Zeitgenössischer Tanz:Trug der Unendlichkeit

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Cayetano Soto gründelt in seinem Stück „Beginning After“ tief in hochexpressiven Gesten, hier mit Shori Yamamoto (liegend) und Eunji Yang. (Foto: Jan-Pieter Fuhr)

"Dimensions of Dance. Part 2" - ein unterschiedlich gewichteter Tanzabend mit dem Ballett Augsburg

Von Eva-Elisabeth Fischer, Augsburg

Diesmal bleibt die Bühne weitgehend leer. Allenfalls ein paar zweckdienliche Versatzstücke teilen den schmucklosen Raum, um einen choreografischen Effekt zu verstärken. Den "Dimensions of Dance. Part 2", einem vierteiligen Tanzabend des Augsburger Balletts im Martini-Park, ist, wie unschwer zu vermuten, bereits ein erster, übrigens sehr erfolgreicher Teil vorausgegangen. Drei Choreografen riskieren auch diesmal wieder das Schwerste, das Unerbittlichste, nämlich die Konzentration auf den reinen Tanz, den Tänzerkörper, ausgesetzt im leeren Raum und ganz nah dran am Publikum.

Die Augsburger können ein solches Wagnis eingehen, denn im sechszehnköpfigen, stilistisch flexiblen Ballettensemble bewährt sich eine jede, ein jeder solistisch und bestätigt, was inzwischen jeder weiß: Nie war hochtrainiertes tänzerisches Potenzial international so inflationär verfügbar wie heute. Und doch setzen Tänzerpersönlichkeiten wie etwa der raubtierhafte Marcos Novais oder die geheimnisvolle Eunji Yang all den Tanzdimensionen aller anderen noch mindestens eine weitere drauf. Die beiden sind natürlich auch in der einzigen Uraufführung des Abends zu sehen, in "yourFace" des amerikanischen Choreografen Peter Chu. Das ganze Ensemble sucht dabei strumpfsockig in Anzügen, mit den rhythmisch aufschlagenden Körpern dem Tanzboden schon mal dumpfe Schläge abringend, hinter transparenten Masken vergeblich nach dem wahren menschlichen Antlitz.

Auch wenn dieser Abend inhaltlich wie musikalisch disparat ist, so fügen sich dessen einzelne Teile doch überraschend zu einem freilich unterschiedlich gewichteten, dennoch homogenen Ganzen. Und dies nicht nur, weil das den Raum ins Unendliche verlängernde Schwarz dominiert, das Menschen so effektvoll, gleichsam aus dem Nichts nach vorn schickt und sie ebenso wieder verschluckt. Ballettchef Ricardo Fernando aber wählt für seine "Tanzminiaturen" ein helles Blau. Bachs Goldberg-Variationen eröffnen den Abend sozusagen im Ballettsaal beim täglichen Exercise. Fernando teilt dann das Ensemble auf in Pas de deux oder Vierergruppen, die er vor und hinter Glas doppelt und so einen trügerischen Spiegeleffekt erzielt. In seinem groß angelegten Opus "Nacht", das den Abend beschließt, hingegen arrangiert er seine von Trockeneis umnebelten Tänzerinnen und Tänzer großspurig gleichsam in Cinemascope: Bewegungsminimalismus, kleinteilig aufgemotzt, analog zum changierenden Klangbombast Ólafur Arnalds'.

So etwas wiegt allzu leicht nach Cayetano Sotos "Beginning After", den ebenso konzentriert strukturierten wie tiefgründelnden Begegnungen von fünf Tänzerpaaren in gleitenden Formationen zu zwei Händel-Arien. Spannend vor allem die unvorhersehbaren, die einander unerwartet ablösenden Konstellationen - eine so eindringlich wie die folgende. Und deshalb herzlich bejubelt.

© SZ vom 16.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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