Zum 80. von Burt Bacharach:Mach's dir leicht, auch wenn's schwer ist

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Zu komplex für Easy Listening: Burt Bacharach, der den Melancholie-Soundtrack unseres Lebens schuf, wird achtzig.

Holger Liebs

Ein Fahrstuhl, na klar. Jedenfalls fast. Auf dem Cover seiner 1977 erschienenen, großartig manieristischen Platte "Futures" steht Burt Bacharach in einer roten Raumkapsel, einer Gondel, die hoch über irgendeiner weitläufigen Küste im Himmel schwebt, sein Trainingsanzug ist knallgrün, sein Schweißhandtuch quietschgelb, sein Strahlen unverschämt entwaffnend. Ein popbunter Fiebertraum von Lounge-Fanatikern, ein bildgewordenes Klischee von "Adult Contemporary", von "Muzak", "Brill Building"-Musik, von Flughafen-, Aufzug- oder Supermarktbeschallung: von Easy Listening. Oder wie man es auch immer nennen will.

Burt Bacharach, ca. 1970. (Foto: Foto: Getty)

Aber Burt Bacharach hat nie wirklich Easy Listening gemacht. Man ersetze "Listening" durch "Whistling" - und versuche mal, über die ersten Takte hinaus, "Alfie" oder "Promises, Promises" nachzupfeifen - geht nicht. Frank Sinatra bekannte einmal, der einzige Song, mit dem er je wirklich zu kämpfen hatte, sei einer von Bacharach gewesen, "Wives And Lovers".

Quecksilbriger Schmelz

Und doch komponierte Bacharach um die 60 US-Top-Forty-Hits; Größen wie Brian Wilson, Frank Zappa oder John Zorn verehrten ihn oder tun es noch; immer noch schreibt er luxuriös arrangierte Mini-Symphonien - sein letzter großer Wurf war, zusammen mit Elvis Costello, das Album "Painted From Memory" (1999), dessen Texte, wie früher mit seinem kongenialen Lyrics-Autor Hal David, von unerfülltem Begehren und vom Schmerz des Verlassenseins erzählen.

Oasis-Kopf Noel Gallagher sagte, er wünschte sich, nur einmal einen Song wie "This Guy's In Love With You" geschrieben zu haben. Fahrstuhlmusik? See you later, elevator. Eher klettern Bacharachs Tonfolgen, wie bei "South American Getaway" aus dem Soundtrack von "Butch Cassidy And The Sundance Kid", für den Bacharach 1969 den Oscar erhielt, erst wendeltreppengleich in schwindelerregende Höhen, um dort ein bisschen mit der Sonne zu tanzen und sich dann abrupt in die Leere fallen zu lassen, in Atempausen, elegische Momente der Stille - und dann erneut loszuhecheln. Gassenhauer gehen anders. Bacharach hielt es nie lange beim 4/4-Takt. Und doch geht er uns nicht mehr aus dem Ohr.

Diese gewisse "Burtness" seiner quecksilbrigen Schmelzkaskaden, deren vertrackte Tiefenstrukturen wie Kontrastverstärker wirken, verdankt sich zum Beispiel seinem Studium beim polytonalen und polyrhythmischen Avantgarde-Komponisten Darius Milhaud - doch schon als Teenager, in den Vierzigern in Manhattan, hatte Bacharach auch die BeBop-Clubs auf der 52nd Street besucht.

Verlorener Horizont

Er selbst sagt, er sei stark von Maurice Ravels "Daphne und Chloe" beeinflusst - daher vielleicht sein Gespür für üppige Instrumentierungen; mit Triangel und Glockenspiel bei "You'll Never Get To Heaven", Vibraphon bei "Make It Easy On Yourself", dazu, oft genug, Trompete und Flügelhorn. Wir reden, bitteschön, von den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die frühen Aufnahmen mit Dionne Warwick, denen die Sexiness aus allen Poren dringt, fußen auf Gospel sowie R&B; "I'll Never Fall In Love Again" oder "Paper Mache" aber verströmen die luftig-leichte Atmosphäre des Bossa Nova.

Frühe Wanderjahre als Pianist, Orchesterleiter und Arrangeur verbrachte Bacharach von 1958 bis 1961 auf Tour mit Marlene Dietrich; daneben schrieb er Songs, übrigens nie am Klavier, sondern auf dem Sofa, sinnierend. Einer seiner ersten Hits war "Magic Moments", gesungen von Perry Como, 1958, die erste erfolgreiche Kollaboration mit Hal David.

Was dieser Mann dichtete, wurde zur idealen Melancholie-Grundierung von Burts Quecksilbersound. Etwa, in "Make It Easy On Yourself": "And if the way I hold him / Can't compare to his caress / No words of consolation / Will make me miss you less". Nur Brian Wilson oder Paddy McAloon haben im Pop vergleichbare Zeilen zu Papier gebracht.

Bacharach stand Ende der Sechziger jedenfalls im Zenit seines Erfolges, er war mit dem "Rat-Pack"-Girl Angie Dickinson verheiratet, 1968 reüssierten er und David mit dem Musical "Promises, Promises" am Broadway, 1970 brachte Newsweek eine Titelgeschichte. Und dann kam der Film "Lost Horizon", ein Remake des Klassikers von Frank Capra als Kinomusical - und wurde ein Riesenflop. David, Warwick und Bacharach verkrachten und verklagten sich, der Film "löschte mich aus", wie er sagte. Inzwischen feiert Bacharach, nach einer ersten Retro-Welle in den Neunzigern, seinen x-ten Frühling. Es ist kaum zu glauben, aber am Pfingstmontag wird der Mann, der "Walk On By" schuf, 80 Jahre alt.

© SZ vom 10./11./12.5.2008/korc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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