Worüber in München diskutiert wurde:Schlag auf Schlag

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Illustration: Dennis Schmidt / Foto: imago (Foto: uz)

Im Jahr 2016 wurde so viel öffentlich gestritten wie selten. Auch um des Kaisers Bart

Von Eva-Elisabeth Fischer

Eine Debatte ist, so kann man nachlesen, das formal geregelte Streitgespräch vor einer Abstimmung. Kommt es zu keinem befriedigenden Ergebnis, wächst sich die Debatte zu einer oft lang anhaltenden und irgendwann quälenden Kontroverse aus. So ist das in der Konzertsaal-Frage gelaufen, von der in der Folge auch der Sanierungsumfang des Gasteigs abhängt. Generell ist die Debatte ein hervorragendes demokratisches Instrument, um am Ende zu einer Lösung zu gelangen. Dabei punkten nicht unbedingt die besseren Argumente, sondern die stärksten rhetorischen Fähigkeiten.

Bei fairen Debatten spricht man auch von Streitkultur. Streitkultur beflügelt. Es sei denn, ein einzelner wirft einen Stein ins Wasser, um sein Ego zu stärken. Dann erwächst daraus noch lang keine Debatte, zumal dann, wenn eigentlich gar keine Abstimmung über etwas ansteht. Man nehme nur das Beispiel Sebastian Schnitzenbaumer. Den Gesellschafter des Plattenlabels Schamoni Musik könnte man einen Idealisten nennen, aber ebenso gut einen Gschaftlhuber. Im Oktober nämlich tat er kund, die Stadt München auf Schadensersatz verklagen zu wollen, weil sie einzig mit Klischees wie der Wiesn und dem FC Bayern werbe. Solche Werbung mache es Künstlern nachgerade unmöglich, mit alternativer Popmusik über die Stadtgrenzen hinaus als glaubwürdig angesehen zu werden.

Schnitzenbaumer hat mit seiner Aktion eine astreine Scheindebatte unter dem Motto "Monokultur München" losgetreten, die vor allem ein paar nicht mehr ganz taufrische Zausel der Münchner freien Musik-, Tanz-, Theater und Kunst-Szene zum Anlass nahmen, sich wieder einmal vor Publikum in Widersprüchen zu verheddern. Im Übrigen bekümmert den Monokultur-Akteur bei seiner Einlassung weit mehr die Außenwirkung als die Kunst an sich. Auf diese Weise geht er unfreiwillig mit Gabriele Weishäupl, der ehemaligen Leiterin des Münchner Tourismusamts, konform. Aber auch mit den Medien, die in der Hoffnung auf höhere Auflagen und Klicks eine Kampagne lostreten, die im Zweifelsfall sogleich als Rohrkrepierer versandet.

Die Monokultur-Diskussion hat mit manchen großen Debatten immerhin gemein, dass es auch um das Ansehen der Stadt und nicht nur um die Sache an sich geht. Das betrifft die Konzertsaal-, die Noch-Nicht-Debatte um die Gasteigrenovierung. Und auch den aktuellen Ästhetik-Streit um die Münchner Kammerspiele, losgetreten von enttäuschten Theatergängern, die ihr Schauspielertheater wiederhaben wollen. Dieser Streit, der ja nicht einmal ein Generationenstreit ist, erübrigte sich sofort, gäbe es die Jutier- und Tonnenhalle auf dem Kreativquartier schon mit einem Direktor namens Matthias Lilienthal.

Außerdem interessiert vor allem die Sanierung des Hauses der Kunst, da es sich hierbei um ideologische kontaminiertes Gelände handelt, nämlich einen Nazi-Repräsentations-Bau, der nun nach den Plänen des Architekten David Chipperfield in den Originalzustand rückgebaut werden soll. Das ist beschlossene Sache. Der folgende Bürgerprotest dreht sich allerdings kaum um die sensible Balance, den teilweisen Nachbau eines historisch fragwürdigen Monuments nach den Vorstellungen demokratischen Bauens für alle zu öffnen. Nein, er richtet sich einzig gegen die Absicht, ein paar Bäume vor dem Treppen-Entree an der Prinzregentenstraße zu retten. Sehr klein gedacht. Ergo: Debattieren lernen heißt groß denken lernen. Davon sind wir alle meist meilenweit entfernt.

© SZ vom 31.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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