Werbe-Wirkung:Gechattet nicht gedreht

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Gut vermarktet ist halb verkauft - das war einmal. TV-Reklame verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit und aas Ende der Werbe-Ikonen lauert im Chatroom.

lyn

Was waren das noch für Zeiten, als uns Clementine mit ihrer unnachahmlich resoluten Art im verfeinerten Trümmerfrauenstil sagte, welchem Waschmittel wir vertrauen könnten. Klar war, dass Ariel unsere Weißwäsche nicht nur sauber, sondern rein waschen würde.

Der Meister aus der Flasche

Unvergesslich auch der Meister aus der Flasche. Seine muskelbepackten Arme - lässig vor der nicht minder muskelbepackten Brust verschränkt - waren uns Garant, dass mit seiner Hilfe der gesamte Haushalt mühelos proper werden würde. Natürlich war uns auch klar: Gut vermarktet ist halb verkauft. Und so trauten wir den Werbesprüchen immer nur halb über PR-Weg.

Doch die Ikonen der Vermarktungsindustrie begleiteten uns wie vertraute Verwandte in die Supermärkte und sorgten dafür, dass das entsprechende Produkt auch in unserem Warenkorb landete - selbst wenn der nach Berechnungen des statistischen Landesamtes und auf Grund der Einkommensstruktur derartige Markenprodukte gar nicht hätte enthalten dürfen.

Aus und vorbei. Nach neuesten Untersuchungen der Werbeindustrie (sic!) verliert die TV-Reklame immer mehr an Glaubwürdigkeit. Insbesondere Jugendliche vertrauen dem Chatrooms inzwischen mehr als jeder Werbekampagne. Bild, Ton, Animation, ja überhaupt jede Art von aufwändig visualisierter Glaubhaftmachung der Produktversprechungen sind demnach obsolet.

Eine Kaufempfehlung für die neueste Digitalkamera in ein paar anonyme Zeilen verpackt reicht, um den Zögerlichen zu überzeugen. Ein nächtlicher Austausch über die geschmackvollste Dosensuppe genügt, um jeden Knoten im Löffel zu lösen.

Die so veränderte Werbeempfänglichkeit wollen sich nun auch die Marketingstrategen der Werbeindustrie zunutze machen. Statt mit viel Aufwand über Jahre hinweg eine werbewirksame Identifikationsfigur zu schaffen, setzt man auf Celebrities, die man in Klatsch-Zeitungen wöchentlich über die Produkte reden lässt. Was gestern also noch von Anonyma gechattet wurde, wird heute von Promis geklatscht und gewinnt so noch mehr an Glaubwürdigkeit. - Wer's glaubt.

Denn bei der Art von Klamotten, die Naomi oder Britney tragen, bleiben erhebliche Zweifel, ob sie die selbst gewaschen haben. Und wenn doch, dann ganz sicher zu heiß. Da vertrauen wir doch lieber der guten alten Clementine.

© SZ vom 7.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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