"Wetten, dass..?" - Die Kotwette:Das war nur Mist

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Wenn Thomas Gottschalk sich in die Niederungen organischer Stoffwechselprodukte verirrt, gewinnt er nach Quoten-Punkten, aber er verliert sich selber.

Bernd Graff

Ein altes nordfriesisches Sprichwort sagt: "Scheiße schmeckt. Milliarden Fliegen können sich nicht irren." Thomas Gottschalk ist, man muss es sagen, bei den Fliegen angekommen.

Kandidatin: "Riecht kräftig" - Gottschalk: "Ist ja auch 'ne Menge." Willkommen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen am Samstagabend zu bester Sendezeit. (Foto: Foto: ZDF)

Ein Samstagabend im frei empfangbaren Fernsehen, öffentlich-rechtlich tritt an gegen privat, der Quotenking der Altvorderen, Thomas Gottschalk, gegen die Uraltqueen der Jüngeren, Ingrid van Bergen, die auch noch Dschungelkönigin werden wird.

Das sind 180 gefühlte Lebensjahre auf Kollisionskurs, und doch gilt dies im Land der Teutonen als TV-Optimum. Mehr geht nicht. Allenfalls dann, wenn Raab sich mal wieder nicht schlagen lässt, wohnen noch mehr Zuschauer bei.

Doch was wird da gesendet, was ist so erfolgreich, wenn mal kein trällernder Kukidentstadl gegen sorgfältig geknickte Sofakissen flimmert?

Es ist der fernsehverköstigte Abgrund. Das gilt jedenfalls seit Samstag auch für öffentlich-rechtliches Fernsehen. Denn da ließ Gottschalk Dung auf Tafelsilber servieren - im Wortsinn.

Kein Scherz: Kandidaten bei "Wetten, dass..?", zwei Tierpfleger, erschnupperten für die Kameras des ZDF und alle draußen im Lande die Herkunft von Tierkot. Willkommen im Land der Fliegen! Mit dem Zweiten riecht man besser.

Gottschalk höhnte sogar gegen das RTL-Finale des üppig wuchernden Dschungelschwachsinns gewendet: "Euren Scheiß können wir schon lange."

Stimmt, und dafür zahlt der aufrichtige Deutsche auch gerne seine GEZ-Gebühren, weil Tierkot an gedeckter Tafel wahrscheinlich jenem Kulturauftrag entspricht, auf den sich Gottschalk noch im Privatissime mit Marcel Reich-Ranicki vor Vierteljahresfrist hatte einschwören lassen.

Mit dem Zweiten riecht man besser

Intelligenz, Unterhaltung und Kultur, so lernen wir, reimen sich nur noch auf Ekel. Denn das ist inzwischen der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich Fernsehanstalten gleich welcher Couleur geeinigt haben. Stimmt nicht: Auf Ekel und Demütigung.

Seite geraumer Zeit, seit "Big Brother" und der Verbohlung Deutschlands, das seine Superstars ja per Würgeselektion suchen muss, erleben wir, dass man Nobodys nur in ihrem Trudeln ausstellen muss, um Fernsehquote zu machen. Wer die mal Promi, mal Kandidat genannten Nichtse sind, interessiert nach Sendeschluss nicht weiter.

Ekel und Demütigung, die Zurschaustellung von Grenzüberschreitung und Tabubruch sind sich selbst genug.

Das Entscheidende hier ist nicht der Kitzel, öffentlich und öffentlich-rechtlich mit Ekel und Frivolitäten zu flirten. Entscheidend ist, dass man bei den quotengeknechteten Sendern glaubt, in Demütigungstribunalen und in der Latrine auf so etwas wie Realität und unverfälschte Wahrhaftigkeit stoßen zu können. Was könnte echter sein als ein heulender Teenager, was unmittelbarer als Elefantenkot und was wahrhaftiger als der Schauder, den halbnackte Menschen spüren, denen gerade Kakerlaken um sämtliche Körperöffnungen kriechen!

Besonders, und das gilt für Gottschalks Geruchstester wie für die Elenden und Verlassenen eines arrangierten TV-Camps, sind dabei nicht die ausgestellten Individuen, sondern die Art ihrer Ausstellung. Und das ist schließlich mit dem "Scheiß" gemeint, den Gottschalk angeblich ja schon lange beherrscht und bei dem die Kandidaten nur eilfertige Erfüllungsgehilfen sind.

Man mag das zynisch finden und, ja, menschenverachtend.

Im Grunde genommen findet quotengebeuteltes Fernsehen in Kotwetten, im Voyeurismus öffentlicher Demütigungen nur in letzter Konsequenz zu sich selbst. Denn, so Gottschalk am Sendeabend über die Kotwette, "es soll ja für unsere Zuschauer so interessant wie möglich sein". Und interessant sind unterste Schubladen ja schon immer gewesen.

Doch Scheiße bleibt Scheiße. Daran ändern auch Milliarden Fliegen nichts. Und schon gar nicht der Versuch, sie als Candle-Light-Dinner unter Kandelabern zu zelebrieren. Gottschalks Promis würgten erkennbar auf dem Sofa unter dem Postamtfurnier. Viele Zuschauer werden weggesehen haben - nicht nur die anal Gestörten.

Aber es kann sein, dass Mainzelmännchen das inzwischen anders bewertet sehen möchten. Sie werden es vermutlich interessant gefunden haben.

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