Wirre These zum Olympia-Attentat:Nicht mal die Zahlen stimmen

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Antisemitische Äußerungen zum Olympia-Attentat von 1972: Professor Arnd Krüger kommt mit einer Rüge davon.

Michael Barsuhn

Mit einer scharfen Rüge durch die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) endete das Ausschlussverfahren gegen Professor Arnd Krüger, Direktor des Sportwissenschaftlichen Instituts der Uni Göttingen. Krüger hatte im Juni auf der Jahrestagung der Sektion Geschichte der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft an der Universität Göttingen die Ansicht vertreten, die 1972 beim Olympia-Attentat durch palästinensische Terroristen ermordeten israelischen Athleten seien freiwillig in den Tod gegangen, "um der Sache Israels...zu nutzen".

Hat seine Erklärungen mittlerweile zurückgezogen und sich entschuldigt: Arnd Krüger, Professor für Sportwissenschaft an der Uni Göttingen. (Foto: Screenshot: www.ifs.sport.uni-goettingen.de/ifs/dozenten/akruege)

Damit hätten Schuld als auch Schulden Deutschlands gegenüber verlängert werden sollen. Seine These vom Opfergang der Athleten suchte Krüger mit einem angeblich differierenden Körperverständnis in Israel zu erklären; die Abtreibungsrate sei höher als in anderen Industrienationen, eine Argumentation, bei der nicht einmal die von ihm im Vortrag behaupteten statistischen Zahlen stimmten.

Obwohl Krüger nach Votum des dvs-Präsidiums der Ausschluss aus der Wissenschaftsgemeinde erspart bleibt, kommt das Gremium zu einem differenzierten, inhaltlich vernichtenden Urteil. Krüger habe mit dem Vortrag "wesentliche Grundsätze geistes- und sozialwissenschaftlichen Arbeitens verletzt", seine Behauptungen "können als antisemitische Positionen verstanden werden".

Weder sei saubere Recherche erkennbar "noch das unverzichtbare Bemühen um eine nachvollziehbare und überprüfbare Begründung der vertretenen Auffassung." Krügers Einwand, sein Vortrag sei nur ein "Werkstattbericht" gewesen, wies das Präsidium zurück. dvs-Tagungen seien öffentlich, "für jedermann zugänglich und kommentierbar". Es gehöre zur Freiheit wissenschaftlichen Forschens, "unpopuläre Fragen zu stellen und auch provokante Thesen aufzustellen", jedoch gäbe es Forschungsgegenstände, "deren Bearbeitung besonderer Sorgfalt bedürfen. Dazu gehören zweifellos im deutschen Wissenschaftsdiskurs die jüdische Geschichte und daraus abgeleitete Fragen bzw. Behauptungen."

Uni Göttingen unbeeindruckt

Krügers Äußerungen "verfehlen in gravierender Weise die allgemeinen Regeln guter wissenschaftlicher Praxis". Dass er trotzdem Mitglied bleiben darf, wird mit seiner Biographie und bisherigen Schriften begründet. Die dvs sei überzeugt, dass Krüger "kein antisemitisch denkender und handelnder Mensch ist". Zu berücksichtigen sei zudem, dass er seine Erklärungsversuche öffentlich zurückgezogen und sich entschuldigt habe, wiewohl dies sehr spät geschehen sei.

Unbeeindruckt zeigt sich die Uni Göttingen: Schon vor Wochen teilte sie mit, eine Ombudskommission habe entschieden, das Vorprüfungsverfahren einzustellen, "weil sich der Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten als haltlos erwiesen hat". Wie die Universität zu diesem Urteil gelangt, würde man nach der dvs-Analyse gerne erfahren. Doch interessanterweise ist der Bericht der Ombudskommission nur in Auszügen im Internet einsehbar, die vollständige Fassung wird bislang unter Verschluss gehalten.

Auch ein Brief des israelischen Botschafters Yoram Ben-Zeev an den Uni-Präsidenten vom 6. August blieb bisher unbeantwortet. Göttingen müsse selbst entscheiden, so Ben-Zeev, "ob Form und Inhalt des Vortrags von Krüger ihren wissenschaftlichen Standards und intellektuellen Ansprüchen genügen". Krüger habe nicht nur "die Gefühle der Angehörigen der Opfer von 1972 verletzt, sondern auch die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis".

© SZ vom 12.09.2008/sst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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