Vorschlag-Hammer:Zufällig Kunst

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In Recklinghausen konnte man ein bildgewaltiges Theatermuseum erleben. Es erinnert an frühere Arbeiten des Künstlers

Von Egbert Tholl

Gerade sitze ich in Recklinghausen, im Innenhof eines Hotels, das den Budgetrahmen der Süddeutschen sprengen würde, wäre dies eine Dienstreise, ist es aber nicht, ist Lustreise. Lustreise bei mir bedeutet, dass ich mir gestern bei den Ruhrfestspielen die "Orestie" in der Inszenierung von Romeo Castellucci angesehen haben. Äh, nur zur Beruhigung: So ein Nerd bin ich auch nicht, dass ich mich nur dann irgendwo hinbewege, wenn dort jemand Theater spielt oder Musik macht. Aber nun war es halt doch Castellucci, einfach aus dem Grund, dass ich von dem schon viele Arbeiten gesehen habe; einige darunter gehören zum Eindrucksvollsten, was ich je auf einer Bühne anschauen durfte. In dem Fall war es so, dass die "Orestie" zwar 20 Jahre alt ist, Castellucci aber seine Inszenierung nach eigenen Angaben wieder hervorholte, um sie an der Gegenwart zu messen. Ohne dies genau sagen zu können, damals habe ich die Aufführung nicht gesehen: Vielleicht hat er gemessen, geändert hat er nichts. Außer der Besetzung, doch dies dürfte nach 20 Jahren ein recht natürlicher Vorgang sein.

Nun konnte man ein bildgewaltiges Theatermuseum erleben, das zwar haargenau zu Castelluccis früheren Arbeiten passt, klar, aber nicht in die Gegenwart. Wobei: Vieles von dem, was der italienische Regisseur hier aufbietet, begegnet einem heute in anderen Zusammenhängen wieder, Agamemnon wird gespielt von einem Menschen mit Down Syndrom, Klytämnestra ist eine monströse Fettel, es laufen Gestalten herum wie von Giacometti und unter den Fluch der Atriden wird hineingemixt "Alice in Wonderland", Pathologie und Albtraum. Was lernt man daraus? Irgendjemand hat es immer erfunden, und das ist nicht immer der, von dem man es im Augenblick glaubt. Apropos Augenblick: Ich fahre jetzt nach Brüssel, dort gibt es ein hervorragendes Restaurant namens "Augenblick". Dass in Brüssel, gerade das Kunstenfestival stattfindet, nun ja, das ist Zufall.

Doch nun zum Servicecharakter dieser Kolumne. Am 28. Mai beginnt in München die Musiktheater-Biennale. In diesem Job wird man oft gefragt, wie wohl etwas werde, ob man etwas empfehlen könne, etc. Die Biennale zeigt 15 Uraufführungen in zehn Tagen, und vielleicht bei zweieinhalb von diesen könnte ich vage vermuten, was sie werden könnten. Der Rest? Hingehen, neugierig sein. Hilft ja nichts. So viel zum Service. . .

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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