Witwe Immendorff: Oda Jaune:Schöne Albträume

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Der Mann als unförmige Unperson: Oda Jaune, die schöne Witwe des Malers Jörg Immendorff, will nun endlich ernst genommen werden und zeigt in Paris ihre eigenen Bilder.

J. Willms

Letzthin war es recht still um Oda Jaune geworden, die bislang vor allem als die mädchenhaft schöne junge Frau an der Seite des Malers Jörg Immendorff bekannt war. Seit Samstag werden von ihr in der Galerie Daniel Templon in Paris Gemälde gezeigt, die sie im letzten Jahr geschaffen hat.

Oda Jaune, 1979 als Michaela Danovska geboren. (Foto: Foto: dpa)

Es ist dies ihre erste Ausstellung seit dem Tod von Immendorff, mit dem sie seit 2000 verheiratet war und der im Mai 2007 starb. Die Ausstellung führt einen Titel, der aufmerken lässt: "May you see rainbows". Das war ein feministischer Slogan in den siebziger Jahren.

Oda Jaune lebt seit dem vergangenen Sommer in Paris. Als Michaela Danowska wurde sie im November 1979 in der bulgarischen Hauptstadt Sofia geboren. Den Künstlernamen, den sie heute führt, gab ihr Immendorff. Das geschah auf ihren Wunsch hin, wie sie sagt, denn sowohl der Vater wie auch ihre ältere Schwester sind als Künstler tätig. Deshalb wollte sie anders heißen.

Auf die Frage, warum sie nach Paris und nicht nach Berlin oder New York gegangen sei, antwortet sie spontan: "Weil Paris so wunderschön ist. Auch wenn ich im Unterschied zu meiner Tochter Ida, die hier zur Schule geht, das Französische noch nicht gut beherrsche, habe ich mich keinen Tag als Fremde gefühlt. Ich kann mich ganz auf meine Arbeit konzentrieren. Das war mir so in Deutschland nicht möglich."

Bestimmt, klug

Im Übrigen sei sie auch deshalb aus Düsseldorf weggegangen, weil das Werk, das Jörg Immendorff hinterließ, ihre Gegenwart nicht brauche, denn es lebe aus sich selbst und beweise so seinen Bestand.

Schon diese Antwort verrät, welch großes künstlerisches Selbstbewusstsein die zierliche 29-jährige Oda Jaune hat, die sich mit ihrer hohen Mädchenstimme sehr bestimmt und klug zu äußern weiß. Dazu gehört auch, dass sie manches nicht offen ausspricht, sondern sich mit Andeutungen bescheidet. Das gilt etwa dafür, dass sie nicht als Witwe Immendorffs gelten, sondern vor allem als Künstlerin anerkannt werden will.

Dieses Verlangen drückt auch ihre ganze Erscheinung aus, etwa der radikale Verzicht auf jegliches Make-up. Vorbei, so scheint es, wenn man ihr in der Ausstellung begegnet, die Zeit des glamourösen Images, jener geschickt inszenierten Mischung aus Raffinesse und Mädchenhaftigkeit, die sie an der Seite des von einer schweren Nervenkrankheit gezeichneten Jörg Immendorff zur Schau stellte. Nicht wegen ihres blendenden Aussehens, sondern ihrer Werke, ihrer Kunst wegen will sie nun geschätzt werden.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, was Oda Jaune für überflüssig hält.

Unübersehbar hat Oda Jaune mit der Übersiedelung nach Paris ein neues Leben begonnen. Das zeigen vor allem die von ihr gezeigten Bilder. Diese würden, wie sie sogleich betont, nicht geträumte Visionen oder Phantasien wiedergeben, sondern seien Kompositionen, die sich unter einem sehr wachen Schaffensprozess von selbst einstellten.

Der Mann als unförmige Unperson: Ein Werk von Oda Jaune, die mit ihren leicht surrealistischen Bildern manch Kritiker-Häme einstecken muss und viele Kunstsammler begeistert. (Foto: Foto: Courtesy of the artist, Galerie Daniel Templon, Paris)

Den ersten Anstoß zu einem Bild liefere ihr eine Idee, ein Gedanke oder auch ein Bildmotiv, das sie in einer Fotografie entdeckt. Vor allem die riesige Fülle von Fotografien, die ins Internet gestellt werden, werte sie für ihre Arbeit aus. Allerdings lasse sie unter dem Prozess des Malens ihren eigenen bildnerischen Vorstellungen freien Lauf. Oft auch kombiniere sie unterschiedliche Motive miteinander, verzerre diese und füge sie zu einem neuen Zusammenhang zusammen. Aber das sei ein schöpferischer Vorgang, den man nicht erklären könne.

Konsequent verzichtet Oda Jaune darauf, ihren Werken Titel zu geben. Sie sagt, das sei überflüssig, denn der Betrachter sehe ja, was das Bild zeige. Was aber zeigen ihre Bilder? Oft sind es grotesk verstümmelte, bisweilen völlig gesichtslose Menschen, die manchmal auch nur auf einige Gliedmaßen oder Organe reduziert sind. Bis auf wenige Ausnahmen muten alle ihre Werke wie Episoden aus Albträumen an.

Einfach nur schön?

Oda Jaune widerspricht dieser Interpretation, denn ihre Bilder seien an der Oberfläche einfach nur schön. Ob man sie als bedrohlich oder grausig erlebe, hänge allein von einem selber ab. Sie empfinde im übrigen etwas als schön, das sie immer wieder anschauen möchte. Deshalb male sie auch stets nur Motive, an denen sie sich nicht sattsehen könne. Mit dem Rot von Blut etwa verbinde man immer Schmerz und Verletzung. Für sie gebe es nichts Schöneres als ein tiefes, samtiges Blutrot.

Manche grausigen, bisweilen auch grotesk-witzigen Bildeinfälle der Oda Jaune erfasst man oft erst beim zweiten Hinschauen. Da ist zum Beispiel die Hündin, die auf ein Sofa gelagert ihre Welpen säugt. Abgründig wird dieses Motiv erst, sobald man das Bild im Bild gewahrt: An der Wand hinter dem Sofa hängt ein Bild, das den auf einen Fleischwurstring reduzierten Körper eines Mannes zeigt, der in einer Lederhose steckt. Oder auch das Paar beim Liebesspiel auf einer Bank: Seine rechte Hand ist in ihre Bluse geschoben, während ihre Rechte auf seinem Oberschenkel liegt. Das Gesicht des Mannes ist nur eine unförmige Masse, die von der Frau geküsst wird.

Die Kunstkritikerin Catherine Millet schreibt in ihrem Vorwort zu dem Ausstellungskatalog, dass der Betrachter Abstand gewinnen müsse, um das Monströse zu gewahren, das auf Oda Jaunes Bildern die vordergründige Harmonie und Idyllik zerbricht. Eben das ist es auch, was diese Werke von jenen der Surrealisten unterscheidet, mit denen sie bisweilen in Beziehung gebracht werden. Ihre Botschaft eines albtraumhaften Grauens tritt einem in der Banalität des vermeintlich Alltäglichen entgegen - und das scheint dem französischen Publikum zu gefallen.

Die Hälfte der gezeigten zwölf Ölgemälde, darunter das Paar auf der Bank, waren bei Eröffnung der Ausstellung schon verkauft. In Paris, so scheint es, findet die Witwe Oda Jaune Anerkennung als Künstlerin.

© SZ vom 2.3.2009/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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