Werk der Wahl:Die Liebe nach dem Krieg

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Der Weinhändler Guido Walter wundert sich über die Liebe

Meine erste Begegnung mit Robert Motherwell fand vor mittlerweile 25 Jahren statt, als ich an einem seiner Bilder partout nicht vorbeikam. Das Bild - eine abstrakte, ganz in Schwarz-Weiß gehaltene Arbeit, die sich mit dem Gräuel des spanischen Bürgerkrieg befasste - fesselte mich auf Anhieb, und ich harrte davor eine lange Zeit aus. Es strahlte für mich eine ganz besondere, intuitiv wahrgenommene Kraft, eine klare, reduzierte Präzision aus, und ich wollte mehr über diesen Künstler erfahren. Warum übte gerade dieses Bild so eine eigenartige Faszination auf mich aus?

Ich erfuhr kurz danach, dass Motherwell, bevor er sich ganz dem Malen widmete, in Amerika Philosophie studiert hatte. Da ich zu diesem Zeitpunkt gerade das Philosophiestudium aufnahm, kam mir das auf wundersame Weise signifikant vor. Vielleicht war diese Parallelität der Interessen eine erste Erklärung für diese instinktive Affinität zu seinem Werk. Über die Jahre hinweg verfolgte ich Motherwell weiterhin mit großem Interesse, und nahm jede Möglichkeit wahr, mir diesen Künstler, der leider in Deutschland viel zu wenig zu sehen ist, anzuschauen.

Auch deshalb entdeckte ich mit großer Freude das Bild "Je t'aime, No. IV" in der Pinakothek der Moderne. Auch vor diesem Bild blieb ich wie angewurzelt stehen. Es geht, wie es der Titel des Bildes schon verspricht, nicht mehr um den Krieg, sondern ganz explizit um die Liebe. Auch die neuen, starken Farben wirken im Widerspruch zu der Bürgerkriegsserie, oder bilden dazu einen äußerst positiven, optimistischen Gegensatz. "Es ist wirklich eine abstrakte Malerei, wo man versuchen kann, Kindern zu erklären, dass man nicht einfach nur einen schwarzen Fleck auf ein Papier malt, sondern dass da im Grunde weitaus mehr dahinter ist und dieses ,weitaus mehr' auch die langfristige Freude am Bild ausmacht", sagte Motherwell einmal. Obwohl ich davon ausgehe, dass sich hinter dieser eindeutigen, das Bild überschreibenden Aussage noch 'weitaus mehr' verbirgt, fasziniert mich gerade diese geradlinige, klare Proklamation, diese Hinwendung zur Liebe, die in den Zeiten von "Love trumps hate" auch sehr zeitgemäß und durchaus mutig ist.

In meiner geschäftlichen Tätigkeit gilt meine Liebe, wenn man so will, dem vielfältigen Umgang mit Wein. Und so schloss sich für mich auch ein persönlicher Kreis, als ich, im Zuge meiner jüngsten Auseinandersetzung mit Motherwell, darauf stieß, wie er die Malerei dem Wein gleichstellte, sie habe nämlich "ein ebenso begrenztes Vokabular und dabei genauso gewaltige Ausdrucksmöglichkeiten".

Pinakothek der Moderne , das Gemälde von Robert Motherwell befindet sich im Saal 32, tägl. a. Mo. 10 - 18, Do. bis 20 Uhr

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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