Weltraum:"In 20 Jahren haben wir Kontakt zu Außerirdischen"

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Der Astronom Seth Shostak rechnet mit 10.000 hochentwickelten Zivilisationen allein in der Milchstraße. Als Chefastronom des Seti-Instituts in Kalifornien koordiniert er die weltweite Suche nach den Signalen außerirdischer Intelligenz. Demnächst wird Shostak eine neue Schätzung veröffentlichen: In den kommenden 20 Jahren werden wir in der Milchstraße die ersten Signale extraterrestrischer Lebewesen entdecken.

Interview: Patrick Illinger

SZ: Sind Sie sicher, dass wir in 20 Jahren tatsächlich Kontakt mit Außerirdischen haben? Es war schon nicht leicht, dieses Gespräch zu verabreden. Anrufbeantworter, Mobilfunklöcher, verpasste E-Mails...

Shostak: Ich gebe schon zu, nicht alle Kollegen sind so optimistisch. Meine Schätzung basiert aber auf nachvollziehbaren Annahmen. Wichtig sind zwei Größen: Wie viele Zivilisationen gibt es da draußen? Und welche Mittel haben wir, sie zu entdecken? Letzteres können wir gut einschätzen. Die Zahl der Sender in der Galaxis aber kennen wir nicht. Vielleicht gibt es ja gar keine intelligente Zivilisation in der Milchstraße. Vielleicht sind es aber auch Millionen, wie Carl Sagan behauptet hat. Frank Drake, ein Theoretiker am Seti-Institut, kommt auf 10000. Und daraus habe ich den Zeitraum von rund 20 Jahren ermittelt, bis die erste Quelle entdeckt wird.

SZ: 10000 intelligente Sender? Das wäre ja ein wildes Rauschen im All.

Shostak: Wer weiß, vielleicht spielen die ja nur ätzende Musik. Es geht jedenfalls um Radioquellen nicht natürlichen Ursprungs.

SZ: Auch diese müssten Sie erst empfangen und mit massivem Rechenaufwand aus dem kosmischen Flimmern der Milchstraße herausfiltern.

Shostak: Ja, aber neue Teleskope sind im Bau, und die Leistung der Computer wird in den kommenden Jahren weiter exponentiell steigen, auch wenn Silizium eines Tages als Material für Mikrochips nicht mehr taugt.

SZ: Viele Ihrer Kollegen bestreiten, dass es so viel Leben im All geben kann. Sie stellen die Entstehung der Erde als außergewöhnliche Kette einzigartiger Zufälle dar. Demnach gibt es nur wenige Sterne, die wie unsere Sonne gerade das richtige Verhältnis von Leuchtkraft und Lebensdauer bieten.

Shostak: Das sind immerhin zehn Prozent aller Sterne.

SZ: Oder der Mond. Ohne den Mond würde die Erde wie ein wild gewordener Kreisel herumtaumeln und zeitweise auf einer Seite komplett einfrieren.

Shostak: Das wird überschätzt. Trotz Eiszeiten hat sich das Leben auf der Erde erhalten. In dieser Zeit wanderte beispielsweise die gesamte Vegetation in Nordamerika nach Süden.

SZ: Besteht nicht ein Riesenunterschied zwischen einer Eiszeit und einem Planeten, dessen eine Hälfte komplett im Dunklen liegt.

Shostak: Das Leben könnte sich meiner Meinung nach dennoch auf solche Bedingungen einstellen.

SZ: Es gibt noch viele weitere Zufälle: In der Nachbarschaft des Sonnensystems verblüffend lange keine Supernova explodiert, deren Strahlung alles Leben auslöschen könnte. Es gibt Jupiter, der wie ein Staubsauger gefährliche Kometen und Asteroiden wegsaugt. Und soeben hat der Astronom Martin Beer aus England festgestellt, Planetensysteme wie das unsere seien selten. Tatsächlich sind ja die bislang im All entdeckten Planeten völlig ungeeignet für biologisches Leben. Lauter riesige, ungemütliche Gasbälle.

Shostak: Es ist zurzeit ein bisschen in Mode, unser Planetensystem als besonders anzusehen. Das liegt zum Teil daran, dass die heutigen Teleskope ein ähnliches Planetensystem anderswo gar nicht entdecken können. Das verzerrt den Eindruck. Je besser die Instrumente werden, desto mehr Planetensysteme werden wir entdecken, die kleine Planeten auf großen Umlaufbahnen haben, ähnlich wie das Sonnensystem. Bislang kann man noch nichts kleineres als Planeten der Größe Saturns finden. 2007 wird der Satellit Kepler gestartet. Ich wette, diese Sonde wird viele kleine Planeten finden. Und was Jupiter als Steinschlagsauger betrifft...

SZ: ...die Welt konnte 1994 zusehen, wie der Komet Shoemaker-Levi mit Jupiter kollidierte.

Shostak: Erstens können auch andere Sterne Planeten wie Jupiter haben. Zweitens sind gelegentliche Einschläge womöglich gar nicht so schlecht für die Entwicklung des Lebens. Erst als die Dinosaurier weg waren, konnten sich die Säugetiere ausbreiten. Okay, so etwas sollte nicht alle paar Jahre passieren.

SZ: Kann sich Leben eigentlich nur mit komplexen Molekülverbindungen und Kohlenstoff als zentralem Baustein entwickeln?

Shostak: Wahrscheinlich ja, wenn wir über biologisches Leben reden. Elemente mit ähnlichen Bindungseigenschaften sind Silizium, Zinn und Blei. Das muss man sich mal vorstellen: Organismen auf der Basis von Bleiverbindungen. Nein: Alle anderen Elemente sind nicht so geeignet wie Kohlenstoff. In jedem Stück Erde aus dem Garten werden Sie zwar mehr Silizium als Kohlenstoff finden. Aber das Silizium ist eben chemisch nicht so interessant. Siliziumdioxid ist nur Glas. CO2 hingegen ist ein biologisch hochinteressantes Molekül. Pflanzen mögen es. Menschen atmen es aus.

SZ: Könnte Intelligenz ganz frei von Materie sein?

Shostak: Sie meinen ganz ohne Atome? Nur irgendwelche Quanteneffekte? Puh. Jedenfalls könnte es gut sein, dass die ersten Signale, die wir von E.T. empfangen, nicht von einer kohlenstoffbasierten Lebensform ausgehen. Ich stelle mir vor, dass organische Lebensformen in der Lage sind, künstliche Intelligenz zu entwickeln, Maschinen also, die dann eventuell doch aus Silizium bestehen. Künstliche Intelligenz kann sich wesentlich schneller fortentwickeln als biologisches Leben. Dazu muss man nur die rasante Entwicklung der Computerindustrie mit den Zeitskalen der Evolution vergleichen. Maschinen könnten sich selbst weiterentwickeln, was biologisches Leben nicht ohne weiteres kann, auch wenn man eines Tages den eigenen Nachwuchs genetisch verbessern sollte.

SZ: Wollen Sie sagen, das unser Erstkontakt im All ein Roboter sein wird?

Shostak: Na ja, die würden bestimmt nicht aussehen wie im Film, mit Armen und Beinen. Und den Müll würden sie wohl auch nicht rausbringen.

SZ: Aber sie hätten biologische Schöpfer?

Shostak: Ja, aber das dürfte relativ egal sein. Die würden sich in kurzer Zeit emanzipieren und ihre Intelligenz in der Folge unabhängig entwickeln. Es wäre nicht mal unvernünftig zu behaupten, dass wahrscheinlich die Mehrzahl der intelligenten Sender im All keine biologischen Wesen sind. Maschinen könnten sich im übrigen besser lösen aus der Enge biologischer Habitate. Sie können sich selbst reparieren. In gewissem Sinne sind sie unsterblich. Daher könnten sie sogar zwischen den Sternen reisen.

SZ: Sie sollten also nicht nur Sterne nach Signalen absuchen? Shostak: Ja, auch wenn die Umgebung von Sternen einige Vorteile bietet: Dort gibt es mehr Materie und mehr Energie als im interstellaren Raum.

SZ: Gibt es im All so etwas wie eine Lingua Franca? Eine im Wortsinne Universalsprache? Könnten da Primzahlen eine Rolle spielen wie vor einigen Jahren im Film "Contact"?

Shostak: Primzahlen - das kommt mir zu einfach vor. Oder der Wert von Pi, das sind Sachen, die ich mit 13 gelernt habe. Es wäre enttäuschend, wenn fremde Intelligenzen uns mit so etwas beschallen. Vielleicht sollte man die Frage andersherum angehen: Was würden wir senden?

SZ: Da ist ja schon einiges unterwegs, zum Beispiel auf der Raumsonde Voyager. Ein Bild von zwei nackten Menschen mit Wasserstoffatom... Kommt mir nicht viel intelligenter vor als Pi.

Shostak: Stimmt schon, der Informationsgehalt ist klein. Mit Radiowellen, oder noch besser: Mit Lichtimpulsen könnte man viel mehr senden. Man könnte die ganze bayerische Staatsbibliothek in Nullkommanix ins All schießen. Wenn man das dann einmal am Tag abschickt, ist es egal, ob alles auf Deutsch ist, so etwas lässt sich schnell entziffern.

SZ: Sie meinen, die Außerirdischen haben ein paar CIA-Typen, die das Kauderwelsch aus München schnell knacken?

Shostak: Das wäre nicht schwer.

SZ: Wenn Sie sich Außerirdische, jetzt mal nicht die Maschinenversion, vorstellen: Haben die Arme und Beine und so?

Shostak: Einiges kann man schon dazu sagen: Der fremde Planet müsste schließlich ungefähr so groß sein wie die Erde, weil sonst die Atmosphäre nicht hält. Daher müssten ähnliche Schwerkraft-Gesetze gelten. Entsprechend dürften die Außerirdischen kaum kleiner sein als ein Hund oder größer als eine Elefant. Und wenn man die Geschichte der Evolution betrachtet, so wurden viele Merkmale, das Auge zum Beispiel, mehrmals entwickelt. Das ist also ein brauchbares Konzept. Auch wenn Sie in den Zoo gehen: Alle Tiere mit interessanten Gehirngrößen haben nicht etwa hundert Arme. Und sie haben auch nicht einen einzigen. Irgendwas zwischen vier und acht Extremitäten scheint optimal zu sein. Es gibt sogar Evolutionsbiologen, die sagen, alles läuft zwangsläufig auf den Menschen hinaus. Außerirdische Lebensformen werden also nicht aussehen wie Staubsauger oder Kofferradios, sondern wie irgendetwas, das uns von der Erde her bekannt vorkommt.

SZ: Eine interstellare Unterhaltung wäre ja wegen der langen Laufzeit kaum möglich. Wenn Sie eine einzige Mitteilung absetzen dürften, was wäre das?

Shostak: Ich würde ihnen die Google-Server senden.

SZ: Wie bitte?

Shotak: Sie nutzen doch Google, oder? Ich würde einfach jedes Bit, das die Google-Zentralrechner aus dem Internet sammeln, ins All schicken.

SZ: Sie würden die Außerirdischen mit all diesem peinlichen Zeug belämmern? Auch die Werbung?

Shostak: Klar! Was würde mehr über uns Menschen erzählen als das? Mit modernen optischen Transmittern bräuchte man weniger als einen Tag um alles rauszujagen. Ich präsentiere diese Idee im kommenden Monat auf einer Konferenz in Vancouver.

Weitere Informationen: www.seti.org

© SZ vom 4.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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