphorie für die neue Gesellschaft in der DDR, für deren Wachstum und Konsolidierung, das sie mit individuellem Erleben verband. Rasch wurde ihr im real existierenden Sozialismus eine Ausnahmestellung eingeräumt. Mitte der 60er Jahre galt sie als "loyale Dissidentin", die das Regime kritisierte, aber den Sozialismus als einzige und bessere Alternative zum kapitalistischen Westen ansah.
Sie wurde indes kritischer, sprach auch die technologische Deformation der DDR-Kultur sowie deren Männerdominanz offen aus. Mit ihrem in den 70er Jahren formulierten Literaturkonzept der "subjektiven Authentizität" brachte sie sich zunehmend in Widerspruch zur offiziellen SED-Doktrin der "objektiven Gesetzmäßigkeiten".
Ein durchschlagender Erfolg wurde ihr Roman über die Problematik des geteilten Deutschlands, "Der geteilte Himmel" aus dem Jahr 1963. In ihm erzählt sie von der Liebe zwischen einer Studentin und einem Chemiker, die im Sommer 1961 an der Teilung Deutschlands scheiterte. Dieses Buch gehörte zu den meistdiskutierten Werken der DDR-Literatur. Es erhielt 1963 den Heinrich-Mann-Preis, wurde 1964 von Konrad Wolf verfilmt und machte die Autorin ab da auch im Westen bekannt.
Endgültig etabliert hat sich Christa Wolf, die 1964 die Bundesrepublik und den Frankfurter Auschwitz-Prozess besucht hatte, im westdeutschen Literaturbetrieb mit der Erzählung "Nachdenken über Christa T." im Jahr 1968, in der sie die Spannung zwischen der historischen Entwicklung der Gesellschaft und dem Anspruch der Protagonistin auf individuelle Entfaltung thematisiert.
Die Erzählung "Kein Ort. Nirgends", die eine Begegnung zwischen Heinrich von Kleist und Karoline von Günderrode imaginiert, sicherte ihr seit 1979 ihren Stammplatz in den bundesdeutschen Feuilletons. Die Erzählung "Kassandra" wurde 1983 zur Bibel der in Kaltkriegen wie heißen Emanzipations-Wehen liegenden linken Intellektuellen-Schickeria der BRD. "Kassandra", die auch vor der DDR-Veröffentlichung in der Bundesrepublik erschien, bemüht sich im Rückgriff auf den griechischen Mythos auf eine Darstellung des Geschlechterkonflikts und thematisiert die Gefährdung des Friedens.
1976 gehörte Wolf zu den Mitunterzeichnern des "offenen Briefs gegen die Ausbürgerung" des Liedermachers Wolf Biermann und wurde mit einer Rüge abgestraft, wohingegen ihr Mann Gerhard aus der SED ausgeschlossen wurde. Nachdem Christa Wolf im Juni 1989 aus der SED ausgetreten war, mischte sie sich im "Wende"-Herbst des Jahres 1989 in die öffentliche Debatte mit der Haltung ein, gemeinsam mit den Bürgerbewegungen "aus dem eigenen Land heraus Veränderungen" zu bewirken.