YouTube: Gebührenstreit mit Gema:Heute kein nackter Willie

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Halbherzige Korrektheit oder Interessenskonflikt: YouTube streitet weiter mit GEMA, sperrt aber nur einzelne Musikvideos.

Jens Christian Rabe

Jetzt ist es also doch noch passiert. Das populäre Internet-Videoportal YouTube hat, wie am Dienstag angekündigt, wegen eines Gebührenstreits mit der GEMA Musikvideos gesperrt. Das heißt, nur leicht überspitzt: Zwei oder vielleicht auch drei Pop-Clips kann man jetzt nicht mehr sehen. Stattdessen erscheint ein Balken samt Notiz: "Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar. Wir können dir das ursprüngliche angesagte Video für diesen Kanal aufgrund von Alters- oder Ortsbeschränkungen nicht anzeigen." In wirklich großem Stil hat eine Sperrung bislang jedoch, anders als angeblich geplant, nicht stattgefunden. Zuerst gesperrte Videos wie Coldplays "Viva La Vida" zum Beispiel waren am Donnerstag wieder abrufbar. Viel Lärm um fast nichts?

Willie Nelsons "Naked Willie" ist "in diesem Land nicht verfügbar." (Foto: Foto: screenshot youtube.com)

Der Sprecher des YouTube-Eigentümers Google, Henning Dorstewitz, betont, die Verzögerungen seien "rein technisch" bedingt. Es gehe nach wie vor nicht um symbolische PR-Maßnahmen, sondern um die Vollsperrung des Angebots aller Videos, die die bei YouTube registrierten Plattenfirmen eingestellt haben. Im Streit mit der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA wolle man nur "rechtlich auf der sicheren Seite sein".

Dass sich das Unternehmen dorthin höchstens im Schneckentempo bewegt, zeigt sich jedoch daran, dass man am Donnerstagabend etwa auf den YouTube-Kanälen der Major-Plattenfirmen EMI und Universal noch alle Videos sehen konnte. Auf Nachfrage wird man von Dorstewitz auf die Seite des dritten Majors mit YouTube-Channel, Sony Music, gelotst. Und tatsächlich: Beim Versuch das Sony-Top-Video, ein Clip zu Willie Nelsons "Naked Willie", ablaufen zu lassen, erscheint obige Sperr-Notiz. Gleiches gilt für den Großteil der übrigen Videos des Kanals. Als illegale Kopien sind alle Clips natürlich weiterhin problemlos bei YouTube abspielbar.

Künstler, Rechte und Macht

Hintergrund der bislang nicht allzu zahlreichen wirklichen Ereignisse sind die Verhandlungen zwischen YouTube und der GEMA über eine neue Gebühren-Vereinbarung. Die GEMA vertritt die Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte von Komponisten, Textern und Verlegern von Musikwerken. Der bisherige Gebühren-Vertrag mit YouTube war nach 18 Monaten am Dienstag ausgelaufen. Ein neuer war offenbar bis dahin nicht zustande gekommen. Über Details schweigen sich beide Seiten aus. Im Kern dürfte es vor allem darum gehen, dass YouTube nicht soviel Lizenzgebühren bezahlen will, wie die GEMA fordert.

Zugespitzt hatte sich der Streit zuletzt, weil sich YouTube weigerte offenzulegen, welche Werke von welchen Komponisten wie oft abgerufen werden. Die GEMA benötigt diese Zahlen, um mit ihren Mitglieder korrekt abrechnen zu können. In der Zusammenarbeit mit Radiosendern ist dies seit langem üblich. Für die GEMA führen die Sender genaue Listen über ihr Repertoire. Aufgrund dieser Listen werden dann die Ausschüttungen für jedes einzelne GEMA-Mitglied errechnet. YouTube will diese Informationen aber nicht liefern, fordert im Gegenzug vielmehr seinerseits GEMA-Daten.

Erst, wenn man genau wisse, wen die GEMA überhaupt vertrete, so YouTube/Google-Sprecher Dorstewitz, könne man die Gebühren zweifelsfrei festlegen. Diese Daten wiederum will die GEMA nicht liefern und verweist darauf, dass Angaben über die von ihr vertretenen Werke und Künstler auf ihrer Internet-Seite einsehbar sind. YouTube geht offenbar davon aus, dass die GEMA nicht mehr die Rechte von 100 Prozent der Künstler vertritt, deren Videos bei YouTube laufen. Wenn die Verwertungsgesellschaft aber nun beispielsweise nur noch 80 Prozent der Künstler vertrete, dann wolle YouTube auch entsprechend weniger bezahlen.

Auf der Seite der Plattenfirmen übrigens, die das Portal als Werbemedium schätzen, herrscht Besonnenheit. Mehr als leises Bedauern ist bislang nicht zu vernehmen, die meisten verweisen auf den Bundesverband der Musikindustrie. Aber auch dort will man sich vorerst nicht einmischen. Manches spricht dafür, dass bei dieser Machtprobe YouTube/Google am längeren Hebel sitzen wird.

© SZ vom 3.4.2009/irup - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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