Werk der Wahl:Glas lernt schweben

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Schmuckdesignerin Tamara Comolli liebt die Vasen von Archimede Seguso

Zwei Dinge haben mich bei den Vasen der Serie "A Piume" begeistert, als ich diese in der wunderschönen Muranoglas-Ausstellung der Neuen Sammlung sah: Es waren die Farbverläufe im Material Glas und die fast unsichtbare Integration der Federn. Beides gibt den Vasen von Archimede Seguso auch etwas sehr Modernes, bedenkt man, dass diese schon 1956 entstanden sind und im selben Jahr auf der Biennale di Venezia gezeigt wurden.

Diese so leicht wirkenden Vasen wären ohne die technische Materialkenntnis und die hervorragende Kunstfertigkeit eines Archimede Seguso nicht denkbar, der in den 1950er Jahren zu den besten maestri vetri auf Murano zählte. Bei ihm lagen Entwurf und Ausführung in einer Hand. Seine Vasen gehören zur glanzvollen Ära des Muranoglases, das in diesem Jahrzehnt seinen Höhepunkt erlebte, auf den Triennalen in Mailand und Biennalen in Venedig Aufsehen erregte und international wesentlich zur Erneuerung der modernen Glasgestaltung beitrug.

Es ist einfach sensationell, wie das Feder-Dekor wirkt, als würde es wie zufällig in der Vase schweben. Für mich ist die Kombination aus Form und Elementen aus der Natur sehr nahe an dem, wie ich meine Designs verwirkliche. Farben spielen eine wichtige Rolle, wenn ich Edelsteine kombiniere. Und Seguso macht dies sehr subtil, indem er mit den Farben des Regenbogens spielt und durch den Farbverlauf auch noch die Formen der Vasen betont. Mit dem wechselnden Tageslicht in der Ausstellung der Neuen Sammlung kommen sie erst recht zum Leuchten.

Spannend finde ich, dass die Federn unauffällig sind: nicht protzige Zierde, sondern wie ein vorbeifliegendes Etwas. Die Federn wirken schwerelos und sind so im Kontrast zum gewichtigen Material. Das ist ein bisschen wie bei meinem Schmuck, dessen Herausforderung immer darin liegt, Design und Material zu verbinden.

"Color Stories" nenne ich meine Kollektion, die Edelsteine in verschiedensten Farbwelten miteinander kombiniert und mit allen Goldtönen interpretiert. Wenn ich sehe, wie die Murano Glaskunst mit Farben, deren Akzenten und Verläufen spielt, dann erkenne ich viele Gemeinsamkeiten. Insbesondere die Liebe zu Farben und dem großartigen Lichtspiel, die trotz der Beschaffenheit des Material eine unheimliche Leichtigkeit suggeriert und dazu einlädt, sich im Miteinander der Farben zu verlieren und der eigenen Fantasie freien Lauf zu lassen, beeindrucken mich sehr.

Edelsteine und Glas haben hier viel gemeinsam. Die Ausstellung in der Pinakothek versetzt mich in meine Welt. Zugleich ermöglicht sie mir aber auch neue Blicke auf meine Arbeit, regt mich zu Experimenten mit Form und Farbe an und dient mir als Inspirationsquelle für meinen eigenen Umgang mit verschiedenen Materialien.

Vasen "A Piume" aus der Berliner Sammlung Lutz Holz, bis 20. November in der Ausstellung "Murano. Milano. Venezia" der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, Di-So 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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