Werk der Wahl:Tanz mit dem Schicksal

Lesezeit: 2 min

Dem Gastronomen Ulrich G. Dahlmann geht ein Beckmann-Bild nicht mehr aus dem Sinn

Seit wir im Museum Brandhorst mit dem "Horst" das Museums-Café betreiben, ist das Kunstareal fast schon zu meiner zweiten Heimat geworden. Nicht nur, weil ich selbst oft in unserem Café bin. Durch meine Begegnungen mit Achim Hochdörfer, dem Direktor des Museums Brandhorst, und den Pin-Freunden ist eine intensive Verbindung mit dem Kunstareal entstanden. Und ich freue mich sehr, in einer Stadt zu leben, die der Kunst einen solchen Raum ermöglicht.

Also nutze ich meine Besuche im "Horst" auch immer wieder einmal für einen Streifzug durch eines der Museen, sammle neue Eindrücke und lasse mich inspirieren. Bei einem dieser Streifzüge durch die Pinakothek der Moderne fiel mir dabei kürzlich das Bild "Tanz in Baden-Baden" von Max Beckmann auf - der als einer der bedeutendsten Vertreter des deutschen Expressionismus gilt und auch international als Professor der Frankfurter Städelschule bekannt wurde.

Max Beckmanns "Tanz in Baden-Baden" aus dem Jahr 1923 - voller Vorahnung auf die nachfolgenden düsteren Zeiten? (Foto: Sammlung Moderne Kunst, Pinakothek der Moderne)

Nicht weil ich Max-Beckmann-Kenner wäre, sondern weil das Werk auf den ersten Blick Assoziationen zu meiner Arbeit weckt. Immerhin geht es bei unseren Veranstaltungen, oftmals in sehr elegantem Rahmen, darum, Menschen zusammen zu bringen und zu unterhalten - und ja, auch zum Tanzen zu animieren. Hinzu kommt: Während meiner Ausbildung im Schwarzwald bin ich immer wieder in Baden-Baden ausgegangen. Mein ganz persönlicher Tanz in Baden-Baden sozusagen.

Doch das ist nicht der Grund dafür, dass mir die Arbeit von Beckmann nicht mehr aus dem Sinn ging. Auf den ersten Blick versprüht das Bild eine gewisse Lockerheit durch die bunten Farben der schwingenden Abendkleider im Tanz. Wenn man aber weiter hineinsieht, merkt man den starren und vorsichtigen Ausdruck der Tanzenden. Berührt hat mich hier der Widerspruch zwischen der vordergründig eleganten Szenerie und dem ernsten Ausdruck auf den Gesichtern der Menschen.

Ulrich G. Dahlmann ist in Franken geboren und hat nach Abitur und Auslandsaufenthalten 2007 Dahlmann Catering gegründet. Er betreibt unter anderem die "Horst Esskultur-Bar" im Museum Brandhorst. (Foto: Stephan Rumpf)

Der erste Gedanke des Caterers ist natürlich, dass da der Gastgeber irgendwas falsch gemacht haben muss. Doch dann begann ich weiter zu forschen: Wieso war Beckmann eigentlich in Baden-Baden? Wie erlebte er 1923 die Stimmung dort? Zeigte er mit diesen Gesichtern schon eine Vorahnung auf die dunkelste deutsche Epoche? Mir wurde bewusst, wie deutlich dieses Bild die damalige Stimmung eingefangen haben muss. Zwar waren 1923 die politischen Verhältnisse vordergründig wieder stabiler, doch das Land war tief gespalten.

Die bessere Gesellschaft konnte sich (noch) mondäne Abende leisten, aber so recht in Stimmung kam man offenbar nicht in Baden-Baden. Von Ausgelassenheit und Unbeschwertheit keine Spur. Nur zehn Jahre später sollte Beckmann am eigenen Leib verspüren, wie brutal und rücksichtslos die Nazis auch die Kunst verändern würden: Im April 1933 wurde er fristlos aus seiner Professur an der Frankfurter Städelschule entlassen und ist schließlich 1937 nach Amsterdam emigriert. Vergegenwärtigt man sich diese Zusammenhänge, wird einem sehr bewusst, wie wertvoll die Freiheit und die Stabilität ist, die wir hier in Deutschland, hier in Europa erleben. Und wie sehr wir diese Freiheit schützen müssen. Zugleich zeigt es mir aber auch deutlich, wie wichtig eine gewisse Leichtigkeit im Leben ist. Wie wichtig es ist, sich nicht von Konventionen einengen zu lassen. Und wie wichtig es ist, das Leben zu genießen.

Pinakothek der Moderne , Barer Str. 40, Di-So, 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: