Werbekampagne im Libanon:Lustgewinn und Todeskult

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Die Werbeagentur Saatchi & Saatchi will die Libanesen zu einer Konsumbereitschaft animieren, die den schlimmsten politischen Krisen trotzt.

Thomas Hildebrandt und Jan-Philipp Möller

"I love life!" So schallt es von zwei knallroten Kleinlastern herab, deren rückseitige Aufbauten zu gläsernen Ausstellungskästen umgebaut wurden. Hinter den Scheiben sieht man ein Beispiel dafür, wie man im heutigen Libanon Geld verdienen kann: Männer und Frauen in rot-weißen Kostümen lassen Luftballons tanzen, jonglieren mit bunten Bällen und verbreiten Frohsinn.

Eine neue Kampagne rollt durchs Land, und sie will den Libanesen verkaufen, was ohnehin als ihr Hauptwesenszug gilt: Lebensfreude, Konsumbereitschaft und eine Feierlaune, die noch den schlimmsten Krisen trotzt.

Und eine größere Krise gab es seit dem Ende des Bürgerkrieges 1990 nicht mehr. Nach dem israelisch-libanesischen Krieg im Sommer 2006 ist der seit dem Mord an Rafik Hariri vor bald zwei Jahren neu aufgebrochene Streit um die Orientierung des Landes eskaliert. Die von der schiitischen Hisbollah und der Freien Patriotischen Bewegung des Christen Michel Aoun angeführte Opposition demonstriert seit Anfang Dezember gegen die Regierung des Sunniten Fouad Siniora, die durch mehrere Ministerrücktritte geschwächt ist. Im Generalstreik am Dienstag ließen Anhänger der beiden Lager ihre Wut aneinander aus. Drei Menschen starben.

Die Parteien ringen nicht mehr nur um die Macht im Libanon. Sie streiten inzwischen auch um die Frage des guten Lebens. Und dieser Streit verrät viel über den Zustand eines Landes zwischen dem "Krieg gegen den Terror", einer Wirtschaftskrise und erbitterter politischer Konfrontation.

Mit erhobenem Kopf

"I love life" künden in vielen Regionen große Werbeplakate in den Farben des Landes: roter Hintergrund, weiße Buchstaben, dazu zwei Blätter in Grün über dem zu einem Herzen stilisierten Wort "love". Die Plakate gibt es außer auf Englisch auch auf Französisch und Arabisch, den Sprachen des Libanon. In ihrer Symbolik gibt sich die Kampagne, die keinen Absender nennt, universalpatriotisch und politikfern. Aber im Libanon reimt sich Leben auf Diesseits und Diesseits auf Jenseits, und von einer Huldigung des Lebens ist es nur ein Steinwurf zu einer kalkulierten Provokation.

Entsprechend schnell zur Sache kommt Eli Khoury, der Kopf des Projekts. Der Chef des levantinischen Zweigs der Werbeagentur Saatchi & Saatchi, der seine grauen Haare zu einem Zopf gebunden trägt, ist einer der Regisseure des 14. März 2005. Als im Zorn über den Hariri-Mord der Abzug der syrischen Armee erkämpft wurde, war er es, der den Demonstranten das nationale Rot-Weiß-Grün als einigendes Symbol verordnete. In seinem Büro im christlichen Stadtteil Aschrafije holt er aus zu einer Klage über das Dreierbündnis Hisbollah-Syrien-Iran und die "vulgären Elemente", die dieses bejubelten.

Martyrium, Revolution und Kampf lauteten die Slogans dieser Kräfte. Und das reflektiere eine "Kultur des Todes", die dem libanesischen way of life komplett widerspreche: Dieser nämlich beinhalte das Streben nach Lustgewinn, Wohlstand und sozialem Aufstieg - zu besichtigen in den Privatuniversitäten, den Luxusboutiquen und den Ausgehvierteln. Dabei greift Khoury unausgesprochen den Vorwurf aller Islamismus-Kritiker von George W. Bush bis Hans-Peter Raddatz auf: Dass die Islamisten den Tod mehr lieben als das Leben. Was auch auf die Schiiten verweist.

Dass der Slogan im Libanon, wo man sich auskennt mit versteckten Botschaften, genau so verstanden wird, zeigt sich auf einer von der Kampagne organisierten Silvesterparty auf dem Beiruter Messegelände. Der Fluch auf die Schiiten, den alkoholisierte Anhänger der christlichen Forces Libanaises hier ausstoßen, ist kaum weniger vulgär als die von Khoury kritisierten Kräfte.

Weiter hinten, in den Zelten für jene, die 100 Dollar Eintritt zahlen können, gibt es differenziertere Stimmen. Nina, die über ihr Land mit offensichtlicher Anstrengung nachdenkt, will endlich Ruhe vor den Großkonflikten der Region. Die Anhänger der Opposition folgten blind ihren Führern und denken nur an ihre Interessen, sagt sie: "Meine Waffe ist meine Arbeit. Ich will etwas leisten und meinem Land dienen." Nirgends sei es so schön wie im Libanon, doch der Traum dieses Landes werde vom Ausland immer wieder zerrieben.Ganz anders Jenny, die provokant einwirft: "Diese Party hätte nie stattfinden dürfen! Die Verantwortlichen werfen das Geld für eigene Ziele zum Fenster heraus, während das Land an den Kriegsfolgen und an Armut leidet."

Die Frage der Finanzierung ist so berechtigt wie diese dubios. Sprecher der Kampagne wiederholen immer wieder: Die Geldgeber sind Gruppen, Firmen und Individuen, die nicht sich selbst zu Ruhm, sondern ihrem Land zu neuem Optimismus verhelfen wollen.

Sie hungern uns aus

Auch über die Kosten des Projekts herrscht Stillschweigen. So kursieren Behauptungen: Der Hariri-Clan stecke dahinter, sagen manche; die im Auftrag der US-Regierung arbeitende Organisation USAID, sagen andere. Da Khourys Firma auch für die vom Weißen Haus gesponserten Sender Al-Hurra TV und Radio Sawa Werbung macht, ist letzteres nicht ganz abwegig. Im Zangengriff zwischen dem syrischen Präsidenten Assad und dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, sagt Khoury, sei er sofort bereit zum Bündnis mit "stupid Bush".

Den Kontrast dazu zeigen die Proteste der Opposition, nicht weit von der Party. Die Hisbollah hat eine Livesendung zum Thema Armut ins luxuriöse Stadtzentrum verlegt. Unter den Gästen, die hier verschüchtert sitzen, um ihr Schicksal zu schildern, sind nicht nur Schiiten. Zwei christliche Familien aus dem Kesrouan, einer Hochburg Aouns, hat Atid Abi-Jdid zu der Sendung gebracht. Das Mitglied der Freien Patriotischen Bewegung reagiert bitter auf das "I love life"-Motto: "Das Leben, das sie für uns wollen, ist reine Erniedrigung. Sie hungern die Menschen aus, damit sie nicht an Politik denken können. Auch wir lieben das Leben, aber bitte in Würde."

In Würde. In Sicherheit. Ohne Schulden. Mit erhobenem Kopf. In verschiedenen Farben. Inzwischen hat die Opposition eigene Plakate geklebt, die jenen Khourys gleichen. Nur unter dem "I love life" steht trotzig, als Graffiti, einer der genannten Zusätze. Dazu die Signatur "die libanesische Opposition" und in einem Regenbogen die Farben aller politischen Kräfte des Landes.

© SZ vom 26.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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